Ein Gespräch mit einem Soziologen über die Frage ob Tiere eine Seele haben.
Tiersendungen liegen im Trend. Tiertrainer und Tierpfleger werden zu Medienstars. Auf der anderen Seite werden Tiere wie der verstorbene Berliner Eisbär Knut zu Promis. Die Begeisterung von Menschen für Tiere scheint kein Ende zu finden. Die Medien reagieren darauf mit einer Flut von Tiersendungen. Der Alltag in Zoos wird fast wie eine Doku-Soap aufbereitet. Andere Formate setzen auf spektakuläre Szenen, sei es im Haifischkäfig, oder sei es die Beobachtung von auf Beute lauernder Krokodile. Diese Sendungen stillen, so scheint es, den Durst nach Blut und Gewalt. Auf der einen Seite Haustier, auf der anderen Raubtier und dazwischen der Mensch. Ist das wirklich so? Wir sprachen darüber mit dem Freiburger Soziologen Sacha Szabo (http://www.sacha-szabo.de) , der für das Institut für Theoriekultur (http://institut-theoriekultur.de/) Alltagskulturen untersucht.
Zuerst eine provokative Frage: Was haben die Sozialwissenschaften mit Tieren zu tun?
Sacha Szabo: Natürlich hat man die Vermutung, dass die Biologie und insbesondere die Zoologie die Disziplinen sind, in denen sich die Wissenschaft mit den Tieren auseinandersetzt. Das ist auch richtig, allerdings sind Tiere mehr als nur eukaryotische Lebewesen. Denn unser Verständnis von Tieren ist ein kulturell geformtes und damit gehört das Wissen um das Verständnis was ein Tier zum Tier macht, zu den Kultur- und Geisteswissenschaften.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Sacha Szabo: Ein ganz Grundlegendes. Haben Tiere eine Seele? Diese Frage wurde von Descartes aufgeworfen und er hat sie in einer nachhaltig verstörenden Weise beantwortet. Er sagt nein, weil sie letztlich keine Vorstellung vom Schmerz haben.
Tiere haben also keine Seele?
Sacha Szabo: Das weiß man nicht. Descartes sagt nein, aber was er damit meint ist, dass Tiere keine Vorstellung vom Schmerz haben. Schmerz verspüren sie, das ist ja offensichtlich. Aber sie haben keine projektive Vorstellung davon, dass eine Zahnbehandlung anstehen kann und diese dann schmerzhaft sein könnte. Insgesamt zeichnet es ja den Menschen gegenüber den Tieren aus, dass er ein reflexives Bewusstsein hat. Dies zusammen mit seiner Weltoffenheit zeichnet ihn gegenüber den meisten Tieren aus, die ja Spezialisten sind und beispielweise Experten darin eine besondere Nahrungsquelle auszubeuten. Es gibt allerdings auch Experimente mit Tieren, besonders mit Menschenaffen, die zeigen, dass auch hier Ansätze für ein reflexives Bewusstsein vorhanden sein können.
Warum ist das so wichtig?
Sacha Szabo: Das Bewusstsein von sich selbst ist das was den Menschen auszeichnet und ihn das vollbringen lässt, was ihn von allen anderen Tieren auszeichnet, er ist Kultur schaffend. Diese Kultur ist erstmal völlig neutral. Es ist eine Form seine Existenz zu bewältigen. Deshalb gehören zur Kultur nicht nur die schönen Künste, sondern auch die Dinge auf die wir nicht so stolz sind, wie etwa Kriege. Diese Kultur ist es auch, die unsere Gesellschaftsformen durchdringen, sei es in Form von Normen oder Gesetzen, die die Herrschaftsverhältnisse bestimmen. Damit kommen wir nun über die Kultur zum Tier. Das Verhältnis vom Menschen zum Tier ist ein Herrschaftsverhältnis. Damit ist diese Beziehung ein Thema für die Soziologie.
Ein Mensch-Tier Herrschaftsverhältnis?
Sacha Szabo: Der Mensch bewirtschaftet das Tier. Er hält es, zieht es auf, schlachtet es und ernährt sich davon. Aber der Mensch dressiert auch das Tier, er akzeptiert es als Gefährten, als Haustier. Manche Menschen ernähren ihre Tiere besser als sich selbst. Da wird das Tier zum Menschenersatz gemacht. Auch das Haustierverhältnis ist ein Herrschaftsverhältnis. Gut, manche Katzenliebhaber akzeptieren auch die Katze als Herrscher. Menschenrechte für Tiere bedeutet, dass dem Tier seine Würde nicht genommen werden soll und dass seine körperliche Integrität gewahrt werden muss. Der Tod ist die ultimative Machtdemonstration und das Verspeisen die völlige Vernichtung. Allerdings sind diese Überlegungen wiederum aus einer menschlichen Ethik heraus gefolgert. Dass ein Raubtier tötet steht dort nicht im Widerspruch, aber es kann ein Widerspruch werden, wenn eine Hauskatze Fleisch frisst. Diese müsste, je nach Anschauung, dann auch vegan ernährt werden.
Warum gibt es so viele Tiersendungen im Fernsehen?
