Im Fokus des 10. qualityaustria Gesundheitsforums unter dem Titel “Mut zum ersten Schritt – Gesundheitswesen im Wandel der Zeit” stand der zunehmende Veränderungsdruck auf den Gesundheitssektor. Führende Experten aus dem Gesundheitsbereich fanden sich am 10. November in den Hofstallungen des MUMOK im Wiener Museumsquartier ein, um über aktuelle Herausforderungen und brisante Zukunftsperspektiven im heimischen Gesundheitssystem zu diskutieren.
Nach der Eröffnung des Gesundheitsforums durch Konrad Scheiber (CEO, Quality Austria) ging Günther Schreiber (Netzwerkpartner, Projektmanagement und Koordination Branche Gesundheitswesen, Quality Austria), der die Jubiläumsveranstaltung moderierte, auf drastische Entwicklungen im Gesundheitsbereich ein. Nach Schreiber werde das österreichische Gesundheitssystem in den nächsten Jahren zusammenbrechen. Schon jetzt hätten Gemeinden das Problem, niedergelassene Ärzte zu finden und die medizinische Versorgung zu gewährleisten. Darüber hinaus wies Schreiber auf Patientengefährdungen und Todesfälle aufgrund von Hygienemängeln sowie Behandlungsfehlern in Gesundheitseinrichtungen hin und machte dadurch auf die Notwendigkeit eines Qualitätsmanagementsystems aufmerksam.
Der Weg der Pioniere – Ideen, die Wirklichkeit wurden
Im Anschluss blickten Reinhard Krepler (Präsident des Wiener Roten Kreuzes), Klaus Schirmer (Qualitätsmanagement, team sante obere apotheke) und Gernot Brunner (Ärztlicher Direktor Stmk. Krankenanstaltenges.m.b.H. LKH-Univ.Klinikum Graz) auf bisher erreichte Meilensteine im Gesundheitswesen zurück. “Gutes Qualitätsmanagement schützt nicht nur Patienten, sondern hat auch enorme finanzielle Auswirkungen. Denn es verhindert, dass Zuständigkeiten zwischen Fachabteilungen hin- und hergeschoben werden”, so Krepler über den Nutzen von konsequentem Qualitätsmanagement. Nach Schirmer werde dadurch die Effektivität gesteigert: “Qualitätsmanagement hält uns den Kopf frei, um leistungsstark, reaktionsschnell und kreativ sein zu können.” Im Hinblick auf das Risikomanagement im Gesundheitsbereich ergänzte Brunner, dass Qualitätsmanagement und Patientensicherheit untrennbar zusammengehören würden und betonte: “Qualitäts- und Risikomanagement sind ein eindeutiges Führungskräfte-Thema!”
Aktuelle Herausforderungen aus medizinischer Sicht
In Bezug auf die gegenwärtige Entwicklung ging Bruno Mähr (Ärztlicher Leiter, BVA TZ Rosalienhof) auf die Qualität in der beruflichen Rehabilitation ein. “Die Interaktion der Leistungsnehmer, -erbringer und -träger sowie die Vermittlung adäquater arbeitsrelevanter Methoden und Inhalte sind hier wesentlich”, so Mähr. Herwig Wetzlinger (Direktor, Direktion Teilunternehmung AKH) sprach über strategische Erfolgsfaktoren und betonte: “Klare Zukunftsbilder, das Kommunizieren und Einbinden aller Hierarchieebenen sowie berufsgruppenübergreifendes Agieren sind für eine effektive Zusammenarbeit zentral.” Bernhard Gisinger (Geschäftsführer, Orthopädiezentrum Donau Zentrum) machte deutlich, wie wichtig es sei, dass man sich auf sein Team verlassen könne, und war überzeugt: “Ein Orthopädie-Zentrum funktioniert nicht als One-Man-Show.”
