Gesichter der IT in Berlin-Brandenburg – Teil 10
Berlin. (wei) Die digitale Wirtschaft in der Hauptstadtregion wird immer mehr Taktgeber der wirtschaftlichen Entwicklung. In keiner anderen Stadt arbeiten nach einer Studie der Investitionsbank Berlin (IBB) mehr Menschen in diesem Wirtschaftsbereich. Dennoch ist die Kluft zwischen der Branche, die unser aller Leben einfacher machen soll und jenen, die von dieser Einfachheit und den Entwicklungen profitieren sollen nach wie vor groß – fehlt es schlichtweg am Verständnis für die jeweils andere Seite. Es ist ein bisschen wie Yin und Yang, die nicht zueinander finden. Übertrieben ausgedrückt: IT-ler fühlen sich unverstanden, Nicht-IT-ler verstehen nichts.
In der SIBB-Reihe „Gesichter der IT“ kommt diesmal Dr. Juliane Siegeris, Professorin an der HTW Berlin und Sprecherin des Studiengangs „Informatik und Wirtschaft“ zu Wort, die sich seit Jahren dafür einsetzt, diese Barrieren abzubauen. Sie macht sich dafür stark, mit alternativen Studienprogrammen mehr Fachkräfte und damit auch Frauen für die IT zu gewinnen und durch mehr Weiblichkeit das digitale Verständnis für alle Seiten zu wecken. Ihre erstaunlichen Beweggründe wurden in einer Plauderstunde an der HTW Berlin deutlich.
Frau Dr. Siegeris, Sie haben die IT von der Pike auf gelernt, an der Humboldt Uni studiert, an der TU zur „Korrektheit von Prozessmodellen“ promoviert, in der Digitalwirtschaft gearbeitet und sind heute eine von 12 Informatikprofessorinnen an der HTW in Berlin. Ihr Fachgebiet liegt im Bereich Softwaretechnik: Schwerpunkte sind BPM, Anforderungsanalyse, Changemanagement und Usability – um einmal in der digitalen Sprache zu bleiben! Was können Ihrer Meinung Frauen in der IT besser?
J.S: Zunächst einmal soll das kein männerfeindliches Statement oder Plädoyer für eine weibliche IT-Wirtschaft werden, das möchte ich ausdrücklich betonen. Aber wie es in vielen anderen Bereichen ist, mit weiblicher Verstärkung ändert sich erfahrungsgemäß die Art der Kommunikation. Und: Die Anforderungen an die Kommunikation der Informatiker sind heute nun einmal enorm groß. Mit mehr Weiblichkeit im Entwicklungsprozess entstehen nicht nur neue Sichtweisen, sondern auch neue Anforderungen. Es geht darum, möglichst verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven in die Prozesse zu integrieren, damit auch die Softwarelösungen eine breitere Klientel ansprechen – also verständlicher und einfacher bedienbar werden.
Haben Sie deshalb einen Frauenstudiengang aufgelegt?
J.S: Eigentlich kam der Bedarf aus der Industrie, die mehr Frauen für ihre Teams gewinnen wollten. Unser Frauenstudiengang Informatik und Wirtschaft existiert nun inzwischen seit 2009 mit ungebrochen hoher Nachfrage. Wir haben für die 40 Studienplätze im Schnitt zirka 100 Bewerbungen. Dabei kommt die Hälfte direkt vom Abi, die andere Hälfte sieht dieses Studium als zweite Perspektive. Viele sagen uns bis heute gesagt, hätten wir diesen Studiengang nicht aufgelegt, hätten sie sich nicht der Informatik zugewandt. Ein Grund dafür ist immer wieder, dass die Frauen der Meinung sind, nicht die gleichen Vorkenntnisse zu haben wie die Männer. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Im Übrigen ist die Frauenquote parallel in all unseren 12 Studiengängen an der HTW gestiegen. Dabei kann man beobachten, dass der Frauenanteil ungleich höher ist, wenn ein Anwendungsgebiet dabei ist – was den Wunsch der Frauen nach Anwendbarkeit der IT in der Praxis unterstreicht.
