Wohnungssuche: Welche Fragen darf der Vermieter zulässigerweise stellen? Wann darf der Mieter lügen?

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Ein Interview von Maximilian Renger mit Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Gerade in den Ballungszentren herrscht zunehmend Wohnungsknappheit. Gleichzeitig herrscht bei vielen Vermietern die Sorge, einem Mietnomaden aufzusetzen. Vor diesem Hintergrund stellt sich immer öfter die Frage, welche Informationen der Vermieter vom Mieter verlangen darf. Auf welche Fragen muss der Mieter wahrheitsgemäß antworten und wann darf er lügen?

Maximilian Renger: Vermieter verlangen immer detailliertere Auskünfte von ihren Mietern und stellen Fragen bis ins Privatleben hinein. Ist das zulässig?

Fachanwalt Bredereck: Viele der Fragen, die heute in der Praxis gestellt werden, sind ganz klar unzulässig. Umgekehrt darf man natürlich nicht vergessen: Wer die Auskünfte verweigert, bekommt oft die Wohnung nicht. Bei 50 Bewerbern oder mehr findet der Vermieter immer einen, der die Informationen freiwillig herausrückt.

Maximilian Renger: Wer sich hier seine Chancen nicht verderben will, ist ja gezwungen zu lügen.

Fachanwalt Bredereck: Ja. Auf unzulässige Fragen darf man allerdings jedenfalls juristisch betrachtet auch lügen.

Maximilian Renger: Das bedeutet, wenn ich lüge kann mir hinterher nichts passieren?

Fachanwalt Bredereck: Wenn die Frage wirklich unzulässig war nicht. Unterlagen darf ich allerdings auch in diesem Fall nicht fälschen. Auch wenn der Vermieter ein bestimmtes Dokument nicht verlangen darf, bleibt eine Urkundenfälschung strafbar. Auf die zulässigen Fragen muss wahrheitsgemäß geantwortet werden.

Maximilian Renger: Welche Fragen sind dann zulässig? Man liest hier alle möglichen Einzelentscheidungen, die sich teilweise sogar widersprechen und es ist schwer den Überblick zu behalten.

Fachanwalt Bredereck: Man muss sich immer die Frage stellen, ob der Vermieter an einer Frage ein berechtigtes Interesse hat. Außerdem darf die Frage weder diskriminierend seien noch in das grundrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters unverhältnismäßig eingreifen.

Maximilian Renger: Fangen wir mal mit dem berechtigten Interesse an. Wann liegt dieses vor?

Fachanwalt Bredereck: Die Zahlung der Miete gehört zu den Hauptleistungspflichten des Mieters. Entsprechend sind alle Fragen rund um die Erforschung der Zahlungsfähigkeit des Mieters tendenziell zulässig. Das betrifft Fragen nach dem Einkommen, Gehaltspfändungen, Insolvenzverfahren ebenso wie Fragen nach dem Bezug von Sozialleistungen. Aber auch Fragen zum früheren Zahlungsverhalten des Mieters sind grundsätzlich zulässig.

Maximilian Renger: Wie sieht es mit der so genannten Mietschuldenfreiheitsbescheinigung aus?

Fachanwalt Bredereck: Nach der in diesem Punkt etwas unglücklichen Rechtsprechung hat ja der Mieter gegen den alten Vermieter allenfalls dann einen Anspruch auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, wenn diese in der Region üblich ist bzw. sogar gar nicht. Das ist deshalb unglücklich, weil der Mieter dann ja immer in seiner Region verbleiben müsste. Wenn er in einer Region umziehen will, wo eine solche verlangt wird, findet er keine Wohnung. Wenn man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konsequent umsetzen würde, müsste man das Verlangen nach einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung als unzulässig ansehen.

Maximilian Renger: Das hilft aber dem sich bewerbenden Mieter nicht die Wohnung zu bekommen.
Außerdem ist ja auch die gerichtliche Geltendmachung äußerst problematisch, oder?

