Eigenbedarfskündigung: Gerichtliche Überprüfung – nicht zu rechtfertigende Härte & Einwände des Vermieters

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Eigenbedarfskündigung: Das Gericht muss den Einwänden des Vermieters gegen die vom Mieter zur Begründung einer nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 BGB vorgetragenen Umstände umfassend nachgehen. Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin, Essen, zum Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, Beschluss vom 18.06.14,153/13

Die Ausgangslage:

Der Mieter kann sich gegen eine Eigenbedarfskündigung unter anderem auch damit verteidigen, dass die Beendigung des Mietverhältnisses zu einer nicht zu rechtfertigenden Härte für ihn führen würde. Dies führt dann entweder zur Gewährung einer großzügigen Räumungsfrist oder sogar zur Abweisung der Räumungsklage. In der Praxis beobachte ich immer wieder einen etwas lockeren Umgang der Gerichte mit der Prüfung der Voraussetzungen der Eigenbedarfskündigung. Da hier auf beiden Seiten (Vermieter: grundrechtlich garantierter Schutz des Eigentums und Mieter: grundrechtsgleiches Recht an der Wohnung) Grundrechte betroffen sind, können sich sowohl Vermieter, als auch Mieter unter Umständen sogar mit einer Verfassungsbeschwerde gegen sie benachteiligende Entscheidungen wehren, wenn der übrige Rechtsweg ausgeschöpft ist.

Der Fall:

Mutter und Sohn hatten einer Mieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt, weil sie neben der bereits genutzten im Vorderhaus in Berlin Kreuzberg gelegenen Wohnung auch die im Seitenflügel befindliche Wohnung der Mieterin nutzen wollten. Beide Wohnungen sollten verbunden werden, damit die Mutter mit dem Vater des Sohnes, ihrem Lebensgefährten und dem Sohn gemeinsam in der Wohnung wohnen könne. Die Mieterin lehnte den Auszug ab und berief sich auf eine nicht zu rechtfertigende Härte im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses. Sie sei knapp 80 Jahre alt, habe in der Wohnung ihren Lebensmittelpunkt, lebe seit 1968 in Kreuzberg und sei in der Gegend und Nachbarschaft verwurzelt. Darüber hinaus bestünden Bedenken, ob ihr Gesundheitszustand einen Umzug erlaube. Auch sei die Vermieterin gar nicht auf die zusätzliche Wohnung angewiesen, da ihre Wohnung bereits groß genug sei. Schließlich könne auch kein Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen beschafft werden.

Das Amtsgericht folgte der Mieterin in ihrer Argumentation und wies die Räumungsklage der Vermieterin ab. Das Landgericht Berlin bestätigte die Entscheidung im Wesentlichen. Dagegen erhob die Vermieterin Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof Berlin.

Die aktuelle Entscheidung Verfassungsgerichtshofs Berlin:

Das Urteil des Landgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Eigentum aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 VvB (Verfassung von Berlin).

Das Gericht stellt zunächst einmal sehr übersichtlich den Prüfungsmaßstab da:

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist das Eigentumsrecht. Das durch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 VvB gewährleistete Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein. Die grundrechtliche Eigentumsverbürgung umfasst deshalb auch die Befugnis, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen. Mit der Vermietung begibt sich der Eigentümer nicht endgültig dieser Befugnis. Das haben die Zivilgerichte zu berücksichtigen, wenn sie in Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB über eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung zu urteilen haben. Sie müssen die Entscheidung des Eigentümers über seinen Wohnbedarf grundsätzlich achten, denn es unterliegt der alleinigen, sich aus dem Eigentumsgrundrecht ergebenden Befugnis des Vermieters zu bestimmen, welchen Wohnbedarf er für sich und seine Angehörigen als angemessen ansieht.

