BORA ist ein Novum der Nachkriegsliteratur, da hier zum ersten Mal der Widerstand gegen das NS-Regime in den Reihen der Wehrmacht am Balkan und die wahre Brutalität des Krieges beschrieben wird.
Die Erzählung „Bora“ stammt von dem im Jahre 1977 verstorbenen ehemaligen Wehrmachtsoldaten und Zeitzeugen Louis Mahrer. Sie schildert den Widerstand von zwei österreichischen Wehrmachtssoldaten in Serbien in den Kriegsjahren 1943/1944. Mahrers ungeschminkte Manuskripte und Aufzeichnungen wurden nun erstmals von Robert Streibel durch Kommentare ergänzt und in Buchform veröffentlicht.
Der Louis Mahrer und Gerhard Chmiel waren Funkaufklärer. Als sie zum Jahreswechsel 1943/44 entdeckten, dass ihre Dienststelle den Chiffriercode der Partisanenverbände geknackt hatte, beschliossen die beiden, diese über Mittelsmänner zu warnen. Angesichts der Massenmorde, die sie in Serbien und davor in der Ukraine miterlebt hatten, fiel ihnen die Entscheidung leicht.
Louis Mahrer wurde entlassen, sein Freund starb. Die Bürde überlebt zu haben trug Louis Mahrer sein ganzes Leben mit sich.
Die knapp 140 seitige Erzählung „Bora“ erschien 1947 und war wohl eine der ersten Geschichten, die ein anderes Bild der Deutschen Wehrmacht gezeichnet hat. Wenige Monate nach dem Erscheinen des Büchleins kam es zum Bruch zwischen Tito und Stalin. Keine gute Zeit für einen österreichischen Kommunisten, eine Geschichte über den Kontakt zu den Partisanen zu schreiben.
Ein Großteil der Auflage des Büchleins landete im Keller von Louis Mahrer. Auch die Verantwortlichen der KPÖ Krems waren nicht besonders angetan, die Geschichte zu verbreiten, derzufolge vielleicht ein Kremser mitgeholfen hatte, Tito das Leben zu retten.
Robert Streibel hat die Neuausgabe, 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung und zum 100. Geburtstag des Verfassers, ermöglicht. Er hat sich als einziger außerhalb der Familie schon bisher eingehend mit Louis Mahrer beschäftigt.
Ergänzend zur Neuausgabe führte er seine eigenen und die von Mahrers Kindern angestellten Nachforschungen zusammen, gab die Gespräche wieder, in denen sie sich an den Vater erinnerten, und ergänzte sie durch Auszüge aus einem Arbeitsjournal, das Mahrer während des Krieges und darüber hinaus bis Silvester 1945 geführt hat, mit vielen treffenden, auch erschütternden Eintragungen.
Ein Werk wie dieses über den Widerstand zweier Wehrmachtssoldaten hat es bisher zumindest in der österreichischen Nachkriegsliteratur nicht gegeben. Der Roman gibt uns ein klares, ungeschöntes Bild von den Vorgängen im besetzten Jugoslawien und es zeugt vom Mut und Verantwortungsbewusstsein seiner Protagonisten, die auf real existierenden Personen und Ereignissen beruhen.
„BORA“ ist vor allem hinsichtlich der Handlung und ihrer moralischen Dimension ein absolut eindringliches Zeugnis der Zeitgeschichte. Manchen „Pflichterfüllern“ mag diese Lektüre unerträglich gewesen sein, weil sie, erstmals in Romanform, wieder einmal mit dem Mythos von der relativ „sauberen“ Wehrmacht (im Gegensatz zur verbrecherischen SS) aufräumt. Die Truppen haben den Mördern und Folterknechten vor Ort bei ihren Vergeltungsaktionen Beistand geleistet.
Manchmal wünscht man sich, der Erzähler hätte die eine oder andere Szene erfunden. Aber dem ist nicht so, es sind erschütternde Dokumente eines Augenzeugen von unglaublicher Brutalität und Grausamkeit. Der ungeschminkte Schreibstil des Erzählers wird den Handlungen der Geschichte durchaus gerecht.
