Mietzinsminderungsrecht von Unternehmern denkbar
Zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wurde durch die österreichische Regierung im Verordnungsweg der Kundenverkehr in weiten Teilen der Wirtschaft vorläufig untersagt. Diese Einschränkungen treffen vor allem Gastronomie und Tourismus hart, aber auch Dienstleister und Freiberufler. Viele der Betroffenen stellen sich die Frage, ob Sie weiterhin ihre Miete zahlen müssen, auch wenn Sie Ihr Geschäftslokal oder Büro überhaupt nicht nutzen können. Wir bieten anschließend einen Überblick über die Rechtslage.
1. Im Allgemeinen ist der Bestandgeber verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Zustand zu übergeben und während der Dauer des Bestandverhältnisses auch zu erhalten. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht mehr taugt, ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit.
2. Diese grundsätzliche Erhaltungspflicht des Bestandgebers wird durch § 1104 ABGB abbedungen. Diese Spezialregelung betrifft den Fall, dass eine Bestandsache „wegen außerordentlicher Zufälle gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann“. Diesfalls ist der Bestandgeber nicht zur Wiederherstellung verpflichtet (8 Ob 610/90) und er wird dem Bestandnehmer gegenüber auch nicht schadenersatzpflichtig (7 Ob 520/87). Als Ausgleich hierfür wird der Bestandnehmer von seiner Pflicht zur Leistung des Bestandzinses ganz oder teilweise befreit (was sich bereits aus der allgemeinen Regel des § 1096 ABGB ergibt und in § 1104 ABGB wiederholt wird). Ferner hat der Bestandnehmer das Recht, den Bestandvertrag nach § 1117 ABGB aufzulösen.
„Außerordentliche Zufälle“ im Sinn von § 1104 ABGB sind Elementarereignisse, die einen größeren Personenkreis treffen und von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz erwartet werden kann (7 Ob 42/63; 7 Ob 520/87; 1 Ob 306/02k). Der Gesetzgeber nennt hierbei Feuer, Krieg oder Seuche, große Überschwemmungen und Wetterschläge, diese Aufzählung ist allerdings nur beispielhaft (7 Ob 520/87; 8 Ob 610/90). Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die aktuelle COVID-19-Pandemie einen außerordentlichen Zufall im Sinn von § 1104 ABGB darstellt.
3. Dies bedeutet im Ergebnis:
– Ein Mieter, der sein Geschäftslokal aufgrund einer behördlich angeordneten Sperre nicht nutzen kann, wird gemäß § 1104 ABGB von der Pflicht zur Leistung des Mietzinses befreit. Ist das Geschäftslokal teilweise nicht nutzbar, teilweise jedoch schon, ist eine verhältnismäßige Mietzinsminderung argumentierbar (1 Ob 306/02k). Abweichendes kann gelten, sofern dem Mieter öffentliche Leistungen wie etwa Förderungen zugute kommen, die (auch) der Stützung von Mietzinsleistung dient.
– Dies gilt sinngemäß für einen Pachtvertrag (und zwar auch einen Unternehmenspachtvertrag; SZ 38/20), der auf ein Jahr oder kürzerer Dauer befristet ist, sofern mehr als die Hälfte des durchschnittlichen Pachtertrages verloren geht. Bei Pachtverhältnissen mit längerer Dauer entfällt das Minderungsrecht, sofern der Pachtgegenstand zumindest teilweise nutzbar ist. Ist er überhaupt nicht mehr nutzbar, steht dem Pächter ein Mietzinsminderungsrecht auf Null zu (§ 1105 ABGB).
– §§ 1104 ABGB f sind allerdings dispositiv: Es ist daher jeweils im konkret vereinbarten Miet- oder Pachtvertrag zu überprüfen, ob nicht eine vom Gesetz abweichende Regelung getroffen wurde.
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