Aktuelle Gerichtsurteile auf einen Blick
+++ Apotheker darf Medikamente bei Amazon verkaufen +++
Der Verkauf von rezeptfreien, apothekenpflichtigen Medikamenten über die Handelsplattform „amazon.de“ stellt laut ARAG für einen Apotheker keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 UWG dar (LG Magdeburg, Az.: 36 O 48/18).
+++ Keine Entschädigung wegen Systemausfall am Flughafen +++
Kommt es aufgrund eines mehrstündigen Ausfalls aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern des Flughafen-Terminals zu Verspätungen und infolgedessen zu verpassten Anschlussflügen, muss das Luftfahrtunternehmen keine Ausgleichszahlungen leisten. In diesem Fall liegt laut ARAG ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung vor (BGH, Az.: X ZR 15/18; X ZR 85/18).
+++ Hartz IV trotz Auflösung des Arbeitsverhältnisses +++
Wer sich um die Pflege eines Angehörigen kümmert, kann auch dann einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben, wenn er trotz der Pflegetätigkeit eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, sodann aber auf einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber hinwirkt, weil sich im Nachhinein herausstellt, dass sich die Arbeit doch nicht mit der Pflegetätigkeit vereinbaren lässt. Dies hat laut ARAG das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Fall einer 38-jährigen Frau entschieden, die trotz der Pflege ihrer Mutter zunächst eine Arbeit im Schichtdienst mit variablen Einsatzzeiten aufgenommen hatte (Az.: L 13 AS 162/17).
Langfassungen:
Apotheker darf Medikamente bei Amazon verkaufen
Der Verkauf von rezeptfreien, apothekenpflichtigen Medikamenten über die Handelsplattform „amazon.de“ stellt für einen Apotheker keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 UWG dar. Im konkreten Fall bietet ein Apotheker aus dem Harz als Marktplatz-Verkäufer ebensolche Medikamente über die besagte Handelsplattform an, wobei er unter dem Namen seiner Apotheke auftritt. Verkauf und Versand der Medikamente erfolgen nicht über Amazon, sondern über die Apotheke. Ein Apotheker aus München als Mitbewerber verklagte ihn darauf es zu unterlassen, die Medikamente über Amazon anzubieten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das LG Magdeburg hat in diesem Vertriebsweg keinen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften gesehen. Es bezieht sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2012, wonach grundsätzlich der Internetversandhandel mit rezeptfreien Medikamenten erlaubt sei. Wenn aber grundsätzlich „Internetapotheken“ erlaubt seien, dann dürfe ein Apotheker als Vertriebsweg auch den über eine Handelsplattform wie Amazon wählen. Die Handelsplattform vermittle auch lediglich den Zugang zum Angebot des Beklagten. An der pharmazeutischen Tätigkeit sei die Handelsplattform nicht beteiligt, da Verkauf und Versand allein durch den Beklagten erfolgen. Der Beklagte betreibe eine Apotheke und besitze die behördliche Erlaubnis zum Versand von Medikamenten. Laut LG lässt sich auch aus dem Umstand, dass es bei Amazon Kundenbewertungen – sowohl der Medikamente als auch der Apotheke selbst – gibt, kein Verstoß gegen Vorschriften zur Medikamentenwerbung herleiten. Jeder Nutzer der Seite könne aber sofort erkennen, dass es sich hierbei nicht um Werbung und Bewertungen der Apotheke selbst, sondern um Meinungen der Verbraucher handelt, erklären ARAG Experten (LG Magdeburg, Az.: 36 O 48/18).
