Lesen Sie hier, was einen jungen deutsch-iranischen Unternehmensberater antreibt, sich in Deutschland und Iran, sozialpolitisch und wirtschaftlich zu engagieren!
Dawood Nazirizadeh ist Unternehmensberater aus Wiesbaden und beruflich in Deutschland und Iran aktiv. Außerdem engagiert er sich sozial und gesellschaftspolitisch, sowie in seiner islamischen Gemeinde und im Dachverband der schiitischen Muslime in Deutschland. Andreas Rolle ist Gründer und Chefredakteur der größten Wiesbadener Facebook-Gruppe „Lust auf Wiesbaden“ mit mehr als 20000 Mitgliedern. Er führt regelmäßig Interviews mit Persönlichkeiten aus der Wiesbadener Gesellschaft. Andreas Rolle befragte Dawood Nazirizadeh, den er als engagierten Wiesbadener Bürger kennt, zu den Beweggründen für seine Aktivitäten:
Dawood Nazirizadeh: Eine Brücke zwischen meinen Heimatländern zu bilden, macht mich aus
Andreas Rolle: „Herr Nazirizadeh, Sie haben sich mit ihrem Engagement für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Iran einen Namen gemacht. Was ist Ihre persönliche Motivation für diese Tätigkeit?“
Dawood Nazirizadeh: „Als Deutsch-Iraner, der in Isfahan geboren und in Wiesbaden aufgewachsen ist, bin ich im Grunde genommen zum Europäer geworden, als ich dann in England meinen Bachelor und meinen Master gemacht habe. Ich bin viel durch verschiedene Länder gekommen und habe verschiedenste Perspektiven gesehen, die mich geprägt und meine Funktion als eine Brücke zwischen den Kulturen verfestigt haben.
Selbstverständlich habe ich auf Grund meiner Herkunft und Familie eine besondere und emotionale Bindung an das Land Iran und die iranische Bevölkerung. Und dasselbe gilt für meine Heimat Deutschland. Ich habe dieses Land bewusst als meine Heimat gewählt, nachdem ich bereits in verschiedensten Ländern gelebt habe. Diese Brücke zwischen beiden Ländern zu bilden, ist das was mich ausmacht. Ich verstehe die deutsche und die iranische Kultur sehr gut und deshalb setze ich mich für eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der iranischen Bevölkerung ein. Nicht nur für die Kooperation zwischen der iranischen Privatwirtschaft und deutschen kleinen und mittelständischen Unternehmen, sondern auch für den wissenschaftlichen Austausch und die Möglichkeit für iranische Studenten, in Deutschland zu studieren.
Als Pazifist bin ich gegen jede Form von Gewalt oder Aufrufen zur Gewalt und setze mich deshalb dafür ein, dass es
keinen Krieg gegen Iran gibt, ebenso wie ich unterstütze, dass Iran seine Interessen mit diplomatischen Mitteln vertritt.
Ich denke, wir müssen als Mittel zum Frieden den Dialog fördern, und der zivilgesellschaftliche Dialog wird immer durch menschliche Begegnungen und wissenschaftlichen Transfer gestärkt und durch die private Wirtschaft unterstützt.
Es gibt radikale Gruppierungen die fordern, dass man keinerlei wirtschaftliche, wissenschaftliche oder kulturelle Zusammenarbeit mit Iran betreiben dürfe, weil man damit ein bestimmtes politisches System stärken würde.“
Dawood Nazirizadeh: Ich denke, wir müssen als Mittel zum Frieden den Dialog fördern
„Ich sehe aber, dass eine solche Sanktionierung Irans die iranische Bevölkerung der Gefahr aussetzt zu hungern und sie auch auf vielen anderen Ebenen schädigt. Durch Sanktionen auf dem Rücken der iranischen Bevölkerung und einen Abbruch der Beziehungen werden die extremen Positionen, die sich gegen einen Dialog der Völker aussprechen, auf beiden Seiten nur gestärkt.“
Dawood Nazirizadeh: Ich habe viel Unterstützung aus der deutschen Zivilgesellschaft erhalten!
Andreas Rolle: „Neben Ihrer beruflichen Tätigkeit sind Sie ehrenamtlich Vorsitzender der Wiesbadener Akademie für Integration, für die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland, in der SPD und auch in sozialen Projekten aktiv. Was ist dabei Ihre Motivation und was möchten Sie erreichen?“
Dawood Nazirizadeh: „Bereits in meiner Kindheit habe ich meine Mutter oft zu „Tandem-Kursen“ begleitet. Dort wurde sie von ehrenamtlich tätigen Wiesbadenern freundschaftlich dabei unterstützt, in der Wiesbadener Gesellschaft anzukommen. Diese „Tandem-Kurse“ inspirieren und begleiten mich bis heute. Ich habe viel von der deutschen Gesellschaft bekommen und möchte das auch gerne zurückgeben.
Ich wäre nicht der, der ich bin, hätte ich nicht so viel Unterstützung aus unserer starken Zivilgesellschaft in Deutschland erhalten. Für meine Kinder wünsche ich mir in der Zukunft Deutschland als ein Land in dem Pluralität respektiert und als Stärke gesehen wird, in dem Anderssein etwas Interessantes ist und nicht ein Grund zum Mobbing. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir in Zukunft eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft haben.