Art. 23 Abs. 1 Satz 1 VvB schließt allerdings Beschränkungen des Kündigungsrechts, wie sie die Regelung in § 574 BGB vorsieht, nicht aus. Diese Beschränkungen tragen dem Umstand Rechnung, dass neben dem Eigentum des Vermieters auch das Besitzrecht des Mieters den Schutz des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 VvB genießt. Bei der Auslegung und Anwendung der genannten mietrechtlichen Vorschriften sind deshalb von den Zivilgerichten neben den Belangen des Vermieters, seinem Erlangungsinteresse, auch die Belange des Mieters, sein Bestandsinteresse, angemessen zu berücksichtigen, die beiderseitigen Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.

Diese Bedeutung der Eigentumsgarantie wird auch dann verkannt, wenn das jeweilige Fachgericht den im Prozess erhobenen Einwänden des Vermieters gegen die vom Mieter zur Begründung einer nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 BGB vorgetragenen Umstände nicht ausreichend nachgeht.

Auch insoweit unterscheidet sich der Eigentumsschutz des Vermieters in seiner Struktur nicht von demjenigen des Mieters. Ebenso wie das Fachgericht sämtlichen vom Mieter dargelegten Zweifeln an der Ernsthaftigkeit des Selbstnutzungswunsches des Eigentümers nachzugehen hat, gebieten es die Interessen des Eigentümers, erheblichen Vortrag gegen die vom darlegungs- und beweisbelasteten Mieter zur Begründung einer ungerechtfertigten Härte vorgebrachten Umstände zu berücksichtigen und erforderlichenfalls im Wege der Beweisaufnahme. Feststellungen darüber zu treffen, welche konkreten Nachteile dem Mieter tatsächlich erwachsen würden und deshalb seine Interessen bei der gebotenen Abwägung gegenüber dem Erlangungsinteresse des Eigentümers vorrangig erscheinen lassen.

Der Verfassungsgerichtshof Berlin sah diese verfassungsrechtlichen Anforderungen als verletzt an.

Das Landgericht habe zu Begründung der besonderen Härte zu Gunsten der Mieterin für die Unzumutbarkeit eines Umzugs für die Mieterin allein auf ihr Alter und die daher zu vermutenden altersgemäße Einschränkungen der Gesundheit und Fähigkeiten abgestellt. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde ebenso wie die weitere Aufklärung unterlassen.

Mit dieser Begründung hat der Verfassungsgerichtshof Berlin das Urteil des Landgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Diese Entscheidung können Sie zu Argumentation im Räumungsprozess wegen Eigenbedarfskündigung gut benutzen. In der Praxis sind die Gerichte allerdings ohnehin nach meiner Erfahrung sehr zögerlich in der Annahme entsprechender Härten. Im vorliegenden Fall lag dies vermutlich allein am fortgeschrittenen Alter der Mieterin. Wichtig ist, so hat der Fall gezeigt, dass die Angaben des Mieters ausreichend bestritten werden.

Fachanwaltstipp Mieter:

In seiner Entscheidung betonte der Verfassungsgerichtshof auch noch einmal ausdrücklich, dass die Instanzgerichte auch die Angaben des Vermieters zum Eigenbedarf umfassend zu überprüfen haben. Auch hier ist es wichtig, dass Mieter entsprechende Angaben ausreichend und detailliert bestreiten. In der Praxis erlebe ich immer wieder, dass es sich die Gerichte mit der Überprüfung der Gründe für den Eigenbedarf zu einfach machen. Das betrifft insbesondere die Plausibilität der vorgebrachten Gründe. Gerade dann, wenn es sich insoweit um schwer überprüfbare Willensentscheidung des Vermieters handelt, sind an die Plausibilität hohe Anforderungen zu stellen.

Quelle:

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 18. Juni 2014 – 153/13 -, juris)
vorgehend LG Berlin, 6. September 2013, Az: 65 S 96/13, Urteil
vorgehend AG Tempelhof-Kreuzberg, 31. Januar 2013, Az: 14 C 285/12, Urteil

Ein Beitrag von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

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