Die Fahrradschaltung grundlegend revolutionieren – diese Idee hatten Christoph Lermen und Michael Schmitz bei der Gründung ihrer Firma Pinion. Ihr Unternehmen ist dieser Tage für den “Deutschen Gründerpreis 2017” nominiert. Der pressedienst-fahrrad zeigt die Hintergründe des Erfolgs der Getriebeschaltung.
(pd-f/tg) Gute Ideen haben sicher viele – doch diese in die Tat umzusetzen, bedarf Überzeugung und Leidenschaft. Bei den beiden Jung-Ingenieuren Christoph Lermen und Michael Schmitz kamen alle drei Faktoren zusammen. “Grundsätzlich haben wir uns gefragt: Warum sind gerade die feinmechanischen, aber wichtigen Teile einer Schaltung an einem Fahrrad ungeschützt gegenüber Witterung und Schmutz? Das ist bei keinem anderen Fahrzeug der Fall”, erklärt Lermen, der Schmitz bei der gemeinsamen Arbeit bei Porsche kennenlernte. Ihre Idee: Eine Fahrradschaltung mit dem Herz eines Sportwagens bauen. Oder mit Lermens Worten: “Die Technik aus dem Automobil für Fahrräder – zuverlässig, langlebig, wartungsarm und eine feine Gangabstufung ohne Gangüberschneidung.” Das Ergebnis ist eine gekapselte Getriebeschaltung. Dank des geschlossenen Aufbaus kommt keine Feuchtigkeit an die Schaltteile, damit ist die Getriebeschaltung äußerst wartungs- und Service-arm. Die Idee hatten die beiden Erfinder 2006, bereits zwei Jahre später wurde das Unternehmen Pinion gegründet. 2010 stellten sie dann den ersten Prototyp vor, die ersten Räder mit Zentralgetriebe folgten ein Jahr später. Mit dem Umzug nach Denkendorf 2012 begann anschließend die Serienproduktion. “Wir bieten auf unsere Produkte fünf Jahre Garantie. Das macht kein anderer Schaltungshersteller”, unterstreicht Lermen den hohen Qualitätsanspruch. Einzig ein Ölwechsel nach jeweils ca. 10.000 Kilometern sollte durchgeführt werden. Gefertigt wird übrigens in Denkendorf bei Stuttgart. Auch die meisten Zulieferer stammen aus dieser Region.
Nominierung zum Gründerpreis
Aktuell freuen sich die Pinion-Gründer mit zwei weiteren Unternehmen über die Nominierung zum “Deutschen Gründerpreis” in der Kategorie “Aufsteiger”. Bedingung: Die Firmen dürfen nicht älter als neun Jahre sein und müssen ein außerordentliches Wachstum aufzeigen. Für Pinion begann die Erfolgsgeschichte mit der Einführung der Getriebeschaltung “P1.18”, die bis heute unverändert das Premiumprodukt der Firma ist. Das Gehäuse besteht aus Aluminum und wird aus einem Block CNC-gefräst – ein aufwendiges Verfahren, das sich auch im Preis der Produkte widerspiegelt. Die P1.18 ist an Rädern ab 3.000 Euro aufwärts verbaut. “Die P1.18 eignet sich sehr gut für Reiseradfahrer. Sie ist in acht verschiedenen Eloxalfarben erhältlich und deshalb gerade für Custom-made-Aufbauten interessant”, beschreibt Stefan Stiener, Geschäftsführer des individuellen Reiseradanbieters Velotraum den Nutzerkreis des Highend-Produkts.
Immer im richtigen Gang
Anders als die gängigen Naben- oder Kettenschaltungen sitzt das Pinion-Getriebe direkt am Tretlager und nicht an der Hinterradnabe. Baulich hat das zur Folge, dass für die Aufnahme ein speziell geformter Rahmen benötigt wird. “Die zentrale Position wirkt sich aber positiv auf das Fahrverhalten der Räder aus”, so Stiener. Beim Schalten lassen sich alle Gänge der Reihe nach oder in beliebigen Gangsprüngen durchschalten – egal, ob das Fahrrad rollt oder steht. Die Kraftübertragung findet über zwei Zahnradpaare statt. “Diese technische Besonderheit sorgt in jedem Gang für ein gleichbleibendes, verlustfreies Fahrgefühl”, meint Pinion-Gründer Lermen. Mit 636 Prozent bietet die P1.18 eine hohe Übersetzungsbandbreite, laut Hersteller die Größte am Markt. “Das Getriebe ist ein Top-Produkt und hat unsere Kunden schon einige Jahre begeistert und überzeugt”, weiß Volker Dohrmann, Leiter Strategie, Produkt und Marketing bei Stevens Bikes, aus eigener Erfahrung. Der Hamburger Fahrradhersteller verbaut bei hochwertigen Trekkingrädern das Premiumprodukt aus Denkendorf.
Kostengünstige Alternative geschaffen
Mit der “C-Linie” hat Pinion seit vergangenem Jahr eine weitere Getriebelösung im Angebot. Die neuen Produkte werden in einem schnellen, kostengünstigen und ebenfalls aus der Automobilindustrie bekannten Magnesium-Druckgussverfahren produziert. Räder mit C-Linie können deshalb ab 2.000 Euro angeboten werden und sind gerade für Einsteiger interessant. Mittlerweile umfasst das Pinion-Angebot sieben unterschiedliche Zentralgetriebetypen von sechs bis 18 Gängen, abgestimmt auf diverse Einsatzmöglichkeiten. “Mountainbiker, Vielfahrer und Pendler beginnen die Vorzüge zu schätzen. Mit unseren beiden Produktlinien decken wir viele Spektren ab und sind für die Zukunft gerüstet”, ist Lermen überzeugt.
Das wartungsarme Rad
Der Erfolg des jungen deutschen Unternehmens ist jedoch auch eng mit dem Trend der Fahrradbranche zum Service-armen Alltagsfahrrad verbunden. So gewann der Riemenantrieb in den vergangenen Jahren an Popularität. Er steht für eine wartungsarme, langlebige Alternative zur Fahrradkette und sinnbildlich für das Service-arme Radfahren. Das Angebot an Riemenfahrrädern hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Der Riemen ist mittlerweile massenmarkttauglich. “In Verbindung mit einer Getriebeschaltung bekomme ich ein fast wartungsfreies Rad”, meint Frank Schneider vom Riemenspezialisten Gates. Wie sich der technische Fortschritt von P-Linie und Carbonriemen im harten Reisealltag bewährt, testet gerade der Dauerradfahrer Kamran Ali. Der Nürnberger mit pakistanischen Wurzeln ist auf seiner Reise von Feuerland nach Alaska auf der Panamericana nach gut 13.000 Kilometern mittlerweile in Mittelamerika angelangt. Sein Begleiter: Ein “P 18 Lite” von Stevens (3.799 Euro) mit Gates-Riemen und Pinion-Getriebe.
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