LVR: 80-jähriger Gehörloser beantragt seit 2001 Hilfe – und wird wiederholt abgewiesen
Leverkusen (d-pr): Gehörlose haben ein Recht auf finanzielle Unterstützung. Normalerweise zahlt der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hierfür das sogenannte Gehörlosengeld – an Betroffene mit angeborener, bis zum 18. Lebensjahr erworbener oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit. Doch leider nicht an alle: So wurde dem langjährigen Bayer AG-Mitarbeiter Klaus S. (80), der bereits im frühen Kindesalter erkrankte, gleich zweimal zu Unrecht das Fördergeld verwehrt: Sowohl seinen ersten Antrag im Jahr 2001, als auch einen weiteren Versuch 2017 lehnten die Behörden ab. Erst mithilfe einer Anwaltskanzlei kam S. schließlich zu seinem Recht – wenn auch zunächst nur teilweise rückwirkend.
Seit einer schwerwiegenden Krankheit im Kindesalter leidet Klaus S. aus Leverkusen-Rheindorf unter beidseitiger Gehörlosigkeit. So hat der Rentner bereits seit der Grundschule mit Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen. Sein damaliger Klassenlehrer bestätigte dem Landschaftsverband Rheinland notariell, dass verschiedene Maßnahmen getroffen wurden, um S. in seinem schulischen Alltag so gut wie möglich zu unterstützen: Er saß grundsätzlich in der ersten Bankreihe, um dem Unterricht besser folgen zu können. Auch Text-, Bild- und anderes Anschauungsmaterial half S., trotz seiner Beeinträchtigung erfolgreich zu lernen. Die Berufsschule absolvierte er später mit besonderer Anerkennung. So wurde er für seinen Fleiß, seine Zielstrebigkeit und Ausdauer ausgezeichnet. Dieses Zeugnis sowie weitere notariell beglaubigte Dokumente unterstützten die ohnehin aussagekräftige Krankenakte. Doch der Kampf des Rentners war damit nicht zu Ende: Auf dem Weg zum Gehörlosengeld wird Klaus S. fortwährend mit bürokratischen Hürden konfrontiert und stößt auf Zurückweisung. So wurde 2001 seine erste Antragstellung trotz klarer Aktenlage abgelehnt – von einem Widerspruchsverfahren sah er damals aus Resignation ab.
Utopische Forderung der Behörde
2017 entschloss sich der ehemalige Bayer AG-Mitarbeiter, einen zweiten Versuch zu unternehmen. Klaus S. reichte einen weiteren Antrag auf Gehörlosengeld ein und erhielt die Rückmeldung, dass benötigte Unterlagen fehlen würden – allen voran Audiogramme oder Höranpassberichte vor Vollendung seines 18. Lebensjahres. Diese Dokumente besitzt er jedoch nicht: Eine Ausgabe solcher Aufzeichnungen an Patienten war in den 1940er- und 1950er-Jahren schlicht unüblich und nicht vorgesehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verjährungsfristen zuständiger Krankenhäuser längst überschritten sind und demnach eine Einsicht in Behandlungsunterlagen nicht mehr möglich ist. Auch der zweite Antrag wurde schließlich abgelehnt – trotz Attesten verschiedener Hals-Nasen-Ohrenärzte und der beglaubigten Dokumente seines Lehrers und eines Klassenkameraden.
Unverständnis und offene Fragen bleiben
Nach dem erneuten Rückschlag suchte Klaus S. Rat bei der Rechtsanwaltskanzlei Marc K. Veit in Leverkusen-Küppersteg. Diese reichte einen fundierten Widerspruch ein und erzielte damit endlich einen ersten Erfolg: Der Antrag wurde im Herbst 2018 bewilligt, sodass S. nun rückwirkend ab zweiter Antragstellung im Jahr 2017 Gehörlosengeld in Höhe der monatlich festgelegten 77 Euro erhält. “Für uns bleibt es weiterhin unverständlich, dass unser Mandant seit 2001 auf sein Recht warten musste – unter anderem mit dem Argument, dass rund 70 Jahre alte Audiogramme und Höranpassberichte fehlen”, erklärt der mit dem Fall betraute Jurist Roman Shapiro von der Anwaltskanzlei Veit. “Es würde dem Landschaftsverband gut zu Gesicht stehen, bei den jetzt ausstehenden Zahlungen unbürokratisch zu verfahren.”
Kampf um Gerechtigkeit
Unklar ist nämlich, wie die Parteien mit dem Zeitraum vor der zweiten Antragstellung umgehen. So wurde der erste Antrag schließlich bereits vor 18 Jahren gestellt. “Wir haben dem LVR aus diesem Grund einen Überprüfungsantrag vorgelegt – mit dem Ziel, für unseren Mandanten Gerechtigkeit zu schaffen, die ihm über viele Jahre verwehrt wurde. Dabei hoffen wir auf eine rückwirkende Leistungsfeststellung für insgesamt vier Jahre”, ergänzt Shapiro. Eine Rückmeldung des Landschaftsverbandes steht allerdings seit Monaten aus.
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