Pflicht eines Gesellschafters zur Zustimmung zu Beschlussanträgen
Urteil vom 12. April 2016 – II ZR 275/14
Der Bundesgerichtshof hat heute die Klage einer Gesellschafterin der Media-Saturn-Holding abgewiesen und dabei über die Grenzen der Pflicht eines Gesellschafters zur Zustimmung zu Beschlussanträgen entschieden.
Bei der beklagten GmbH handelt es sich um die Konzernholdinggesellschaft der Media-Saturn-Gruppe. Die Media-Saturn-Märkte werden als Enkelgesellschaften der Beklagten betrieben. Dabei wird regelmäßig für jeden Markt eine eigene Gesellschaft gegründet, die dann die erforderlichen Mietverträge abschließt.
Die Klägerin ist an der Beklagten mit 21,62 %, die Streithelferin der Beklagten, ein Konzernunternehmen der Metro AG, mit dem Rest beteiligt. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten erfordern eine Mehrheit von 80% der Stimmen.
Nach dem Ausscheiden des letzten Gründungsgesellschafters aus der Geschäftsführung im Jahr 2010 beschloss die Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der Streithelferin die Einrichtung eines in der Satzung vorgesehenen Beirats. Die dagegen gerichtete Beschlussmängelklage der Klägerin hatte keinen Erfolg (OLG München, ZIP 2012, 1756).
Im Laufe des Jahres 2012 arbeitete die Geschäftsführung der Beklagten Vorschläge für die Eröffnung neuer Standorte im In- und Ausland und für den Neuabschluss von Mietverträgen bei Enkelgesellschaften aus. Am 5. Dezember 2012 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten in 38 von 50 Fällen die vorgeschlagenen Standortmaßnahmen einvernehmlich. In neun Fällen stimmte die Streithelferin gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen, in drei Fällen enthielt sie sich der Stimme. Die Streithelferin hatte dazu vor der Abstimmung erklärt, dass sie in diesen Fällen nicht aus inhaltlichen, sondern nur aus formalen Gründen eine ablehnende Stimme abgebe oder sich enthalte, weil diese Maßnahmen jeweils nicht von der Gesellschafterversammlung zu beschließen seien.
Mit ihrer Anfechtungs- und Feststellungsklage hat die Klägerin in den neun Fällen, in denen die Streithelferin gegen die jeweiligen Standortmaßnahmen gestimmt hat, die Nichtigerklärung der mit der Stimmenmehrheit der Streithelferin beschlossenen Ablehnung und im Weg der positiven Feststellungsklage die Feststellung begehrt, dass in diesen Fällen sowie in den Fällen, in denen sich die Streithelferin der Stimme enthalten habe, jeweils positiv festgestellt werde, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschlossen habe, dass die jeweiligen Standortmaßnahmen umzusetzen seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Anfechtungsklage und der positiven Beschlussfeststellungsklage insoweit stattgegeben, als die Nebenintervenientin mit Nein gestimmt hat (neun Standortmaßnahmen).
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das klagabweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Streithelferin durfte gegen die Standortmaßnahmen stimmen. Ein Gesellschafter ist grundsätzlich in seinem Abstimmungsverhalten frei. Die gesellschafterliche Treuepflicht verpflichtet einen Gesellschafter erst dann zu einer bestimmten Stimmabgabe, hier der Zustimmung zu den Standortmaßnahmen, wenn dies zur Erhaltung der geschaffenen Werte objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist. Unabweisbar erforderlich waren die Standortmaßnahmen nicht.
Vorinstanzen:
LG Ingolstadt – Urteil vom 15. Oktober 2013 – 1 HKO 188/13
OLG München – Urteil vom 14. August 2014 – 23 U 4744/13
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