Selbsthilfeinitiative begrüßt neues Bewusstsein von Ärzten und die veränderten Diagnosekriterien
Lange Zeit hat das Fibromyalgie-Syndrom ein stiefmütterliches Dasein genossen. Es wurde oftmals als Verlegenheitsdiagnose gestellt und selbst im Sozialrecht nur unzureichend ernstgenommen. Doch mittlerweile hat sich ein Mentalitätswechsel eingestellt, meint der Leiter der bundesweit aktiven Selbsthilfeinitiative zu Chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS) und der Fibromyalgie, Dennis Riehle (Konstanz): „Nicht nur, dass die Kriterien für die Feststellung der Erkrankung erweitert und somit nicht mehr vorrangig und allein an den sogenannten ‚Tender Points‘ festgemacht werden. Auch im Versorgungs-, Erwerbsminderungs- sowie Pflegerecht hat das Bewusstsein für Fibromyalgie und ihres mannigfaltigen Symptombildes erheblich nachgelegt. Denn mittlerweile weiß man, dass abseits des namensgebenden Muskel-Faser-Schmerzes eine Vielzahl von begleitenden Funktionsbeeinträchtigungen mit der Erkrankung einhergehen. Das komplette Bild einer zumeist nicht-entzündlichen und nicht-rheumatischen Weichteilerkrankung, die gerade Sehnenansätze und die Verläufe der Muskelfasern betrifft und als eine generalisierte Problematik der Schmerzverarbeitung auch autonome Störungen des Gastrointestinaltraktes und der Herz-Kreislauf-Aktivität mit sich bringt, muss demnach interdisziplinär betrachtet werden – auch wenn weiterhin Orthopäden und Ärzte für Rehabilitative Medizin, Internisten und Psychotherapeuten besondere Verantwortung zukommt“, erklärt der 38-jährige Sozialberater.
Riehle ist seit 2014 selbst betroffen und hat mittlerweile mehrere hundert Gleichgesinnte unterstützt: „Gleichsam darf man die seelische Komponente der Erkrankung nicht vergessen, auch wenn sich eindeutig nicht um eine Somatisierungsstörung handelt, wie vielfach falsch behauptet und dargestellt wird. Aber jede körperliche Erkrankung hat eine psychische Wechselwirkung. Denn allein die Anpassung an das chronische Leiden ist eine Herausforderung. Und nicht zuletzt ist Stress ein ganz wesentlicher Katalysator für die Beschwerden, sodass es einer Bewältigungsstrategie bedarf, die den Betroffenen mit den neuen Grenzen vertraut macht und ihm eine mentale Stärke verschafft. Gleichsam geht mit der Fibromyalgie meist eine ganz erhebliche Mattigkeit und Müdigkeit einher, die das Ausmaß einer Fatigue erreichen und somit zu einer Belastungsintoleranz führen kann. Gerade deshalb werden viele Betroffene auch zumindest teilweise berufsunfähig oder müssen eine Behinderteneigenschaft feststellen lassen. Bei schweren Verläufen kommen auch Pflegeleistungen, Eingliederungshilfe und Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz notwendig“, so der Psychologische Berater vom Bodensee, der auch im Sozialrecht zertifiziert ist. „Insofern ist eine wesentliche Aufgabe unserer Selbsthilfeinitiative auch, über diese Ansprüche im Allgemeinen aufzuklären und Patienten zu mündigen Bürgern zu machen, die um Möglichkeiten der Unterstützung wissen und sich somit entsprechende Teilhabe verschaffen“.
Die Beratung der Selbsthilfeinitiative ist überregional kostenlos unter www.selbsthilfe-riehle.de erreichbar.