Meine Aktivitäten innerhalb meiner Moscheegemeinde und in der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland haben ebenfalls Schwerpunkte im Bereich des Dialoges der Religionen und der Gesellschaft mit den Muslimen in Deutschland. Ich werbe für den vernunftbetonten Islam, im Gegensatz zu einem extremistischen Islamverständnis.“
Dawood Nazirizadeh: Ich habe gelernt, andere Meinungen zu respektieren!
Andreas Rolle: „Sie sind in zwei Kulturen aufgewachsen und haben zwei Heimatländer. Welche Erfahrungen machen Sie damit und wie verbinden Sie diese verschiedenen Kulturen? Ist das überhaupt möglich, oder sind die Werte und Grundlagen nicht viel zu verschieden?“
Dawood Nazirizadeh: „Tatsächlich sind in der deutschen und der iranischen Kultur viele Unterschiede festzustellen. Deshalb habe ich mir angewöhnt, Kulturen beschreibend anzuschauen, ohne sie zu bewerten.
Dabei habe ich gelernt, andere Meinungen zu respektieren. Ich denke, wenn wir mehr Empathie füreinander erlernen – dafür brauchen wir gar nicht Deutschland verlassen – hilft uns das auch innerhalb Deutschlands.
Selbstverständlich fördern Empathie und Respekt füreinander Freundschaften. Und das stärkt auch ein internationales, friedliches und respektvolles Zusammenleben. Man nennt mich manchmal naiv, weil ich daran glaube, dass wir auf diese Weise den Weltfrieden eines Tages erreichen können. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass diejenigen, die in den Augen anderer die blöde Idee hatten, die Welt zu verändern, es dann auch getan haben.“
Willy Brandt: Der Frieden ist nicht alles, aber ohne den Frieden ist alles nichts!
Andreas Rolle: „Wenn man Sie fragt, welchem Land Sie sich mehr verpflichtet fühlen, was antworten Sie dann?“
Dawood Nazirizadeh: „Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust“, hat schon Goethe gesagt. Ich denke, dass man als Weltenbürger nicht so stark in Schwarz und Weiß unterscheiden kann. Man kann nicht sagen, dass man das eine ist und das andere nicht.
Ich fühle mich als Deutsch-Iraner und sehe mich den Grundsätzen der UN-Menschenrechtscharta als Basis meines Denkens und Handels verpflichtet. Darüber hinaus sehe ich mich selbstverständlich als Europäer, als Deutschen, als Wiesbadener – auch als Iraner, als Isfahaner.“
Gemeinsam für eine gerechte, pluralistische und solidarische Gesellschaft
„Ich sehe mich aber als Deutschen und Iraner nicht als besser an, als einen Italiener, einen Afghanen, oder irgendeinen Menschen anderer Herkunft. Ich sehe mich in der Pflicht, das friedliche Zusammenleben, egal in welchem oder mit jedem Land, zu fördern. Denn Frieden ist das, was wir als Menschen alle suchen. Willy Brandt hat einmal gesagt: „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“
Dawood Nazirizadeh: Für eine Welt ohne Waffen!
Andreas Rolle: “ Herr Nazirizadeh, was wünschen Sie sich für die Zukunft?“
Dawood Nazirizadeh: „Ich wünsche mir, dass wir in der Welt selbstbewusster werden. Nicht selbstbewusster indem wir, wie es die Populisten tun, nach außen hin lautstark unsere Stärke herausposaunen, sondern indem wir echte innere Stärke und Selbstbewusstsein haben. Dann müssen wir unsere persönlichen, gesellschaftlichen und internationalen Beziehungen nicht mit Hilfe von Gewalt oder gar Waffengewalt zu dominieren trachten.
Als deutsche Bürger mit einem echten Bewusstsein für unsere Geschichte, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass sich die Fehler der Vergangenheit auch wiederholen können und dass wir das verhindern müssen. Unsere Werte müssen wir tagtäglich verteidigen.
Ich wünsche mir eine Welt, in der nicht nur Massenvernichtungswaffen verboten sind, sondern in der es generell keine Waffen, kein Militär mehr gibt. Eine Welt, in der eben nicht mehr gilt, was Clausewitz gesagt hat „Der Krieg ist das letzte Mittel der Diplomatie“. Eine Welt, in der Staaten tatsächlich ohne Waffengewalt miteinander auskommen.
Dafür müssen wir es schaffen, dass wir in der Erziehung unserer Kinder ihnen ein solches Selbstbewusstsein mitgeben, dass sie ohne Arroganz ein starker Teil der Gesellschaft werden. Das ist der beste Schutz gegen extremistische Positionen und die Basis für Respekt gegenüber Andersdenkenden. Wir müssen die Toleranz gegenüber anderen Meinungen fördern, auch wenn wir diese nicht nachvollziehen können und sie sich sehr von dem unterscheiden, für das man selber steht.“
Andreas Rolle: „Vielen Dank für diese Einblicke und weiterhin viel Erfolg auf allen Ebenen!“
Dawood Nazirizadeh: Was mich bewegt
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