BITEI 2014 – 11. Theaterfestival in Chisinau – gute Perspektiven für die Zukunft

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Seit nunmehr 22 Jahren erarbeitet Petru Vutcarau, Direktor des Theaters Eugene Ionesco in Chisinau und seine Kollegen ein eigenständiges Festival einheimischer und internationaler Provenienz. …

BildEindrücke aus Moldau (MD) – Polit-Drehscheibe zwischen Ost und West

Teilnehmer aus elf Nationen Türkei, Polen, Frankreich, Israel, Rumänien, Japan, Süd-Korea waren mit Produktionen in das kleine Land gereist. “Für uns ist die Biennale jedes Mal ein Fest für den Verstand, die Augen und darüber hinaus für die Seele”, so wussten die Zuschauer in Interviews und auf Facebook mitzuteilen.

“Wir fühlen uns in Moldawien isoliert, obwohl sich die Visa-Freiheit spürbar gemacht hat. Aber unter den besonderen politischen Umständen des russischen Coups in der Ukraine, sehen wir uns vielleicht als nächste an der Reihe vereinnahmt zu werden.” Mit der Odessa-Übernahme rückt die Ukraine-Krise bis an die Grenze Transnistriens heran, die von Moldau abtrünnige Separatisten-Republik. Dort will man nach Russland. Die Nato warnte zwar vor einem Einmarsch von russischen Truppen, doch die Angst ist groß.
Die Meinungen gehen geteilte Wege, da sich russisch und rumänisch stämmige Bürger auch im Westen des Landes häufig weniger positiv gegenüber stehen. Die 2010 begonnenen Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Moldau konnten im Sommer 2013 abgeschlossen werden; Ende November 2013 hat Moldau das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen paraphiert. Die Unterzeichnung soll bis spätestens August 2014 erfolgen. Und EU-Erweiterungskommissar Füle hat sich soeben für eine Vollmitgliedschaft u.a. der Republik Moldau in der EU ausgesprochen.

“Doch bei diesem Festival ist plötzlich die Welt zu Gast bei uns”, hieß es weiter. “Wir können uns austauschen und eine geraume Zeit dem Alltag entfliehen, empfangen neue Impulse, fühlen neue Strömungen und nutzen die Chance unsere Gedanken mitzuteilen und auszutauschen.”

Und so sollte in der Festivalausgabe 2014 alles wieder einmal anders werden. 2012 hatten BITEI und der künstlerische Leiter Petru Vutcarau den KulturPreis Europa “als Kulturbotschafter und Mittler zwischen Ost und West” für Bemühungen um Toleranz, Akzeptanz und interkulturelle Verständigung” erhalten. Der damalige Kulturminister versprach zwar vollmundig auf dem Podium in Zukunft daraus ein jährliches Ereignis zu machen und zu unterstützen, was alle mit großer Freude erfüllte. Doch außer den Versprechungen, wozu der Präsident des KulturForum Europa ungläubig den Minister beim Wort zu nehmen versprach, passierte zwei lange Jahre nichts. Vielleicht half die europäische Auszeichnung der neuen Kulturministerin Monica Babuc auf die Sprünge, denn diesmal gab es das Versprechen schriftlich. BITEI, International Festival of Living Art des Eugene Ionesco Theaters hat den Rang eines traditionell und kulturell hoch angesehenen Ereignisses, dessen Bedeutung endlich durch einen Ministerialerlass vom April d.J. die damit garantierte Unterstützung erfährt. Es sei dem Direktor der Biennale, Val Butnaru, gewünscht, dass dieses Versprechen besser funktionieren wird.

Shakespeares Testament gab unter den gegebenen politischen Umständen, was kann man tun, wenn nichts mehr geht, den Ausschlag für das Motto der Bitei-Ausgabe 2014. “Überall sieht man die Geister und unschuldiges Blut wird vergossen, alles ist verdorben und die Gefängnisse laufen über von Dissidenten … und irre Clowns sind dabei, die ganze Welt zu beherrschen”. Wir kennen die Story und alles scheint plötzlich so real, das unschuldige Blut in unseren Straßen und der irre Politclown, der Shakespeares letzten Willen verbrennen will, alle diese Horrorszenarien ließen uns an John Lennon denken”, so Butnaru weiter. “Bei ihm fanden wir das Motto: Make Love. Not War.”