Keine Entschädigung wegen Systemausfall am Flughafen
Kommt es aufgrund eines mehrstündigen Ausfalls aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern des Flughafen-Terminals zu Verspätungen und infolgedessen zu verpassten Anschlussflügen, muss das Luftfahrtunternehmen keine Ausgleichszahlungen leisten. Die Klägerinnen hatten im verhandelten Fall bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von New York nach London mit Anschlussflügen nach Stuttgart gebucht. Die Flüge von New York nach London starteten verspätet und landeten mehr als zwei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit. Infolgedessen erreichten die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in London nicht und kamen mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden in Stuttgart an. Die Betroffenen verlangten Entschädigung – das Berufungsgericht wies jedoch beide Klagen zurück, da die Verspätung der Flüge durch einen Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern des Terminals 7 am John-F.-Kennedy-Flughafen New York verursacht worden sei. Aufgrund eines Streiks bei dem für die Telekommunikationsleitungen gegenüber dem Flughafenbetreiber verantwortlichen Unternehmen habe der Systemausfall erst nach 13 Stunden behoben werden können. Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen die Revision der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Klägerinnen könnten keine Entschädigung verlangen, da der mehrstündige Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern der Terminals als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung anzusehen sei. Unerheblich sei, ob die Beklagte, wie die Revisionen ferner meinen, den Start des gebuchten Flugs von London nach Stuttgart verschieben, die Klägerinnen auf einen anderen Flug von London nach Stuttgart umbuchen oder einen zusätzlichen Flug nach Stuttgart hätte durchführen können. Selbst wenn darin der Beklagten zumutbare Maßnahmen gesehen würden, komme es hierauf nicht an, weil damit die für Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung allein erhebliche Verspätung des Fluges von New York nach London nicht hätte verhindert werden können, so die ARAG Experten (BGH, Az.: X ZR 15/18; X ZR 85/18).
Hartz IV trotz Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Wer sich um die Pflege eines Angehörigen kümmert, kann auch dann einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben, wenn er trotz der Pflegetätigkeit eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, sodann aber auf einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber hinwirkt, weil sich im Nachhinein herausstellt, dass sich die Arbeit doch nicht mit der Pflegetätigkeit vereinbaren lässt. Die 38-jährige Frau, die gemeinsam mit ihrer schwerbehinderten und pflegebedürftigen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt lebt, hatte im nun entschiedenen Fall eine Vollzeitstelle als Hallenaufsicht am Bremer Flughafen angenommen und wollte Stewardess werden. Zugleich kümmerte sie sich um die Pflege ihrer Mutter. Nachdem sich deren Gesundheitszustand durch einen Rippenbruch verschlechtert hatte, konnte sie Arbeit und Pflege nicht mehr vereinbaren und schloss mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewertete das Jobcenter als sozialwidriges Verhalten und nahm eine Rückforderung von zuletzt rund 7.100 Euro vor. Die Frau habe schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags gewusst, dass sie im Schichtdienst arbeiten würde. Die Mutter habe die Pflegestufe II und die Tochter müsse nicht selbst die Pflege übernehmen. Dies könne auch durch einen Pflegedienst geschehen. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei dafür nicht notwendig. Dieses Verhalten sei zumindest grob fahrlässig. Das LSG hat sich der Rechtsauffassung des Jobcenters nicht angeschlossen und ein sozialwidriges Verhalten verneint. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich sei zwar jede Arbeit zumutbar, wenn die Pflege von Angehörigen anderweitig sichergestellt werden könne. Selbst bei Pflegestufe II seien Arbeitszeiten von bis zu sechs Stunden pro Tag zumutbar. Dies sei im Fall der Klägerin jedoch nicht möglich. Sie habe im Schichtsystem auf Abruf mit variablen Zeiten gearbeitet. Die Einsatzzeiten seien erst vier Tage vor dem Einsatz mitgeteilt worden. Die dreimal täglich anfallende Pflege sei damit nicht zu vereinbaren. Das Gericht hat auch das Selbstbestimmungsrecht der Mutter berücksichtigt, die einen Pflegedienst ablehnte und nur ihre Tochter akzeptierte. Angesichts der Erwerbsobliegenheit dürfe ein Leistungsempfänger die Vereinbarkeit von Arbeit und Pflege austesten, ohne sich im Fall des Scheiterns einem Ersatzanspruch auszusetzen, ergänzen ARAG Experten (LSG Niedersachsen-Bremen, Az.: L 13 AS 162/17).
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