Sacha Szabo: Es gibt ja zwei Formen der Tiersendungen. Einmal die zurzeit recht populären Tiertrainer, die einen richtiggehenden Trend losgetreten haben. Hier steht die artgerechte Erziehung der Tiere zu sozial integrierbaren Lebewesen im Mittelpunkt. Eine Idee, die bereits Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in der Tierdressur Einzug hielt, als man Tiere artgerecht zu erziehen versuchte und dann die klassischen Tierdokumentationen.
Was kann man zur Tierdressur sagen?
Sacha Szabo: Ursprünglich war die Tierdressur eine Umkehrung der militärischen Ausbildung von Pferden. War die militärische Ausbildung ganz dem Nutzen verpflichtet, so stand die Dressur ganz im Zeichen des Unnützen, des Vergnügens. Man ließ Pferde aus Spaß Pirouetten drehen. Jetzt wo man schon Pferde aus ihrem Kontext entließ, bot es sich an auch andere Tiere zu dressieren und man probierte beispielsweise ein Zebra wie ein Pferd zu dressieren. Die Bärentreiber waren grausame Schaustellungen, zeigten aber, dass Menschen sich darüber amüsieren konnten, wenn Tiere menschliche Verhaltensweisen zeigten. Im neunzehnten Jahrhundert wurden nun Hunden oder Affen menschliche Verhaltensweisen antrainiert. Man denke nur an dem Begriff des „Affentheaters“. Hier spielte es aber auch eine Rolle, dass das Selbstbild des Menschen durch die Evolutionstheorie ins Wanken kam. Er fragte sich, was unterscheidet den Menschen vom Tier. Das ist ja unsere Ausgangsfrage.
Kurz noch ein Wort zu den Tierdokus.
Sacha Szabo: Die Tierdokus, und das zeigen viele Dokumentationen über die Jahrzehnte hinweg, unterlegen tierisches Verhalten mit menschlichen Deutungen. Anfangs war es noch eine lustige Analogie, heutzutage findet dieser Diskurs sublimer statt. Die Natur wird erbarmungslos und aggressiv gezeigt. Fressen und gefressen werden. Dies ist der boulevardeske pseudo-darwinismus. Dabei ist die Natur auch etwas ganz anderes. Es passiert sehr wenig wenn ein Raubtier gefressen hat, dann liegt es eine ganze Weile rum und ruht sich aus. Es passiert sehr wenig in der Natur und das ist auch gut so, sonst würden alle Lebewesen Stresserkrankungen haben. Nur wenige, aber dafür ausgezeichnete Tierfilmer schaffen es, diesen unspektakulären Naturraum zu zeigen.
Zum Schluss nochmal die entscheidende Frage: Wie unterscheidet sich nun das Tier vom Menschen?
Sacha Szabo: Die Trennung zwischen Tier und Menschen ist nicht so einfach. Wenn wir das reflexive Bewusstsein und die Fähigkeit Kultur zu schaffen als spezifisch menschlich auffassen, dann gibt es keine Schnittstelle, sondern der Übergang ist fließend. Natürlich ist die Setzung das reflexiven Bewusstseins als originär menschlich zu betrachten, selbst eine Setzung. Es zeigt sich also, dass die Unterscheidung zwischen Tier und Mensch eine willkürliche ist. Man könnte auch andere Merkmale herausgreifen und dann würde sich ein anderes Verhältnis ergeben. Unser heutiges Verhältnis ist eines dem eine bestimmte Herrschaftsstruktur innewohnt. Würden wir die Differenzen an einer anderen Stelle anlegen, dann würde vielleicht auch diese Herrschaftsstruktur so nicht existieren.
Das scheint jetzt sehr theoretisch.
Sacha Szabo: Wenn wir an einen Goldhamster denken, ja, wenn wir an einen Schimpansen denken vielleicht weniger. Wenn wir an einen Neandertaler denken, dann kommt unsere Unterscheidung plötzlich ins Schwimmen. Gut, der Neandertaler ist ausgestorben, das macht ihn für Spekulation so geeignet. Wenn der Urmensch den Neandertaler als Tier betrachtete, wie einen Affen, dann war er einfach eine Nahrungsquelle und er wurde gejagt und aufgegessen. Betrachtete der Homo sapiens den Neandertaler als seinesgleichen, dann könnten sie in Austausch getreten sein, vielleicht haben sie sich sogar gepaart. Im Moment scheint man der Auffassung zu sein, dass sich Neandertaler-DNA in unserem Erbgut befindet. Zieht man also das Verhältnis von Homo sapiens zu Homo neandertalis als Vergleich heran, dann zeigt sich, dass die Grenze zwischen Mensch und Tier flexibel ausgelegt werden kann.
Und was folgt daraus?
Sacha Szabo: Wir wissen nicht was ein Tier denkt, ob es überhaupt wie wir denken. Wir sind ja nur in der Lage uns etwas vorzustellen was unserer Vorstellung entspricht, also glauben wir ein Tier würde denken wie ein Mensch. Das wird es aber vermutlich nicht. Wissen würden wir das nur, wenn wir in Kommunikation mit den Tieren treten könnten. Wenn wir eine gemeinsame Sprache finden. Aber dazu ist ja der Mensch nicht mal untereinander in der Lage.
Vielen Dank für das Gespräch!
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