Elektro-LKW: Warum lange laden, statt schnell zu wechseln?

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Im BMWi-Technologieprogramm IKT für Elektromobilität erprobt das Projekt „RouteCharge“ den Batteriewechsel bei schweren LKW

Elektro-LKW: Warum lange laden, statt schnell zu wechseln?
Der Gabelstapler wechselt innerhalb von 15 Minuten die beiden Batterien des 19-Tonner-E-LKW. (Bildquelle: Meyer & Meyer)

Im Projekt „RouteCharge“, das im Rahmen des BMWi-Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“ 2017 gestartet ist, geht es in diesem Frühjahr in die Testphase: Der Elektro-LKW der internationalen Mode-Spedition Meyer & Meyer aus Osnabrück ist seit 2019 im Einsatz auf der Straße, die Wechselstationen sind vorbereitet, ein virtuelles Kraftwerk steht bereit und die Zulassungen samt LKW-Hängerbetrieb sind erteilt. Die Erwartungen sind hoch: Auf der Pilotstrecke zwischen Peine -Burg – Berlin und retour rechnen die Entwickler bei etwa 500 Streckenkilometern mit einer jährlichen Einsparung von etwa 3,4 Tonnen CO2. Die Batteriewechselzeit beträgt weniger als 15 Minuten – und ist damit optimal tauglich für einen 24/7- Speditionsbetrieb.

Während andere Experten noch über Vor- und Nachteile von rein elektrisch oder Wasserstoff-betriebenen Systemen bei schweren LKW diskutieren, haben sich die Projektpartner von RouteCharge schon auf den Weg gemacht und sämtliche Hürden, die ein Batteriewechselsystem mit sich bringt, hinter sich gelassen. Zunächst musste ein Elektro-LKW konzipiert und gebaut werden, der sowohl ein AC-, ein DC- als auch ein Laden mit Wechselbatterien ermöglicht. Die Thüringer LKW-Werkstatt Framo hat diesen LKW mit allen Spezifikationen als Prototyp gebaut – und den 19-Tonner samt Anhänger bei der DEKRA zugelassen. Die zweiteilige Batterie wiegt insgesamt 4000 Kilo, die Reichweite beträgt mehr als 200 Kilometer.

Ebenfalls startbereit sind die drei Batteriewechselstationen an der Route von Peine über Burg nach Berlin, in denen die Batterien schonend aufgeladen werden und – mittels Dispositionssoftware – jeweils rechtzeitig zum Wechsel vollgeladen sind. Die beiden je 2000 Kilo schweren Batterien werden mit einem Gabelstapler in weniger als 15 Minuten vom Laderegal zum LKW befördert und sicher an den LKW-Flanken angebracht. Die Batteriewechselstationen sind zudem in ein Virtuelles Kraftwerk integriert und dienen damit als Energiespeichersystem – können also Strom bereitstellen, um das Stromnetz zu stabilisieren. Betreiber dieses Virtuellen Kraftwerks ist der Energieversorger WEMAG AG in Schwerin.

Erreicht der Elektro-LKW im Verteilzentrum des Berliner Westhafens sein Ziel, so werden von dort die Kunden beliefert. Dies geschieht schon seit geraumer Zeit – ebenfalls mit Elektro-LKW. Der Mittelstrecken-Elektro-LKW erhält dort frische Batterien und geht sogleich wieder auf die Rückfahrt. So ist ein 24/7-Betrieb gewährleistet, der für das Speditionsgeschäft dringend erforderlich ist. RouteCharge ist mit diesem Funktionsumfang bei Elektro-LKW auf mittleren Strecken bundesweit führend.

Das Osnabrücker Familienunternehmen Meyer & Meyer ist ein Spezialist für Modelogistik in Europa. Das Unternehmen unterstützt seine Kunden von der Rohwaren- und Produktionslogistik über die Lagerung, Aufbereitung und Qualitätssicherung bis zur verkaufsfertigen Distribution der Waren in den Einzelhandel oder an den Endkunden. Meyer & Meyer steuert und verknüpft Wertschöpfungsketten mit modernen IT-Technologien. Im In- und Ausland hat Meyer & Meyer 1.800 Beschäftigte.

