Ein Interview mit dem Corona-Virus

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Eine Fabel von Peter Kinnigkeit – PEKI

Es war ein wunderschöner Sommertag. Die Sonne schien vom Himmel, der in klarem kräftigem Blau erstrahlte. Ein Tag ideal für den Biergarten. Und so zog ich mein schönstes Biergartenhemd an und machte mich auf den Weg. Es war noch vor dem Mittagessen, und so fand ich einen Platz an einem leeren Tisch. Die Kellnerin im prächtigen Dirndl mit noch prächtigerem Ausschnitt brachte mir eine Maß. Goldbraun, mit weißer Schaumkrone, lachte die mich an.

Ich nahm einen tiefen Schluck und erfreute mich an den Blüten der Kastanienbäume, um die die fleißigen Bienen im Wettstreit herumbrummten, um für mein Frühstücksbrot neuen Honig zu sammeln.

Aber zwischen dem Brummen, dem Gemurmel an den anderen Tischen und dem Geklapper des Geschirrs vernahm ich ein Geräusch, das nicht hier her gehörte. „Hihihi, sind die Menschen doof…“ glaubte ich zu hören. „Ja, ganz schön dämlich sehen sie aus mit diesen Lappen im Gesicht“.

Neugierig, woher diese ganz hellen Stimmen kamen, blickte ich in die Runde, konnte aber nichts erkennen. Doch halt, da auf dem Tisch, links neben meinem Maßkrug, da wuselte irgendetwas herum. Etwas ganz Winziges. Ich traute meinen Augen nicht. „Und die Doofen glauben tatsächlich, dass diese Lappen gegen uns helfen“ glaubte ich eine Stimme zu hören.

Glücklicherweise hatte ich meine Lupe in der Tasche. Die habe ich immer dabei, falls ich auf dem Flohmarkt einmal einen güldenen Ring oder ähnliches entdecken sollte. Ich holte die Lupe aus der Tasche und suchte den Tisch ab. Da! Neben dem Maßkrug. Da wuselten drei Dinger herum, rund waren sie und kaum zu erkennen.

Misstrauisch betrachtete ich meinen Maßkrug. Hatte ich vielleicht schon einen sitzen? Nach nur einer halben Maß? Das wäre mir ja noch nie passiert.

Vorsichtig sah ich mich um, ob mich jemand beobachtete, und fragte dann ganz leise: „Wer spricht denn da?“
„Ja wir“ kicherten die Knirpse.
„Und wer seid Ihr?“
„Ich bin die Corona, geborene Virus“ sagte die hellste Stimme.
„Ich bin der Hansi Covid“.
„Und ich bin der Fritzi 19. Wieso kannst Du uns sehen? Die anderen können uns doch auch nicht sehen.“
„Das weiß ich nicht“, erwiderte ich, „aber ihr stört mir hier die Ruhe bei meiner Maß Bier. Was macht ihr überhaupt hier?“

„Wir sind hier, um die Erde zu retten“, sagte Hansi. „Wir sind die neue Umweltschutz-Polizei der Natur“.

„Ihr Knirpse wollt also die Welt retten. Aha. Und warum?“ fragte ich misstrauisch.

„Das ist doch ganz einfach. So eine dumme Frage kann wirklich nur ein Mensch stellen“, erklärte Corona. „Guck mal, seit Millionen von Jahren sorgt die Natur für das Gleichgewicht. Und wenn dieses Gleichgewicht einmal durch ein Individuum ernsthaft gestört wurde, fand die Natur Mittel und Wege, dieses Individuum auszurotten und das Gleichgewicht wieder herzustellen. Nur mit dem Menschen gelingt es noch nicht. Aber bald, denn jetzt sind wir ja hier.“

„Ja“, mischte sich der Hansi ein. „Der Mensch bringt hier alles durcheinander. In seiner Gier nach Geld gräbt er alles aus der Erde, vernichtet die Wälder, vernichtet die Natur und bringt das Wetter durcheinander“.

„Erst wenn alle Fische mit Plastik im Magen gestorben sind, werden die Menschen bemerken, dass man Plastik nicht essen kann“, mischte sich Fritzi ein. „Und wenn sie alle Wälder abgeholzt haben, wird der Sauerstoff knapp. Dann erst werden sie bemerken, dass sie keine Luft mehr bekommen. Wie das sein kann, zeigen wir ihnen jetzt schon“.

„Es sind halt viel zu viele Menschen auf der Welt“, hörte ich die helle Stimme von Corona. „10 Milliarden kann die Erde nicht lange verkraften, dann ist alles zerstört. Früher lebten die Menschen nur um die 50 Jahre und eine Generation löste die nächste ab. Aber jetzt werden sie fast doppelt so alt und deshalb werden sie immer mehr und mehr auf der Welt, bis kein Platz mehr da ist und bis alle Tiere und Pflanzen ausgestorben sind“.

„Ja, wenn alle Länder eine Ein-Kind-Politik machen würden, dann wäre die Erde vielleicht noch zu retten. Aber dann haben die Politiker auch weniger Geld in ihren raffgierigen Taschen. Und deshalb klappt dieser Plan auch nicht“, mischte sich Fritzi ein.