Kann man Sie eine digitale Aufklärerin nennen?
J.S: Warum eigentlich nicht? (lacht) Im Endeffekt geht es mir darum, den Facettenreichtum zu verdeutlichen, Klischees aufzubrechen und die vielen interessanten Berufsbilder aufzuzeigen. Man sitzt nicht nur und programmiert. Die Digitalisierung lebt vor allem auch von dem Willen, diese mitprägen wollen. Es gilt, die „Ehrfurcht“ aus dem vermeintlichen „Hexenwerk Digitalisierung“ rauszunehmen, die Informatik damit natürlich auch in gewissem Maße zu „entzaubern“. Informatik muss für die Anwender da sein, nicht umgekehrt. Das ist auch das, was ich meinen Studentinnen immer wieder vermittle. Mit einem gewissen Selbstverständnis und Pragmatismus an die Dinge heran zu gehen, bei dem das Hinterfragen der oft sehr technischen Fachsprache ausdrücklich erlaubt ist und damit verbunden auch die Klärung, ob ein System unbedingt so und nicht anders sein muss. Und genau dieses Selbstbewusstsein sollte man auch den Nutzern klar machen, denn diese sind nun mal der direkte Praxisbezug. Und schon sind wir in einer Kommunikation, wie wir sie brauchen – auf Augenhöhe und zum Nutzen aller. Übrigens können wir in dieser Beziehung vieles von jungen Start-ups lernen, die mit unkonventioneller Spielfreude an ein Thema herangehen und die Nutzerfreundlichkeit in den Vordergrund stellen. Durch die entstehenden Anwendungen werden dann mitunter etablierte Systeme auf einmal abgehängt.
Warum gibt es Ihrer Meinung noch immer solche Berührungsängste? Man hat mitunter sogar den Eindruck, dass diese wieder größer werden und die Kluft zwischen Anbietern und Anwendern größer wird, weil Systeme gar nicht mehr zu überblicken sind?
J.S: Das ist genau der Punkt, bei den Funktionalitäten sind wir in der IT top, aber in der Anwendung und Kommunikation ist vieles noch unbefriedigend. Durch die wachsende Komplexität der Systeme hinkt die Bedienbarkeit hinterher. Hier müssen wir ansetzen, um die Barrieren zwischen den „zwei Welten“, die schon längst eine geworden ist, abzubauen. Vielen ist gar nicht klar, dass das, was man täglich so macht, auch Informatik ist. Nehmen Sie so einfache Dinge wie das Einkaufen im Internet, die Einparkunterstützung beim Autofahren und die Steuerung von Rollläden oder der Heizung über das Smartphone vom Urlaub aus – all das beruht auf digitalen Lösungen. Jeder nutzt heute mit einer schönen Selbstverständlichkeit das Smartphone, weiß über die neuesten Apps Bescheid, programmiert seinen neuen Fernseher…. Und wenn man sich das einmal mehr klar macht, bestreitet keiner mehr, dass wir alle zusammen mehr oder weniger bereits auch im Alltag Informatiker sind. Und gerade deshalb sollte es uns doch gelingen, das Verständnis füreinander zu wecken, denn hinter jeder digitalen Lösung stehen zuallererst Menschen. Und das geht nun einmal nur über eine klare Sprache und höchste Benutzerfreundlichkeit. Die IT muss auch dabei wieder eine Vorbildrolle einnehmen und sich auf ihr Gegenüber einstellen. Mit dem leidigen Buzzwording wird es nicht besser – das ist längst kein Zeichen für Kompetenz mehr und vergrößert den Graben nur. Zu erwarten, dass der Anwender selbst für die Anwendung ein abgeschlossenes IT-Studium braucht, ist grundfalsch. Einfache Erklärungen sind an der Tagesordnung, egal ob es sich dabei um Privat- oder Unternehmensanwender handelt, sie müssen mitgenommen werden.
Wie digital sind Sie selbst?