Die Zukunft des Gesundheitssystems
Der dritte und letzte Schwerpunkt widmete sich den Potentialen und Lösungsansätzen zur Bewältigung der steigenden Anforderungen im Gesundheitsbereich. Eva-Maria Kirchberger (Organisational Behaviour Design Imperial College Business School, London) zeigte auf, wie die Analyse von Big Data genutzt werden kann, um das Erlebnis von Patienten zu verbessern. Das größte Problem im Krankenhaus sei der Austausch von Daten. Bis 2030 werde jeder Bürger ein eigenes Gesundheitsportal haben, das alle Interaktionen mit einem Arzt, einem Krankenhaus, einer Apotheke, etc. erfasse. In Zukunft werde von Patienten ein 360-Grad-Profil erstellt, wodurch Krankheiten mithilfe einer Datenanalyse bereits im Vorhinein erkannt werden könnten. “Der Trend geht hin zur Prävention von Krankheiten. Es wird künftig vielmehr um die Erhaltung der Gesundheit, als um die Heilung von Krankheiten gehen”, prognostizierte Kirchberger. Aufgrund der digitalen Revolution werde sich die Gesundheitsbranche stark verändern. So werde es u.a. den Job des sich virtuell einschaltenden Tele-Arztes entstehen, weniger Personal in der Verwaltung notwendig sein, aber wiederum auch neue Berufsbilder entstehen. Darüber hinaus werde sich die Anzahl der Spitäler verringern.
Franz-Peter Walder (Member of the Board, Quality Austria) nahm sich in seinem Vortrag den Gestaltungsebenen im Gesundheitssektor an und hielt als Fazit fest: “Führung nebenbei reicht nicht aus, um Organisationen weiterzuentwickeln. Innovation muss auf mehreren Ebenen stattfinden und beschränkt sich nicht nur auf neue Produkte und Services.”
Danach ging Günther Schreiber auf Potentiale und Erfolgsfaktoren im Gesundheitsbereich ein. Es sei von zentraler Bedeutung, die Komplexität des Systems zu erkennen und zu steuern. Dabei müsse zugunsten des Ganzen auf Einzelinteressen verzichtet werden. Die ganzheitliche Betrachtung gehe beispielsweise verloren, wenn Führungskräfte gegeneinander arbeiten, verschiedene Abteilungen ihr Wissen nicht miteinander teilen oder Ärzte der Meinung sind, ihre Fachkompetenz reiche für die Erzielung optimaler Ergebnisse aus. Die stetig wachsenden Anforderungen an Führungskräfte würden zudem noch mehr Leadership erfordern und zwar unabhängig von der medizinischen Fachkompetenz. “Es darf nur um eines gehen: um Qualität, sprich die beste medizinische Versorgung. Stimmt diese, kommt der ökonomische Erfolg automatisch”, so Schreiber. Kritische Fragen aus dem Publikum bildeten die Basis für den darauf folgenden Expertentalk über die zukünftige Gestaltung des Gesundheitssystems.
Schlussfolgerungen des 10. qualityaustria Gesundheitsforums
Schreiber betonte in seinem Schlussstatement, dass die Komplexität im Gesundheitswesen außen um das 6-fache und innen um das 35-fache gestiegen ist. Im Hinblick auf die Anforderungen an die Führungskräfte, dem Wandel der Kultur und der Legal Compliance seien die Herausforderungen in den letzten Jahren gleich geblieben. Der Druck externer Rahmenbedingungen habe sich jedoch verstärkt. Gründe dafür seien u. a. die vermehrten Forderungen der Sozialversicherungsträger und Patienten, die verstärkte Forderung nach Transparenz und der gestiegene Budgetdruck. Die Krise sei unvermeidbar, um einen Wandel im Gesundheitsbereich bewirken zu können. “Es zeigt sich, dass Veränderungen nur bei genügend hohem Leidensdruck in Angriff genommen werden – das Problem dabei ist: Es geht zu Lasten von Patienten und Mitarbeitern”, fasste Schreiber die Erfahrungen aus seiner über 20-jährigen Tätigkeit in der Branche zusammen.
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