Schadensersatz bei tierärztlichen Kunstfehlern
Hamburg, 19. Oktober 2016 – Der Pferdehalter unterstellt schnell Kunstfehler, wenn der Heilungserfolg nicht eingetreten ist, und fordert Schadensersatz. Häufig ist dem Arzt gar keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Unter welchen Voraussetzungen der Tierhalter dennoch den Gang zum Gericht wagen kann, beschreibt Rechtsanwalt Lars Jessen aus Hamburg.
Um einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen, muss ein Behandlungsvertrag vorliegen und ein Schaden gegeben sein. Dies ist meist sehr einfach nachzuweisen: Das Pferd ist entweder tot oder krank und nicht nutzbar.
Tierärztliche Pflichtverletzung – ja oder nein?
Schwieriger ist die Frage, ob der Tierarzt eine Pflicht verletzt hat. Die tierärztlichen Vertragspflichten erstrecken sich auf alles, was zur Erfüllung des Vertrages erforderlich ist: Aufnahme der Krankengeschichte, Untersuchung, Diagnose, Prognose, Aufklärung, Medikamentenabgabe, Erstellung Krankenunterlagen, Beratung, Nachsorge etc. Zur Klärung der Frage, ob der Arzt eine dieser Pflichten verletzt hat, ist man meist auf die Aussage eines Sachverständigen angewiesen, der feststellt, ob die Untersuchung nach dem damaligen Sachstand ausreichend war und ob Diagnose und Behandlung dem seinerzeitigen Kenntnisstand von Wissenschaft und Praxis entsprachen.
Wurde die Pflichtverletzung tatsächlich festgestellt, so stellt sich außerdem die Frage nach der Kausalität: Hat die Pflichtverletzung den Schaden verursacht oder anders, wäre der Schaden nicht eingetreten, wenn der Tierarzt ordnungsgemäß gehandelt hätte? Wegen der Komplexität des lebenden Organismus kann diese Ursächlichkeit meist nicht nachgewiesen werden.
Wer muss was beweisen?
Daher ist hier die oft alles entscheidende Frage, wer den Kausalzusammenhang beweisen muss, d.h. wer die Beweislast hat. Wie in der Humanmedizin muss auch beim Veterinär der Tierhalter als Kläger beweisen, dass der Arzt den Schaden verursacht hat. Da der Halter dies häufig nicht kann, verliert er schon aus diesem Grunde den Prozess.
Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler
Anders liegt die Beweislast, wenn dem Tierarzt ein “grober Behandlungsfehler” unterläuft. Dann trägt der Tierarzt die Beweislast und muss beweisen, dass der Schaden auch ohne seinen groben Behandlungsfehler eingetreten wäre. Allerdings ist nur im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, wann ein grober Behandlungsfehler vorliegt. Der Bundesgerichtshof sagt hierzu: Es muss ein Fehlverhalten vorliegen, das aus objektiver ärztlicher Sicht für einen Arzt nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt “schlechterdings nicht unterlaufen darf”.
Ein Anspruch auf Schadensersatzpflicht entsteht erst dann, wenn feststeht, dass der Tierarzt schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt hat, indem er eine seiner oben genannten Pflichten verletzt hat.
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Lars Jessen ist Partner in der Sozietät Braetsch Jessen & Partner in Hamburg und beschäftigt sich seit nahezu 20 Jahren mit dem Thema Pferderecht. Seit 1994 ist er Mitglied der Expertenrunde der anerkannten Pferdesportfachzeitschrift St. Georg.
Schwerpunkte von Rechtsanwalt Jessen sind neben dem Pferde- und Tiermedizinrecht auch Familien- und Erbrecht. Sechs weitere Anwälte der Sozietät decken die Themengebiete Arbeits- und Medizinrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Verkehrsrecht ab.
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