J.S: Ich glaube, nicht mehr als jeder andere auch. Die Digitalisierung erlaubt mir natürlich auch eine große Flexibilität im Job, die ich gern nutze. Ich kann meine Vorlesungsvorbereitungen von überall erledigen, dazu muss ich heute nicht unbedingt am Schreibtisch sitzen. Unser digitales Leben macht es möglich.
Übrigens habe ich mich heute Morgen gerade selbst wieder über meinen Berufsstand geärgert: Als ich meine Waschmaschine nämlich nicht öffnen konnte, weil die Nachlegefunktion völlig unpraktisch gelöst wurde. Da denke ich mir, der Typ, der die Waschmaschine und diese Funktion entwickelt hat, hat noch nie eine Waschmaschine selbst bedienen müssen… In solchen Situationen erlebe ich so etwas dann selbst und denke mir, was nützt es, wenn meine Waschmaschine auch Bügeln kann, aber so einfache praktische Dinge nicht mehr gewohnt funktionieren. Da hört bei mir das Verständnis auf – man muss die Welt nicht komplizierter machen. Ansonsten lebe ich auch das analoge Leben ganz bewusst. Ich lese viel – Bücher aus Papier, da bin ich ganz traditionell, treibe Sport in der freien Natur, liebe die Zeit mit meinen beiden Kindern.
Gibt es so etwas wie eine Botschaft, die sich jeder vor Augen halten sollte?
J.S: Ja. Die digitale Welt ist nur so schön, wie wir sie selbst gestalten.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Über Gesichter der IT des SIBB e.V.
Über den IT“Branchenverband SIBB e.V.
Informations- und Telekommunikationstechnologien der Hauptstadtregion sind inzwischen eine branchenübergreifende Schlüsselindustrie. Im Fokus der Öffentlichkeit standen bisher Lösungen, Dienstleistungen und Services. Der SIBB e.V. als Branchenverband der IT-Wirtschaft in Berlin und Brandenburg stellt mit der Serie „Gesichter der IT in der Hauptstadtregion“ die Menschen hinter den Dienstleistungen und Lösungen vor. Persönlichkeiten, die mit ihrer Arbeit heute alle Wirtschaftsbereiche, aber auch den privaten Bereich, direkt beeinflussen und Herausragendes leisten: „Die IT- und Softwarewelt ist längst nicht so abstrakt wie viele noch immer glauben. Dahinter stehen Charaktere mit den unterschiedlichsten Geschichten, die eines eint: Prozesse, Vorgänge und Abläufe zu optimieren, zu vereinfachen und Datensicherheit zu schaffen, “ so René Ebert, Geschäftsführer des Verbandes. „Diese zu erzählen, Ansichten und Motivationen einer Tätigkeit in der IT-Wirtschaft darzustellen, soll das Verständnis für die IT-Arbeitswelt wecken und andere motivieren, selbst eine berufliche Perspektive in dieser Zukunftsbranche zu suchen.“
1992 gründeten engagierte Unternehmer den Verband als Software-Initiative Berlin Brandenburg. Heute ist der SIBB e.V. etablierter Partner der gesamten Branche in der Hauptstadtregion und Mitgestalter der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Er ist Interessenverband für Unternehmen der IT- und Internetwirtschaft in Berlin und Brandenburg. Der SIBB e.V. vernetzt die Akteure der Branche und vertritt ihre Interessen in Politik und Gesellschaft. Der Verband sorgt für einen aktiven Austausch über die Branchengrenzen hinaus. Zahlreiche Veranstaltungen des Verbands fördern Austausch, Kooperation und Wissenszuwachs. Zum regelmäßigen Angebot gehören Foren, Netzwerke, Stammtische und kompakte Seminare. SIBB-Kongresse und Messeauftritte bilden Höhepunkte des Jahres. Zu den Mitgliedsunternehmen gehören IT-Dienstleister und Software-Anbieter, Telekommunikationsunternehmen, Unternehmen der digitalen Wirtschaft sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Etablierte Institutionen und namhafte Unternehmen finden sich ebenso darunter wie Startups.
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