München/Mekane Selam, 3. Mai 2018. Damit sich Frauen eine eigene Existenz in ihrer Heimat aufbauen können, verhilft ihnen die Stiftung Menschen für Menschen – Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe zur Aufnahme von Mikrokrediten. In Schulungen erhalten die Frauen Grundkenntnisse in Buchhaltung und bei der Erstellung eines Businessplans. Bis heute hat Menschen für Menschen dafür gesorgt, dass über 26.000 Frauen in Äthiopien einen Mikrokredit erhalten haben und sich selbständig machen konnten. Über 5.000 Frauen haben an handwerklichen Ausbildungskursen etwa in Töpfern, Schneidern oder Weben teilgenommen.
Die Schlosserin Melkam Merchaw
Melkam Merchaw aus Mekane Selam ist eine von ihnen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie eine Schlosserei gegründet. An diesem Vormittag lässt Melkam Merchaw vor ihrer Werkstatt die Funken fliegen. Eine junge Frau in rußschwarzer Arbeitskleidung, das karierte Tuch wie ein Turban um den Kopf gewickelt, schwarze Sonnenbrille im Gesicht, in den Händen ein knisterndes Schweißgerät. Sowas sieht man nicht alle Tage, zumal nicht im ländlichen Äthiopien. “Es gibt Leute, die finden es nicht gut, dass eine Frau diese Arbeit tut”, sagt sie. “Ich glaube, sie sind nur neidisch, weil ich eine eigene Werkstatt habe.”
Schweißnähte ziehen – und ganz nebenbei am Frauenbild Äthiopiens schmieden: Seit Melkam Merchaw gemeinsam mit ihrem Mann Welde Gebreal eine Schlosserwerkstatt am Rand der Kleinstadt Mekane Selam, rund 400 Kilometer nördlich von Addis Abeba, gegründet hat, ist sie nicht nur Handwerkerin, sondern auch Symbol für einen neuen, selbstbewussten Typ Frau in Äthiopien. “Meine eigene Mutter ist der Meinung, dass Frauen lieber auf dem Hof oder im Haus arbeiten sollten”, sagt sie. “Ich kann das nicht verstehen. Ich will unabhängig sein – und diese Arbeit macht das möglich.”
Mit dem Mut der Hoffnungslosen
Die Geschichte von Melkam beginnt so, wie viele Geschichten junger Äthiopierinnen beginnen. Nach der Schule hatte sie keine Chance, einen Beruf zu lernen oder zu studieren. “Ich war das dritte von acht Kindern”, sagt Melkam. “Eine Ausbildung konnten sich meine Eltern nicht leisten.” Um etwas Geld zu verdienen, arbeitete sie in einem Café. Hier traf sie Welde. Die beiden verstanden sich gut und wurden nach einigen Monaten ein Paar.
Doch das Geld, das sie verdienten, reichte nicht für ein eigenes Zuhause. “Also versuchten wir unser Glück in Addis Abeba”, erzählt Melkam. Sie fanden Arbeit im Straßenbau – für umgerechnet 13 Euro am Tag. “Für ein kleines Zimmer reichte das, aber es war nicht genug, um sich etwas aufzubauen.”
Eines Tages erhielten sie einen Tipp von einem Freund: Eine Firma bot Trainings für Schweißer an. “Erst guckten die Leute komisch, als eine Frau vor ihnen stand”, sagt Melkam. “Aber als sie sahen, dass ich arbeiten kann, durfte ich das Training beginnen.”
Perspektive in der Heimat
Nach dem Training arbeiteten die beiden für den Betrieb. “Die Arbeit machte uns Spaß, doch die Bezahlung war schlecht”, sagt Melkam. Zudem waren sie beide weit weg von ihren Familien, die im Norden des Landes lebten. Sie beschlossen, die Hauptstadt wieder zu verlassen – und zurück in den Norden zu gehen, in die Nähe ihrer Familien. “Mekane Selam schien uns eine gute Wahl”, sagt Melkam. “Die Stadt wächst, also entstehen hier sicher auch Jobs, dachten wir.”
Auf der Suche nach Arbeit erfuhren sie, dass Menschen für Menschen in Mekane Selam in der Projektregion Borena arbeitet und Kleinkredite ermöglicht. “Wir baten um einen Termin und trugen unsere Idee, eine Schlosserei zu gründen, vor. “Gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung erstellten sie einen Businessplan und wenig später hielten sie ihren ersten Kleinkredit in der Hand: 6.000 Birr, umgerechnet rund 180 Euro, ihr Startkapital. Sie mieteten sich eine Wellblechhütte am Stadtrand, kauften Gerätschaften und nahmen ihre ersten Aufträge an.
Erfolg dank harter Arbeit
Schnell stellte sich heraus, dass der erste Transformator zu schwach war. “Wir brauchten einen größeren”, sagt Melkam. Von einem weiteren Kredit, diesmal über 10.000 Birr, umgerechnet rund 300 Euro, kauften sie ein größeres Gerät. Eine bessere Ausstattung machte größere Aufträge möglich – und so konnten sie beide Kredite schnell wieder zurückzahlen. Heute sind Melkam und Welde gefragte Schlosser in Mekane Selam. Sie konstruieren Stahlgerüste für den Hausbau oder reparieren reihenweise Schulbänke.
Die 26.717 Frauen, denen Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe bis heute Mikrokredite ermöglicht hat, entwickeln unterschiedliche Geschäftsideen. Viele von ihnen eröffnen mit dem Startkapital ein Restaurant, ein Café oder einen Friseursalon oder entscheiden sich, in die Tierzucht einzusteigen.
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Die Stiftung Menschen für Menschen leistet seit über 36 Jahren nachhaltige Hilfe für Selbstentwicklung in Äthiopien. Im Rahmen integrierter ländlicher Entwicklungsprojekte verzahnt Menschen für Menschen gemeinsam mit der Bevölkerung Maßnahmen aus den Bereichen Landwirtschaft, Wasser, Bildung, Gesundheit und Einkommen. Den Grundstein für Menschen für Menschen legte am 16. Mai 1981 der damalige Schauspieler Karlheinz Böhm (gest. 2014) mit seiner legendären Wette in der Sendung “Wetten, dass..?”. Die Stiftung trägt seit 1993 durchgängig das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Menschen für Menschen setzt die Maßnahmen derzeit in zwölf Projektgebieten mit über 700 festangestellten und fast ausschließlich äthiopischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um.
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