„Und deshalb sind wir gekommen, um die Anzahl der Menschheit wieder zu reduzieren“, erklärte Corona. Das haben vor 40 Jahren schon Kollegen von uns versucht. HIV hießen die – und die setzten direkt bei der Vermehrung des Individuums Mensch an. Aber die Menschen bastelten sich dann so kleine Gummitüten und dann klappte der Plan eigentlich nicht richtig. Aber jetzt sind wir ja da. Wir haben schon jetzt dafür gesorgt, dass alle Menschen voller Panik und Hysterie viele dumme Sachen machen.“

„Aha“, murmelte ich etwas konsterniert und nahm noch einen kräftigen Schluck aus dem Maßkrug. Und ihr glaubt, euer Plan klappt diesmal besser?“.

„Aber vieeel besser“, jubelte Hansi“. Guck sie doch an, wie sie alle mit dem Lappen im Gesicht herum laufen.
„Dabei bringt der gar nichts“, warf Fritzi ein. „Die Menschen haben noch nicht begriffen, dass wir am gefährlichsten sind, wenn wir in der Luft schweben. Dann springe ich zu den Augen rein, oder schlüpfe bei der Nase rein, da wo die Luft reingezogen wird“.

„Und was sollte der Mensch dann machen gegen euch?“ fragte ich.

„Sagen wir nicht, sagen wir nicht, sagen wir nicht“ trällerten alle drei schadenfroh vor sich hin.

Nach einem weiteren großen Schluck aus meinem Maßkrug kam ich doch langsam in´s Grübeln. Könnte es mir gelingen, die Bande auszutricksen? Langsam wuchs in meinem Kopf eine Idee hervor.

„Sagt mal, ihr drei. Ihr kommt mir ja sehr mutig vor. Vor was habt ihr eigentlich Angst?“ frug ich sie vorsichtig.

„Wir haben keine Angst“, antwortete Corona sofort. „Nur am Anfang im März, da hatten wir Angst, die Politiker würden uns mit Massentests ausfindig machen und dann isolieren. Aber so schlau waren sie ja nicht. Voller Panik und Hysterie sperrten sie gleich das ganze Land zu, brachten Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit, ruinierten die gesamte Wirtschaft. Millionen kleine Firmen wurden in die Insolvenz getrieben. Und bis heute wissen sie immer noch nicht, wo wir uns wirklich verstecken.“

„Es gibt jetzt viel weniger Flugzeuge am Himmel, weniger Autos auf der Straße – wir haben schon viel erreicht“, behauptete Hansi ganz stolz. „Die Luft wird langsam wieder besser. Aber das ist erst der Anfang. Wir machen weiter. Besonders im nächsten Winter, wenn die Menschen wieder alle in geschlossenen Räumen sind. Dann schlagen wir richtig zu. Denen werden wir den Spaß verderben. Keine Veranstaltungen mehr, keine Theater, keine Musik, kein Tanz – die werden noch richtig versauern. Denn in der Luft in diesen geschlossenen Räumen können wir dann richtig schön herumschweben und viele Menschen neu anstecken.“

„Und ihr glaubt tatsächlich, die Menschen können nichts dagegen tun?“ fragte ich, nachdem ich noch einen tiefen Schluck aus dem Maßkrug genommen hatte.

„Neee“, meinte Hansi, der frechste von den Dreien. Denn Politiker sind immer doof und können nicht vorausdenken. Ääätsch. Die können immer nur hinterher reagieren, wenn es zu spät ist.“

„Hey“, protestierte ich. „Was erlaubt ihr euch. Ihr könnt doch nicht unsere Politiker als doof bezeichnen.“

Lachend mischte sich Fritzi ein: „Hihihhi, klar können wir das. Sollen sie uns doch erst einmal finden. Und dann vor Gericht stellen und dann in´s Gefängnis stecken, wegen Beleidigung. Da lachen sich ja die Hühner kaputt“.

Zweifelnd schüttelte ich den Kopf. „Und da gibt es wirklich kein Mittel gegen euch? Ihr könnt also nicht erwischt werden?“, fragte ich nochmals.

„Naja,“ meinte Corona, „eine Methode würde uns schon Schwierigkeiten bereiten. Wenn alle Säle, Theater, Restaurants und Kinos neue Klimaanlagen bekämen. Da könnten sie uns nach unten absaugen und im Filter auffangen – und von oben käme frische Luft. Das würde uns schon ganz schöne Probleme bei der Vermehrung bereiten.“

„Hahahahaha“, lachte Hansi. „Aber da kommen die nie drauf. Denn Politiker können nur rückwärts denken. Vorausschauend handeln können sie nicht. Anstatt Geld für die Förderung solcher Anlagen bereit zu stellen, sperren sie dann im Winter wieder das ganze Land zu und ruinieren die Geschäfte der Menschen komplett. Die kommen niemals auf die geniale Idee, uns in Häusern ganz einfach wegzusaugen.“

Nachdenklich geworden trank ich den Rest aus meiner Maß. „Zahlen bitte“, rief ich der Kellnerin zu. Misstrauisch betrachtete ich das leere Glas. Sowas ist mir ja noch nie passiert. Hat mir da einer vielleicht noch einen Schnaps dazu geschüttet? Oder habe ich das alles nur geträumt?

„Also dann, servus beinand“, sagte ich. Und knallte den Maßkrug genau auf die Stelle, auf der ich dieses Gewusel mit den Stimmen gehört hatte…

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