Eine ausgesprochen lange Dauer verzeichnet das Theaterfest vom 21. Mai bis 15. Juni. Alles ein wenig anders gab es täglich am Abend eine Vorstellung (nicht mehrere pro Tag wie sonst), insgesamt 23 an der Zahl aus elf Ländern. Ein beachtliches Unterfangen, wenn auch in kleinen Besetzungen oder wie Bei “Ecce Homo” (Nietzsche) der polnischen Antrakt Theatergruppe ein One Men Show.
Die Orly Portal Dance Company aus Hadera, Israel, reiste mit großem Gepäck und Ensemble für eine einstündige Vorstellung über “Rabia”, die Poetin der Liebe, die Göttlichkeit der Liebe produzierend. Mit “Hamlet” schickte das Shakespeare Globe Theatre, London, eine bereits seit zwei Jahren erfolgreich nonstop tourende spannende Elementarfassung des Werkes.
Auch das Ginta Latina Theater aus Chisinau hatte sich mit dem englischen Autor und einer Adaption von “Was ihr wollt” eingebracht. “Godot ist gekommen”, so das Natori Theater aus Tokio in seiner Hommage an Beckett. “Die fünf Diebe” der 1980 Theater Kompanie aus Tokio entführten in die Welt ureigener Interpretation des Kabuki Theaters, ein Sewamono, ein prächtiges, bürgerliches Stück, das sich wie die meisten auch um das Thema Samurai im Sinne von Diener, Beschützer dreht.

“Ein Mann, ein Hund, ein Baum”, hier beeindruckte Devrim Evin, Star-Schauspieler aus der Türkei seit seiner bejubelten Hauptrolle im umstrittenen und teuersten Streifen der türkischen Filmgeschichte, dem opulenten Historienfilm über die Eroberung Konstantinopels durch das Heer des osmanischen Herrschers Fatih Mehmed II. Wie gut Evin spielen kann, beweist er in der einstündigen Ein-Mann-Produktion, worin der Mensch vom Bezwinger zum Gefangenen der Natur wird.
Dem Jugendtheater aus dem Piatra Neamt waren gleich zwei Abende eingeräumt. Dort in der rumänischen Provinz hat sich eine ausgezeichnete Mannschaft in Sachen zeitgenössischen Theaters herangebildet, von der man auch zukünftig viel hören wird. Das renommierte Oden Theater aus Bukarest war wieder gern gesehener Gast, ebenso Produktionen aus Braila und Bacau.

Petru Vutcarau zeigte in der Folge hauseigener Produktionen seine Bandbreite von russisch geprägtem Inszenierungsstil auf dem Weg zu zeitgenössischer Arbeit westlicher Prägung. Letztere wird ihm sicher den Weg weisen. In diesem Zusammenhang soll das Stück “Unsere Klasse” (Tadeusz Slobodzianek), eine Regie von Luzminita Ticu, Erwähnung finden. Unter dem scheinbar harmlosen Titel erzählt der Autor zehn exemplarische polnische Biografien. Zehn Menschen, die ihre Schulzeit miteinander beginnen und die sich im Lauf der Geschichte des 20. Jahrhunderts gegenseitig verraten, foltern, vergewaltigen, töten, aber auch verlieben, verstecken, beschützen werden und diese Taten rächen, verdrängen oder verzeihen. Die schwierige Geschichte Polens hat die Moldauer Regisseurin mit zehn ausgezeichneten Studenten als gemeinsame Abschlussarbeit von der Universität dramatisch, aufregend und emotional beeindruckend auf die Bühne gestellt. Keine Eintagsfliege, sie wurde bereits vor zwei Jahren mit “Casa M”, einem Stück über Gewalt an Frauen in Moldau, in mehreren europäischen Ländern ausgezeichnet und erarbeitet zur Zeit ein Doku-Drama für das Staatstheater.
Es sei dem Theater Eugene Ionesco, Chisinau und Moldau 2016 eine BITEI Ausgabe Nr. 12 gewünscht.

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