„Erben mit einer Behinderung sollten prinzipiell und einheitlich mehr behalten dürfen!“
Wer in Deutschland als Kind erbt, hat zunächst einen Freibetrag von 400.000 EUR, auf den keine Erbschaftssteuer bezahlt werden muss. Diese Grenze gilt sowohl für behinderte wie nicht-behinderte Kinder. Wenngleich für gehandicapte Töchter und Söhne eines Erben grundsätzlich Nachteilsausgleiche in Form höherer Freibeiträge möglich wären, fehlt es an einheitlichen und konkreten Regelungen zu diesem Umstand. Dieser Ansicht ist der Leiter der bundesweiten Anlaufstelle „Beratung mit Handicap“, Dennis Riehle (Konstanz), der in einer aktuellen Aussendung Nachbesserungen an der momentanen Situation fordert: „Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass Menschen mit Behinderung durch ihre chronische Erkrankung deutliche Mehrbelastungen im Alltag haben. Deshalb wäre es nur gerecht und angemessen, wenn sie prinzipiell einen höheren Freibetrag bei der Erbschaftssteuer hätten. Doch an einer pauschalen Regelung fehlt es bislang vor allem mit Verweis darauf, dass man im EU-weiten Vergleich in Deutschland ohnehin hohe Freibeträge bei der Erbschaftssteuer gewähre. Allerdings ist es eine Frage der Gerechtigkeit, Erben gleich zu behandeln, wenn sie doch mit ganz verschiedenen Lebensumständen konfrontiert sind. Insbesondere, wenn ein durch Angehörige hinterlassenes Erbe vornehmlich oder ausschließlich aus Wohneigentum oder Grundstücken besteht und keine Barvermögen hinterlassen werden, stellt sich für den Erben eine besonders knifflige Situation ein: In diesem Fall müsste er – wenn er Haus oder Wohnung nicht selbst nutzen will – dieses wohl komplett verkaufen, um aus dem Erlös die anfallende Erbschaftssteuer entrichten zu können. Gerade für Menschen mit Behinderung stellt dies eine besondere Härte dar, weil sie oftmals Wohneigentum zur Vermietung nutzen möchten, um ihren durch zahlreiche Mehraufwände geprägten Lebensunterhalt stemmen zu können“, so der 38-jährige Psychologische und Sozialberater vom Bodensee.
Mögliche Lösungen für dieses Problem seien in einem für behinderte Erben grundsätzlich höheren Freibetrag, beispielsweise auf 500.000 oder 600.000 EUR angehoben, oder im einem größeren Schonvermögen für liquide Mittel des Erbes zu finden, sagt Riehle: „Damit der gehandicapte Erbe nicht zur Veräußerung von geerbten Immobilien verpflichtet ist, welche durch Vermietung häufig nicht nur die derzeitigen Aufwendungen für krankheitsbedingte Mehrbedarfe deckten, sondern nicht selten zur Alterssicherung dienten, sollte darauf geachtet werden, dass die Höhe der zu erbringenden Erbschaftssteuer für diese besondere Fallkonstellation möglichst niedrig gehalten wird, sodass auch eine Kreditaufnahme möglich ist, dessen Abzahlung für den behinderten Erben zuzumuten ist“. Riehle verweist auch darauf, dass in begründeten Ausnahmen eine Befreiung von der Erbschaftssteuer auch dann vorgesehen wird, wenn geerbtes Wohneigentum nicht selbst genutzt, sondern die Einnahmen aus Vermietung für die Begleichung von Mehrbedarfen und der Altersvorsorge des gehandicapten Erbes genutzt werden. „Damit nicht die Notwendigkeit zur Erstellung des sogenannten ‚Behindertentestamentes‘ erzwungen wird, welches den gehandicapten Erben in vielen Bereichen entmündigt, sollten dringende Maßnahmen ergriffen werden, um die Selbstbestimmung von Menschen mit einer Beeinträchtigung dahingehend weiter auszubauen, ihre Souveränität und finanzielle Handlungsfähigkeit im Erbfall – beispielsweise beim Tod der Eltern – zu stärken und gewährleisten. Dies kann nur dann gelingen, wenn die Erbschaftssteuer nicht dazu führt, dass ein zur Vermietung vorgesehenes Wohneigentum unter Abzug des Freibetrags vollständig besteuert wird. Denn fehlt es an vererbtem Barvermögen, müsste für das Erbringen der Steuer ein Kredit aufgenommen werden, den behinderte Menschen durch ihre Situation in aller Regel nur schwerlich werden abstottern können. Muss eine Wohnung oder ein Haus verkauft werden, um aus dem Erlös die Erbschaftssteuer zu zahlen, fällt die wichtige Option weg, dieses Eigentum durch Vermietung als Kapital für einen sicheren monatlichen Lebensunterhalt des behinderten Erben heranzuziehen. Im Sinne der Eigenverantwortlich von gehandicapten Personen wäre es entscheidend, aus genannten Gründen Freibeträge anzuheben oder in diesen besonderen Verhältnissen auf Erbschaftssteuer dann zu verzichten, wenn Wohneigentum nicht selbst genutzt wird“.
Die Beratung mit Handicap ist bundesweit kostenlos für Ratsuchende unter www.beratung-riehle.de erreichbar.