Fachanwalt Bredereck: Natürlich. Bis man den Schein hatte, sitzt man auf der Straße. Ich empfehle deswegen proaktiv dem künftigen Vermieter teilgeschwärzte Kontoauszüge über die früheren regelmäßigen Mietzahlungen vorzulegen. Der Vermieter kann dann sehen, dass die Zahlungen in gleichmäßiger Höhe regelmäßig beim Vermieter eingegangen sind.

Maximilian Renger: Wie sieht es mit Fragen nach dem Familienstand aus?

Fachanwalt Bredereck: Auch wenn man dann mal wieder anderes hört – meiner Ansicht nach sind solche Fragen heutzutage unzulässig. Der Vermieter kann allenfalls fragen, mit wie vielen Personen man in die Wohnung einziehen möchte. Dann kann ein berechtigtes Interesse bestehen, zum Beispiel mit Blick auf die Betriebskostenabrechnung oder die Größe der Wohnung.

Maximilian Renger: Eine beliebte Frage ist auch die nach den Rauchgewohnheiten?

Fachanwalt Bredereck: Raucher werden zunehmend hetzgejagt. Trotzdem würde ich momentan noch denken, wer diese Frage bewusst falsch beantwortet und trotzdem später ab und zu mal eine schmökert, muss keine Kündigung befürchten. Im Zweifel hat einen die Sucht dann erst nach dem Start des Mietverhältnisses befallen.

Maximilian Renger: Wie verhält es sich mit Fragen nach dem Haustier?

Fachanwalt Bredereck: Soweit die Haltung des jeweiligen Haustiers durch den Mietvertrag nicht wirksam verboten werden kann, muss ich auch nicht wahrheitsgemäß antworten. Ich muss also meine Leidenschaft für Aquarienfische, Hamster oder Schildkröten nicht offenbaren. Anders sieht es aus, wenn ich gefährliche Giftschlangen oder etwa ein Hängebauchschwein halten will. Bei Hunden ist die Rechtslage inzwischen derart verworren, dass man nur empfehlen kann, hier mit offenen Karten zu spielen.

Maximilian Renger: Welche Folgen muss man befürchten, wenn man Fragen falsch beantwortet?

Fachanwalt Bredereck: Wenn die Frage unzulässig war, zumindest keine juristischen. Wenn die Frage zulässig war und falsch beantwortet wurde, kann der Vermieter den Mietvertrag unter Umständen anfechten oder, wenn man schon in die Wohnung eingezogen ist, fristlos kündigen. Die Anforderungen an eine fristlose Kündigung sind allerdings hoch. In beiden Fällen muss der Vermieter darlegen können, dass er bei wahrheitsgemäßer Beantwortung den Vertrag geschlossen hätte.

Maximilian Renger: Dem Vermieter, der unzulässige Fragen stellt, drohen keine unangenehmen Folgen?

Fachanwalt Bredereck: In der Regel passiert nichts. Theoretisch könnte allerdings der Mieter bei diskriminierenden Fragen Ansprüche auf Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend machen. Das passiert, soweit ich die Praxis überblicke, allerdings momentan kaum. Was ich allerdings sehe ist, dass Vermieter teilweise so absurde Fragen stellen, dass ihnen wirklich gute Mieter durch die Lappen gehen und nur Betrüger ihren Anforderungen gerecht werden.

Maximilian Renger: Wieso?

Fachanwalt Bredereck: So rief mich zum Beispiel neulich ein Mann an, der erklärte keine Wohnung zu bekommen, weil er keine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung vorlegen könne. Ich machte ihm den Vorschlag, seine alten Kontoauszüge mit dem früheren Zahlungen der Miete vorzulegen (siehe oben). Das konnte er auch nicht, weil er bisher in seiner Eigentumswohnung gewohnt hatte. Das Beispiel zeigt gut, wie man einen interessanten Mieter verlieren kann, weil man als Vermieter auf formalistischem Vorgehen beharrt.

Maximilian Renger: Danke für das Gespräch.

22.9.2014

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