Facebook, Twitter und Co. bereichern unser Leben. Doch im Joballtag erweisen sie sich immer stärker als Konzentrationskiller.
Von Ansgar Lange +++ Werden Sie diesen Text ohne Unterbrechungen zu Ende lesen? Wie oft schauen Sie zwischendurch aufs Smartphone? Können Sie Facebook und Co. mal für ein paar Minuten links liegen lassen? Wahrscheinlich setzte sich fast jeder entrüstet zur Wehr, wenn ihm unterstellt würde, er könne noch nicht einmal einen so kurzen Text ohne Ablenkungen lesen. Doch die Realität sieht anders aus – auch in unseren Büros und im Arbeitsalltag.
„Digitale Ablenkung ist nicht nur ein Phänomen, das sich nicht mehr wegdiskutieren lässt, es ist auch zu einem Problem geworden. Ablenkung in Maßen ist gut. Mal zwischendurch die Sinne schweifen lassen, ein paar Schritte an der frischen Luft gehen oder in der Küche mit den Kollegen plaudern. Hunderte von Mails – häufig mit belanglosem Inhalt -, Dutzende von Telefonaten, Meetings ohne Ende und die Omnipräsenz von sozialen Netzwerken lassen konzentriertes Arbeiten häufig nicht mehr zu. Ob jemand nun 35, 37,5 oder 40 Stunden im Büro arbeitet, sagt oft nichts über die Leistung aus. Diese lässt sich realistisch nur am Output messen, nicht an der im Büro abgesessenen Zeit“, sagt Michel Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de aus Baden-Württemberg.
Ein Interruptus mit gravierenden Folgen
Zondler stimmt kein kulturkritisches Lamento an. Zweifelsohne gingen viele Produktivitätsfortschritte auf das Konto der digitalen Technik, so der Personalberater. Doch jede Technik bringe sowohl Fluch als auch Segen mit sich. Laut Studien werden Arbeitskräfte im Büro alle drei Minuten unterbrochen. Ein Interruptus mit gravierenden Folgen: Denn es kann bis zu 23 Minuten dauern, bis sich ein Arbeitnehmer wieder seiner ursprünglichen Aufgabe widmet, so Gloria Mark, die über digitale Ablenkung forscht http://www.ics.uci.edu/~gmark/Home_page/Welcome.html.
Mark zufolge können Unterbrechungen auch positive Folgen haben. Wenn beispielsweise ein Meeting naht, versuchen viele Beschäftigte, noch schnell ein paar wichtige Aufgaben vorab zu erledigen. Auch das gelegentliche Surfen im Internet kann bei eher stupiden Arbeiten durchaus motivationsfördernd wirken, weil man auf andere Gedanken kommt.
„Unternehmen und Führungskräfte können auf verschiedene Weise mit dem Phänomen der digitalen Ablenkung umgehen“, meint Zondler. „So kann man natürlich bestimmte Seiten sperren lassen und den Mitarbeitern verbieten, im Büro mal kurz die privaten Mails zu checken oder sich in Facebook einzuloggen. Doch Zwang sollte das letzte Mittel sein. Ein sinnvoller Ansatz kann sein, dass man innerhalb eines Teams festlegt, dass intern nur dann per Mail kommuniziert wird, wenn etwas nicht absolut dringend ist. Ein Gespräch auf dem Flur oder ein persönliches Telefonat sind oft effektiver und weniger zeitaufwendig als das Hin- und Herschicken von banalen Mails.“
Gerade in Großraumbüros werde konzentriertes Arbeiten immer schwieriger. Hier müsse man kreativ sein. „Warum sollte man sich betriebsintern nicht darauf einigen, dass jedem Mitarbeiter ein paar Stunden in der Woche als Denk- und Auszeiten zustehen? Ein paar Stunden als Rückzugsgebiet für konzentriertes Arbeiten, dessen Ertrag natürlich verifizierbar sein muss. Wenn jemand regelmäßig ein paar Stunden Zeit für sich und seine Arbeit hat, nicht ans Telefon gehen, keine Mails beantworten und auch nicht bei Meetings erscheinen muss, kann dies neue Kräfte frei setzen. Dies ist effektiver als die Möglichkeit, einen Tag pro Woche im Homeoffice zu arbeiten. Denn dort warten oft noch viel mehr Ablenkungsmöglichkeiten als im Büro. Auch wenn es sich altmodisch anhört: Das Problem der digitalen Ablenkung bekämpft der Einzelne nur mit seine eigenen Willenskraft und dem Entschluss, mal phasenweise ganz bewusst auf Facebook, Twitter und Co. zu verzichten. Viele merken nach so einem Experiment: Es macht frei – zuerst den Kopf, dann den Schreibtisch.“ Die digitale Diät bewahrt so vor der digitalen Ablenkung.
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