Aber wie sollte man das Geschehene auch anders in Texte fassen? Da gibt es wohl nichts zu beschönigen und schon gar nichts mehr zu Verharmlosen!
Ausführliche INFOs zum Buch und Links zum Buchhandel finden Sie unter folgender URL:
http://www.spass-und-lernen.com/buchblog_133
Angaben zum Buch:
Autor: Louis Mahrer (+1977)
Kommentator: Robert Streibel
Format: Hardcover
Seitenanzahl: 216 Seiten
Verlag: Bibliothek der Provinz
Auflage: 1 (März 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3990285565
Altersempfehlung: Ab 14 Jahre
Über den Autor und Zeitzeugen Louis Mahrer:
Louis Mahrer, geboren 1917. Studium der Germanistik und Französisch an der Universität Wien.
1940-1945 absolvierte er seinen Kriegsdienst in der deutschen Wehrmacht als Funker. In den Jahren 1945-1947 war er Lehrer an der Handelsakademie in Wien I., ab 1947 bis zu seinem Tod im Jahre 1977 Lehrer an der HTL in Krems .
Bei den Roten Falken politisiert, sympatisierte er nach 1934 mit der illegalen KPÖ und nahmen an Schulungen und Aktionen gegen den Austrofaschimus teil. In den erhaltenen Briefen analysiert er die militärische Lage und die Möglichkeiten, Widerstand zu leisten.
Aus dem Zeitraum von 1939 und 1944 sind Briefe und Karten erhalten. Louis Mahrer, in Frankreich und später im Balkan stationiert, war als Funker tätig und verarbeitete seine Beteiligung im Widerstand in der Erzählung „Bora“.
Über den Autor und Kommentator des Buches Robert Streibel:
Robert Streibel, geboren am 27.1.1959 in Krems a.d. Donau, ist österreichischer Historiker, Autor und Lyriker.
Er studierte in Wien Geschichte, Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte und promovierte bei Erika Weinzierl am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien.
Beruflich ist er seit 1987 im Erwachsenen- und Weiterbildungsbereich beim „Verband Wiener Volksbildung“ für Öffentlichkeitsarbeit tätig. Seit 1999 ist er auch Direktor einer Volkshochschule in Wien Hietzing.
Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen von ihm aus historischen Forschungsprojekten zum Nationalsozialismus, zum Judentum und Exil, mit den Schwerpunkten Niederösterreich und seiner Geburtsstadt Krems an der Donau.
Außerdem publizierte er in Literaturzeitschriften, einen Gedichtband und Filme. Er ist freier Mitarbeiter der Wochenzeitung Die Furche (Literaturkritik) und der Tageszeitung Die Presse.
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Martin Urbanek, geboren 1958 in Wien. Nach Abschluss des Studiums der Ur- und Frühgeschichte sowie der Kultur- und Sozialanthropologie im Jahre 1994 folgte 1999 die Ausbildung zum „Multi Media Producer“. Als Autor bei Karina Verlag veröffentlicht er seit dem Jahr 2016 u.a. Reiseführer, Arbeitsbücher und digitale Unterlagen zum Thema Wien. Diese Publikationen erscheinen unter dem Projekttitel „VIENNA LIFE“ und werden speziell für KInder und Jugendliche erstellt.
Interessen und Themenschwerpunkte des Autors: Bildung und Medien, Geschichte, Archäologie, Kultur- und Sozialanthropologie.
Seit 2001 steht die freiberufliche Mitarbeit an zahlreichen Studien zur Evaluierung von Schulversuchen bzw. bildungspolitischen Maßnahmen im Mittelpunkt.
Martin Urbanek ist Mitautor von zahlreichen sozial- und erziehungswissenschaftlichen Publikationen und seit 2014 Mitbetreiber der Internetplattform „Spaß und Lernen“, wo er unter anderem an der Erstellung von Unterrichtsmaterialien mitwirkt.
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