User Experience Design und die 5 Elemente erfolgreicher E-Learnings
Wer mit dem Thema E-Learning bereits in Berührung gekommen ist, kennt das vermutlich: Nachdem man es schließlich geschafft hat, das Lernmodul abzurufen (und dabei womöglich noch ein Flash-Player-Plugin installieren musste), entpuppt sich das Web-Based-Training als eine nicht enden wollende Aneinanderreihung textbeladener Folien. Wer durchhält und tapfer ein ums andere Mal auf „Weiter“ klickt, bekommt am Ende vielleicht ein Zertifikat. Nicht selten kann man jedoch für seinen Arbeitsalltag keinen praktischen Nutzen aus dem Kurs ziehen, da die Inhalte kaum Antworten auf relevante Fragen geben.
Das kann nicht das Ziel des Einsatzes von E-Learning sein. Wer es besser machen will, muss jedoch zunächst einige Hindernisse überwinden: Die Zielgruppe muss definiert werden und ausreichend gut bekannt sein, Inhalte müssen erarbeitet und strukturiert werden, ein Drehbuch erstellt werden, die grafische Oberfläche gestaltet werden, etc. Wenn dabei die Bedürfnisse der Lernenden missachtet werden oder der Nutzungskontext ignoriert wird, kann dies das Scheitern eines E-Learning-Projektes bedeuten.
Neben verschiedenen Methoden des Instruktionsdesigns bietet auch die Disziplin des User Experience Designs Lösungsansätze hierfür. User Experience Design beschäftigt sich mit der Optimierung des Nutzungserlebnisses und berücksichtigt dabei nicht nur die Gebrauchstauglichkeit, sondern auch die „enjoyability“: die Freude am Besitz und an der Verwendung eines Produkts.
User Experience lässt sich in fünf Ebenen gliedern, die Elemente der User Experience: Oberflächenebene, Rasterebene, Strukturebene, Umfangsebene, und Strategieebene. Auf jeder Ebene werden Entscheidungen getroffen, die das Projekt betreffen. Die Entscheidungsmöglichkeiten auf einer Ebene werden dabei eingegrenzt durch die Entscheidungen, die auf darunterliegenden Ebenen getroffen werden. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie mit einem Produktionsprozess, der sich an diesem Modell orientiert, hochwertige E-Learnings erstellt werden können.
1. Strategieebene
Bevor mit der eigentlichen Arbeit an einem E-Learning-Projekt begonnen wird, sollten Ziele und Erfolgskriterien definiert werden. Dabei ist es wichtig, nicht nur die Ziele zu kennen, die das Unternehmen mit dem E-Learning verfolgt, sondern auch die Ziele der Lernenden.
Als Erfolgskriterien dienen Kennzahlen, die für jeden Anwendungsfall individuell bestimmt werden müssen. Dies können z. B. Performance-Verbesserungen der Mitarbeitenden, Kostenreduzierung im Vergleich zur Präsenzschulung, eine reduzierte Anzahl an Support-Anfragen oder Abrufzahlen sein. Am besten hält man Ziele und Erfolgskriterien in einem Strategiepapier fest, das allen Projektbeteiligten zur Verfügung gestellt wird.
Auch die Nutzerforschung ist Bestandteil der Strategieebene. Hierbei kommen Techniken zum Einsatz, die man sonst eher aus dem Bereich der Marktforschung kennt, z. B. Interviews (im besten Fall im Alltagsumfeld der Lernenden), Umfragen oder Nutzertests (z. B. „Card Sorting“). Auf Basis der gewonnen Daten können fiktive Charaktere („Personas“) erstellt werden, die es einfacher machen sollen, sich in die späteren Nutzer einzufühlen.
2. Umfangsebene
Auf der Umfangsebene werden die Anforderungen an das Produkt festgelegt. Diese basieren auf den Entscheidungen, die im Rahmen der Strategieebene getroffen wurden. Dabei gilt es, zwischen Funktionsspezifikationen (z. B. Responsivität, LMS-Kompatibiliät) und inhaltlichen Anforderungen (z. B. Lernziele) zu unterscheiden. Wenn man agil vorgeht, schätzt und priorisiert man nun die Anforderungen, erstellt das Backlog und plant den ersten Prototypen, den man Stakeholdern präsentieren kann.
