Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, und Maximilian Renger, wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Von Arbeitnehmern kommt immer wieder die Frage, ob der Arbeitgeber auch während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu einem Personalgespräch einladen kann. Aktuell fragte ein Zuschauer auf YouTube, ob dies zulässig sei, um einen Mitarbeiter, den man im Verdacht hat, seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht zu haben, zu überführen. Zum Thema Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit hat das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil Stellung bezogen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15).
In der Regel keine Erscheinungspflicht für Arbeitnehmer: In dem konkreten Fall ging es um einen Krankenpfleger, der über längere Zeit krankgeschrieben war. Der Arbeitgeber hatte ihn dann während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch gebeten, um seine zukünftigen Einsatzmöglichkeiten zu besprechen nach seiner Rückkehr. Nachdem der Arbeitnehmer dem nicht nachgekommen war, hatte er eine Abmahnung vom Arbeitgeber kassiert. Gegen die wehrte er sich vor Gericht – mit Erfolg, wie das Bundesarbeitsgericht entschied. Er musste der Einladung des Arbeitgebers nicht folgen.
Nur in Ausnahmefällen Anwesenheitspflicht: Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, trotz nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch zu erscheinen, sei auf besondere Ausnahmefälle beschränkt, in denen dringende betriebliche Gründe vorliegen. Der Arbeitgeber dürfe zudem keinen zusätzlichen Nachweis darüber verlangen, dass der Arbeitnehmer auch zum Erscheinen bei einem Personalgespräch nicht in der Lage sei. Die „normale“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei dafür ein hinreichendes Indiz. Das Anliegen des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit zu überführen, dürfte kaum unter einen entsprechenden dringenden betrieblichen Anlass fallen und einer entsprechenden Einladung müsste der Mitarbeiter deshalb nicht folgen.
Das Bundesarbeitsgericht: Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der einen Aufschub der Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gestattet, und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm zugemutet werden kann (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15).
Sonderfall betriebliches Eingliederungsmanagement: Ein Sonderfall stellt in diesem Zusammenhang das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) dar. Das muss der Arbeitgeber durchführen, wenn ein Beschäftigter im Laufe der vergangenen zwölf Monate länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Ziel ist es, damit die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters möglichst zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz des Betroffenen zu erhalten. Daran muss der Arbeitnehmer zwar nicht teilnehmen. Lehnt er die Mitwirkung ab, kann dies allerdings in einem etwaigen folgenden Kündigungsschutzprozess wegen einer krankheitsbedingten Kündigung nachteilig für ihn auswirken.
02.11.2017
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