?Ein zwangsverheiratetes Mädchen wird nie ein eigenes Leben haben

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?Ein zwangsverheiratetes Mädchen wird nie ein eigenes Leben haben

(Mynewsdesk) Interview mit der iranischen Regisseurin Rokhsareh Ghaem Maghami, deren Dokumentarfilm SONITA den SOS-Dokumentarfilmpreis gewonnen hat

Was denken Sie als Iranerin über Kinder-Ehen und Brautverkäufe in Ihrem Nachbarland Afghanistan?

Es ist eine Zeitreise. In Afghanistan ist es heute so wie im Iran vor 100 Jahren. Kinder-Ehen waren damals auch im Iran Sitte. In Afghanistan gehören sie bis heute zum Alltag. Mir persönlich tut es weh, zu wissen, dass ein Mädchen mit einem Mann verheiratet wird, den sie nicht kennt. Die Kindheit wird hier mit einem Schlag beendet. Schöne, liebenswerte und talentierte Mädchen wie Sonita werden verkauft, ohne Rücksicht auf ihr wahres Potenzial. Es beginnt ein Eheleben, meist in Armut, geprägt von häuslicher Gewalt und ungewollten Schwangerschaften. Ein zwangsverheiratetes Mädchen wird nie ein eigenes Leben haben.

Sie haben auch Sonitas Familie getroffen. Ihre Mutter besteht auf einer Heirat. Sie benötigt die 9000 Dollar für den Verkauf von Sonita, damit sie einen anderen Sohn eine Braut beschaffen kann. Wie war Ihr Eindruck?

Sonitas Mutter ist nicht besser und nicht schlechter als irgendeine andere Mutter. Sie wurde selbst mit 12 oder 13 an einen wesentlich älteren Mann verkauft. Verkauft zu werden und verheiratet zu sein war alles, was sie erlebt hat. Sie war nie in einer Schule, ist Analphabetin. Für sie ist das normal, sie kennt es nicht anders. Man kann von ihr nicht erwarten, dass sie rebelliert oder sich anders verhält als die Menschen in ihrem Umfeld.

Wie ist die Situation der Flüchtlinge im Iran?

Wir haben drei Millionen afghanische Flüchtlinge im Iran. Die meisten sind illegal da. Die iranische Gesellschaft blickt auf sie herab, diskriminiert sie. Die Mehrheit kommt aus wirtschaftlichen Gründen. Der Handel mit Bräuten stellt ja auch für die Jungen ein Problem dar: sie müssen von Kindesalter an arbeiten, um sich später eine Braut kaufen zu können. Per Gesetz haben illegale Immigranten keine Rechte. Wenn ihnen etwas zustößt, ein Unfall oder sogar ein Todesfall, kümmert sich keiner darum. Bis letztes Jahr durften illegale minderjährige Immigranten nicht einmal in die Schule gehen. Jetzt dürfen afghanische Kinder, die einen Ausweis besitzen, in die Schule gehen. Für die meisten ist das nicht einmal relevant, weil sie arbeiten müssen. Aber immerhin können jetzt einige in die Schule.

Und in Afghanistan?

In Afghanistan wäre Sonitas Chance auf Schulbildung noch geringer als im Iran. Viele Leute in Afghanistan sehen keinen Sinn in der Schule. Selbst wenn Sonita dort eine Schule gefunden hätte, die sie aufnimmt, hätte ihre Mutter das nicht zugelassen, weil sie es nicht für wichtig hält, dass ihre Tochter zur Schule geht.

Sie haben als Filmemacherin stark Einfluss genommen und mit der Zahlung von 2000 Dollar an Sonitas Mutter die Zwangshochzeit erst einmal abgewendet. Wie denken Sie heute darüber?

Ich hatte große Zweifel, ob ich mich selbst so stark einbringen soll. Durch mein Eingreifen habe ich ja zunächst den dramatischen Fortgang der Geschichte unterbrochen. Ich hätte so meine Story verlieren können. Doch glücklicherweise wurde die Geschichte danach nur noch besser.

Die Produktion dauerte drei Jahre. Was waren die schwierigsten Momente bei den Dreharbeiten?

Im Iran dürfen Frauen nicht singen. Also habe ich diesen Film über eine Sängerin, eine Rapperin, offiziell ohne Genehmigung gemacht. Sonita nach Afghanistan zu bringen, barg einige Sicherheitsrisiken. Sie in die USA zu bringen, war eine weitere Schwierigkeit.

Mit Ihrer Hilfe erhielt Sonita in Kabul einen Reisepass und ein Stipendium in den USA. Wie geht es ihr jetzt?

Sonita ist auf einer Highschool in Utah. Dort kämpft sie sich durch. Es ist nicht einfach für sie. Sie war noch nie zuvor auf einer richtigen Schule und jetzt muss sie auch gleich noch Biologie und Mathematik auf Englisch lernen. Sie reist als Aktivistin gegen Kinderhochzeiten durch Amerika und hat Auftritte als Rapperin. Verdientes Geld schickt sie ihrer Mutter nach Hause. Sonita will Jura studieren und Anwältin für Menschenrechte werden.

Was bedeutet es Ihnen, den DOK.fest Preis der SOS-Kinderdörfer weltweit für Ihren Film zu erhalten?

Die SOS-Kinderdörfer weltweit haben sich zum Ziel gesetzt, das Leben von Kindern verbessern. Ich bin sehr stolz, diesen Preis zu erhalten. Er ist sehr wichtig für mich, denn auch ich hoffe, mit meinem Film das Leben von Kindern zu verbessern, indem ich Bewusstsein schaffe für Minderjährige, die zwangsverheiratet werden.

Zum Film:

SONITA (Iran/Deutschland /Schweiz 2015, 91 Min.)

Die 18-jährige Afghanin Sonita ist Rapperin. Sie lebt als Flüchtling ohne Papiere in Teheran/Iran und träumt von einer Zukunft als Hip-Hop-Star. Doch ihre Mutter will sie in Afghanistan verheiraten. Mit ihrem Brautpreis soll die Heirat des älteren Bruders finanziert werden.

Der Film wird derzeit beim DOK.fest in München gezeigt und startet in deutschen Kinos am 12. Mai.

Hörfunk: Ein sendefertiges Interview mit Jurymitglied Heribert Prantl zum prämierten Film SONITA können Radiosender auf der Website von Medienkontor gratis herunterladen: medienkontor-audio.de/beitraege/sos-kinderdoerfer

Diese Pressemitteilung wurde via Mynewsdesk versendet. Weitere Informationen finden Sie im SOS-Kinderdörfer weltweit .

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Die SOS-Kinderdörfer sind eine unabhängige soziale Organisation, die 1949 von Hermann Gmeiner ins Leben gerufen wurde. Seine Idee: Jedes verlassene, Not leidende Kind sollte wieder eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf haben, in dem es wie andere Kinder in Geborgenheit heranwachsen kann. Aus diesen vier Prinzipien ist eine global agierende Organisation entstanden, die sich hauptsächlich aus privaten Spenden finanziert. Sie ist heute mit 550 Kinderdörfern und mehr als 1.800 SOS-Zusatzeinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen, Ausbildungs- und Sozialzentren, Krankenstationen, Nothilfeprojekte und der SOS-Familienhilfe in 133 Ländern aktiv. Weltweit unterstützen die SOS-Kinderdörfer etwa 1,5 Millionen Kinder und deren Angehörige.

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