3. Strukturebene
Weiter geht es auf der Struktureben, die das Interaktionsdesign und die Informationsarchitektur beinhaltet.
Ein wichtiges Ziel des Interaktionsdesigns ist es, bei den Nutzern einen „Flow-Zustand“ hervorzurufen: ein völliges Eintauchen der Lernenden in das E-Learning und ein Gefühl von Kontrolle. Für E-Learning-Autoren bedeutet das unter anderem: (Quiz-)Interaktionen müssen einen angemessenen Schwierigkeitsgrad haben und es muss kontinuierlich Feedback gegeben werden, das den Lernenden die Auswirkungen ihrer Entscheidungen zeigt.
Beim Konzipieren der Informationsarchitektur geht es darum, die Inhalte zu strukturieren. Die weitverbreitete hierarchische Struktur ist beispielsweise gut geeignet, wenn die Lernenden gezielt bestimmte Inhalte aufrufen möchten. Eine sequentielle Struktur ist hingegen besser geeignet, um Anfängern ein Thema in einer vorgegebenen Reihenfolge präsentieren. Besonders spannend wird es, wenn der Lernpfad durch die Zielgruppenangehörigkeit der Lernenden bestimmt werden soll (Matrix-Struktur).
4. Rasterebene
Auf der Rasterebene wird festgelegt, welche konkrete Form die weitgehend abstrakten Konzepte der Strukturebene erhalten. Wireframes (schematische Layout-Vorlagen) und Drehbücher werden erstellt sowie ein passendes Authoring-Tool ausgewählt. Außerdem werden Navigationselemente festgelegt, welche den Nutzern ein Navigieren im Kurs gemäß der Informationsarchitektur erlauben.
Ebenfalls der Rasterebene zugeordnet wird das Informationsdesign: Hier stehen den E-Learning-Autoren eine Vielzahl von Stilmitteln zur Verfügung, die genutzt werden können, um Informationen ansprechend und lernfördernd aufzubereiten. Ein – in den letzten Jahren sehr populär gewordenes – Stichwort ist „Storytelling“: Durch das Verpacken von Informationen in Geschichten werden die Lerninhalte emotionaler und leichter zu erinnern. Auch Metaphern, Infografiken, Animationen, und Softwaresimulationen helfen, komplexe Themen verständlich zu machen.
5. Oberflächenebene
Die fünfte Ebene ist die Oberflächenebene. Hier erfolgt die Beschäftigung mit dem „sensorischen Design“. Man stellt sich die Frage, über welche Sinne die Nutzer das E-Learning wahrnehmen. Zur visuellen Gestaltung kann ein Gestaltungsraster angelegt werden, welches das harmonische Ausrichten von Elementen erleichtert. Gestaltungsprinzipien wie der Goldene Schnitt können dabei hilfreich sein, müssen jedoch nicht um jeden Preis erzwungen werden. Auch das „Ausbrechen“ aus dem Raster kann an geeigneten Stellen ein interessantes Stilmittel sein. In den meisten Fällen gilt es, das Corporate Design des Unternehmens zu berücksichtigen. Oft ist es sinnvoll, darüber hinaus weitere Konventionen festzulegen, z. B. um Interaktionen konsistent zu kennzeichnen.
Auch Audio ist für die User Experience von E-Learnings relevant. Von professionellen Sprechern vertonte E-Learnings verbessern die Barrierefreiheit und steigern die Attraktivität. Sogenannte „Earcons“ – kurze, nonverbale Klänge – können genutzt werden, um Feedback zu geben.
Wenn die Ebenen in der Praxis auch nicht immer eindeutig zu trennen sind, hat sich doch gezeigt, dass die Methoden des User Experience Designs – ergänzt durch Erkenntnisse aus Instruktionsdesign und Didaktik – sehr gut für die Erstellung von E-Learnings geeignet sind. Langweilige, ineffektive Textkurse gehören damit der Vergangenheit an.
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