Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, im Interview mit Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einem neuen Urteil mit der Frage auseinandergesetzt, ob bzw. inwieweit Umkleidezeiten als Arbeitszeit einzuordnen sind. Das Urteil fügt sich ein in eine ganze Reihe von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Arbeitszeit. Bringt es denn eine Klärung der Sache?
Fachanwalt Bredereck: In einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts geht es um das Thema Umkleidezeiten. Weshalb ist die Entscheidung zu einem solchen Gesprächsthema geworden?
Fachanwalt Dineiger: Es ging dabei maßgeblich um die Frage, inwieweit Umkleidezeiten als Arbeitszeit einzuordnen sind. Darüber hinaus galt es zu klären, wie es um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in dieser Hinsicht bestellt ist.
Fachanwalt Bredereck: Dass das Thema Arbeitszeit durchaus kompliziert ist, haben wir schon in verschiedenen Beiträgen festgestellt. Warum ist eine Einordnung in dieser Frage nochmal so schwierig?
Fachanwalt Dineiger: Das Hauptproblem sind die unterschiedlichen Definitionen, die es von der Arbeitszeit gibt. Darüber hinaus unterscheidet sich die Rechtsprechung bzw. das Rechtsverständnis des BAG von der bzw. dem des EuGH unterscheidet.
Fachanwalt Bredereck: Welche Unterschiede gibt es denn da, Arbeitszeit muss doch Arbeitszeit sein, oder?
Fachanwalt Dineiger: Das deutsche Recht sagt: Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit. Das europäische Recht dagegen definiert Arbeit als die Zeit, in der der Arbeitnehmer seine Aufgaben verrichtet und seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Das ist schon ein Unterschied. Das europäische Recht fragt also nach der Beanspruchung.
Fachanwalt Bredereck: Bei den Rüst- oder Umkleidezeiten ist ja das Problem, dass die Arbeitnehmer eine bestimmte Kleidung tragen müssen, um ihre Arbeit ausführen zu können; als Beispiele gibt es da Schutzkleidung oder Uniformen. Was galt da bisher und was gibt es jetzt Neues?
Fachanwalt Dineiger: Bei der Einordnung, ob Umkleidezeiten Arbeitszeit sind oder nicht, fragt das BAG nach der sog. Fremdnützigkeit. Das Umkleiden muss also ein fremdes Bedürfnis erfüllen und nicht das eigene des Arbeitnehmers. Bisher war es – außer bei zwingender Schutzkleidung – so, dass das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung nicht Arbeitszeit war, wenn die Dienstkleidung relativ unauffällig war und schon zu Hause angelegt und dann damit auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen wurde. Nun stellt das BAG klar, dass bei einer besonders auffälligen Arbeitskleidung, in der ein Arbeitnehmer sofort als Angehöriger eines Betriebes identifiziert werden kann, nur noch fremdnützig ist, also Arbeitszeit ist.
Fachanwalt Bredereck: Das ist doch gut geklärt oder nicht? Warum finden wir die Entscheidung dann doch problematisch?
Fachanwalt Dineiger: Das BAG unterscheidet aber noch weiter. Trägt der Arbeitnehmer die besonders auffällige Dienstkleidung freiwillig schon auf dem Weg von zu Hause in die Arbeit, ist es keine Arbeitszeit, weil kein eigener Einsatz von Kleidung erfolgt. Benutzt er hingegen eine betriebliche Umkleidestelle zum Anlegen der Dienstkleidung, dann ist der Weg von der Umkleidestelle zur Arbeitsstelle Arbeitszeit. Das klingt jetzt eigentlich unproblematisch: die Gefahr besteht aber darin, dass es dann, wenn Umkleidestelle und Arbeitsstelle – wie im Fall – nicht ortsidentisch sind, es nicht mehr einheitliche Handhabungen von Arbeitszeit gibt. Das halte ich für schwierig.
Fachanwalt Bredereck: Wie kam die Sache denn jetzt zur Entscheidung in einem Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat?
Fachanwalt Dineiger: Durch die Frage, was als Arbeitszeit zu bewerten ist, ist die Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG betroffen. Ziel des Betriebsrates war im vorliegenden Fall, eine einheitliche Handhabung durchzusetzen. Das ist ihm nicht so ganz gelungen.
16.02.2016
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.
Die Fachanwälte für Arbeitsrecht Volker Dineiger und Alexander Bredereck sind die Autoren des Ratgebers “Arbeitsrecht” der Stiftung Warentest.
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