Die Faszination von Flohmärkten und Antiquitäten ist ungebrochen. Ein Gespräch mit einem Kultursoziologen über dieses Phänomen.
Sie werden immer beliebter, die Flohmärkte. Im Sommer sind die großen Straßenflohmärkte und im Winter die Flohmärkte in den Hallen. Häufig wird in den Medien von einem Jahrhundertfund auf einem Flohmarkt berichtet. Aber es gehen auch ganz normale Leute hin um ein wenig zu bummeln, ein wenig zu stöbern und nur die wenigsten gehen ohne irgendeinen Kauf nach Hause. Was macht nun eigentlich die Magie dieses Marktes aus, denn etwas anderes ist ja ein Flohmarkt, wenn man ihn nüchtern betrachtet, nicht. Wir sprachen mit dem Freiburger Soziologen Sacha Szabo (http://www.sacha-szabo.de/) , der für das Institut für Theoriekultur (http://institut-theoriekultur.de/) Alltagsphänomene untersucht.
Warum gehen Menschen so gerne auf den Flohmarkt.
Sacha Szabo: Das was die Leute auf den Flohmarkt treibt ist natürlich die Schatzsuche. Der Traum eines der Bilder könnte ein verschollenes Meisterwerk sein und man wird mit einem Schlag zum Millionär. Das ist sicherlich der Mythos von dem der Flohmarkt lebt.
Aber Menschen gehen doch noch aus anderen Gründen hin.
Sacha Szabo: Natürlich spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass man günstig ein Schnäppchen machen kann, sei es einen Gegenstand zu finden der nicht mehr gebraucht wird oder falsch gekauft wurde. Diese Motivationen sind aber eher, man möchte sagen, die romantischen Laienkäufer. Der Flohmarkt selbst bildet aber auch ein Paralleluniversum.
Wie meinen Sie das?
Sacha Szabo: Viele der Dinge, die auf einem Flohmarkt angeboten werden, sollen sich an Sammler richten. Es wird gemutmaßt, dass es für diesen Gegenstand einen Sammler geben muss. Und aufgrund dieses Sammlers bemisst sich nun der Wert des Gegenstandes. Dieser ist nun wiederum deutlich höher als der Gegenstand objektiv Wert ist. Anschließend wird mit anderen Flohmarktgängern über diesen Gegenstand gefachsimpelt. Jeder trägt eine weitere Anekdote bei, die möglichst glaubwürdig wirken soll und mit etwas Glück wechselt dann der Gegenstand an den nächsten Verkäufer, der nun seinerseits glaubt so etwas wie den heiligen Gral erworben zu haben.
Die Dinge werden also nur noch gehandelt und gar nicht mehr verkauft?
Sacha Szabo: Selbst wenn solch ein Transferobjekt mal in die Hände eines privaten Sammlers gerät ist das nicht das Ende, denn der Sammler tauscht ja auch wieder und an seinem Lebensende, sofern die Sammlung nicht die Qualität für ein Museum hat, landet alles wieder auf dem Flohmarkt.
Es werden aber auch wertvolle Dinge gehandelt.
Sacha Szabo: Das stimmt, wobei das eher auf Antikmessen stattfindet. Aber auch das Prädikat der Antiquität bedeutet nicht, dass der Gegenstand kein Müll ist. Nur ist er eben der Müll aus ehemaligen Fürstenhäusern. An diesen Gegenständen lässt sich nun ermessen wie unvorstellbar reich solch ein Adliger war. Nehmen wir eine Russische Teekanne aus Silber, die ist heute vielleicht mit den entsprechenden Punzierungen 1000 Euro wert. Dafür bekommen Sie schon ein ganzes Tischgedeck einer Porzellanmanufaktur. Die Teekanne wurde von dem fürstlichen Haushalt ausgemustert, weil sie nicht mehr in Mode war und nicht mehr dem Geschmack entsprach. Also gab man sie einem Händler mit. Dieses Einzelobjekt, dem jeglicher Kontext fehlt, ist also eigentlich ohne großen Nutzen, außer Mode und wird dennoch mit einer Aura belegt. Dies zeigt noch heute den Glanz und den Reichtum des Adels.
Solche Gegenstände haben auch eine Geschichte.
Sacha Szabo: Ja das stimmt und es ist oft die Geschichte, die diese Gegenstände so wertvoll erscheinen lässt. Aber glauben Sie etwa ein russischer Fürst hätte eine gebrauchte Teekanne gekauft? Eher nicht! Die Geschichte der Dinge hebt sie aber aus den aktuellen Konfektionswaren heraus. Für den Flohmarktbesucher sind sie individuell und keine Massenware. Das macht für viele Menschen solche Second Hand Artikel auch so charmant.
Antiquitäten sind für sie also Second Hand Artikel?
Sacha Szabo: Eigentlich ja, wobei viele Antiquitäten ja eher schon auf der Müllhalde lagen, im Unterschied zu Second Hand Kleidung. Denn vieles was zuerst auf dem Sperrmüll landet, findet sich dann auf dem Flohmarkt wieder und selbst solche obskure Objekte wie eine Plastikpuppe ohne Kopf hat dann eine gute Chance verkauft zu werden. In analoger Weise kann man sich das für alte Gegenstände vorstellen. Es sind Dinge, die einfach ausgedient haben und nun aufgewertet werden.
Warum kaufen sich Menschen denn antike Stücke?
Sacha Szabo: Antiquitäten repräsentieren immer auch Geschichte. Sie sind damit ein Identifikationsangebot und gerade für die nicht-adligen Schichten, das Bürgertum, das Kleinbürgertum, also das was man heute als Mittelschicht ansieht, hat ein Bedürfnis nach Geschichte, gerade weil es selbst nur eine so kurze hat. Es gibt in der Volkskunde die These des absinkenden Kulturguts, also das die jeweils untere Schicht die Lebensweisen der ihr übergeordneten übernimmt. Das scheint also nicht nur für Lebensstile, sondern auch für Einrichtungsgegenstände zu gelten. Antiquitäten sind, zugespitzt gesagt, Abfall mit Geschichte.
Gehen Sie selbst über den Flohmarkt?
Sacha Szabo: Ja für mich ist die Buntheit der Objekte immer eine Inspirationsquelle. Einen Rembrandt habe ich allerdings noch nicht gefunden und selbst wenn einer dort stehen würde, ich würde ihn nicht erkennen.
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