ARAG Experten über ein aktuelles Urteil des BGH
Immer wieder liest man Berichte um möglicherweise gefährliche Nebenwirkungen von Impfungen. Untersuchungen und Studien, die einen Zusammenhang zwischen einer Schutzimpfung und dem Ausbruch anderer schwerer Erkrankungen konstruieren, halten einer wissenschaftlichen Prüfung in der Regel nicht stand. Gerade junge Eltern sind aber häufig verunsichert und fragen sich, ob gewisse Impfungen nicht vielleicht riskant sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden, wie ein zwischen sorgeberechtigten Eltern in Bezug auf die Schutzimpfungen ihres Kindes entstandener Streit beizulegen ist. ARAG Experten erläutern das aktuelle Urteil.
Impfen oder nicht?
Polio und Pocken wurden durch Impfungen in Deutschland ausgerottet. Dennoch gibt es viele, die sich bewusst gegen eine Impfung entscheiden und dadurch Krankheiten wie beispielsweise Masern zur Wiederkehr verhelfen könnten. Ein Grund könnte sein, dass immer wieder Diskussionen um möglicherweise gefährliche Nebenwirkungen von Impfungen aufflammen. Eine Impfpflicht, wie sie bis in die siebziger Jahre für die Pockenschutzimpfung galt, gibt es in Deutschland heute nicht mehr. Ein vom Bundesgesundheitsministerium ernanntes Gremium, die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO), gibt aber Impfempfehlungen heraus. Auf der aktuellen Liste stehen Impfungen gegen dreizehn Infektionskrankheiten, die Kindern verabreicht werden sollten:
-Wundstarrkrampf
-Diphtherie
-Kinderlähmung
-Keuchhusten
-Pneumokokken
-Rotaviren
-Meningokokken C
-Masern
-Mumps
-Röteln
-Haemophilus influenzae Typ B
-Hepatitis B
-Varizellen (Windpocken)
Der Fall
In dem konkreten Fall stritten Vater und Mutter einer 2012 geborenen Tochter durch mehrere Instanzen hindurch über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sind nicht verheiratet, die Tochter lebt bei der Mutter. Sie haben wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge beantragt. Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen; die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Das Amtsgericht (AG) hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht (OLG) es bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vater belassen, diese aber auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt.
Urteil des Bundesgerichtshofs
Die erneut eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter zum BGH ist ohne Erfolg geblieben. Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, welche laut BGB in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fällt, bei dem sich das Kind aufhält. Es ist vielmehr eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Darum kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidungskompetenz ist in so einem Fall dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird, so die ARAG Experten. Die angerufenen Gerichte haben den Vater mit Recht als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür in zulässiger Weise berücksichtigt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Die Impfempfehlungen der STIKO sind vom Bundesgerichtshof bereits als medizinischer Standard anerkannt worden. Den von der Mutter erhobenen Vorbehalten, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und Ärzteschaft“ resultieren, schenkten die Richter laut ARAG Experten keine Beachtung (BGH, XII ZB 157/16).
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