„Kein Spielraum für Experimente in der wettbewerbsintensiven Logistikbranche“
„Hersteller von Nutzfahrzeugen müssen den Anfang machen“, so Rolf Meyer, einer der Teilhaber von Meyer & Meyer, „indem sie zuverlässige und günstigere E-Lkws anbieten. Wenn die Hersteller zusätzlich eine funktionierende Batteriewechselinfrastruktur aufbauen würden, werden Speditionen das Angebot sicherlich annehmen. Kleine und mittelständische Logistikdienstleister werden den Schritt zur Elektromobilität erst wagen, wenn sich Elektro-LKW als wirtschaftliche und zuverlässige Alternative zum Diesel bewiesen haben. Im wettbewerbsintensiven Transportmarkt gibt es keinen Spielraum für Experimente!“

Zum Konsortium von RouteCharge gehören neben der Spedition Meyer & Meyer außerdem das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, die TU Berlin mit dem Fachbereich Logistik, das DAI-Labor Berlin und die WEMAG AG aus Schwerin. Konsortialführer ist das Meyer & Meyer-Unternehmen MC Management GmbH.

„Mit unserem innovativen Tauschsystem überwinden wir eine der großen Schwächen herkömmlicher E-LKW: Mit dem Akkuwechsel sind Touren von bis zu 500 km möglich. Die Spedition Meyer & Meyer kann so erstmals mit einem elektrisch betriebenen Fahrzeug mittlere Distanzen in der Filialbelieferung realisieren – und zwar im 24/7-Betrieb rund um die Uhr“, sagt Bijan Abdolrahimi von MC Management.

Neue Logistik-Lösungen mit „Dual Use-Betrieb“
Die größten Herausforderungen bei der Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge (NFZ) im Wirtschaftsverkehr bestehen – im Vergleich zum Verbrennungsmotor – in der eingeschränkten Reichweite, in den langen Ladezeiten und in deutlich höheren Kosten bei Fahrzeugen und in der Ladeinfrastruktur. Daher hat das RouteCharge-Konsortium das Batteriewechselkonzept für Nutzfahrzeuge in Verbindung mit einem Zweitnutzen konzipiert.

„Logistik-Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle flexibel gestalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt Dr. Clemens Haskamp, der als Geschäftsführer der MC Management GmbH das Projekt „RouteCharge“ leitet. „Welche praktikablen Geschäftsmodelle sich durchsetzen, um Transportdienstleister zum Kauf von Elektro-LKW zu bewegen wird die Zukunft zeigen. Derzeit sind diese einfach zu teuer in der Anschaffung, noch nicht als echtes Serienmodell verfügbar und nur in einem eingeschränkten Radius mobil. Damit Elektro-LKW tatsächlich wettbewerbsfähig gegenüber Diesel-LKW werden können, müssen die Anschaffungskosten reduziert und die Einsatzradien und Einsatzzeiten verlängert werden.“

Bei Elektro-LKW mit Wechselbatteriesystemen wären Leasingmodelle vorstellbar, um hohe Anfangsinvestitionskosten zu vermeiden. Im Hinblick auf die Lebensdauer und die Reichweite von fest eingebauten Batterien spricht ebenfalls Einiges für ein Wechselbatteriesystem. Der Betreiber einer Wechselbatteriestation könnte den Transportdienstleistern beispielsweise die Batterien variabel zu Kilometersätzen zur Verfügung stellen und während der Ladezeiten für weitere Zwecke – wie etwa Regelenergie – vermarkten.

Weitere Informationen zu „IKT für Elektromobilität“: www.digitale-technologien.de

Im Technologieprogramm „IKT für Elektromobilität“: Einbindung von gewerblichen Elektrofahrzeugen in Logistik-, Energie und Mobilitätsinfrastrukturen“ fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) von 2016 – 2022 derzeit 21 Pilotprojekte mit ganzheitlichen Lösungskonzepten und beispielhaften Systemlösungen, die Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle integrativ berücksichtigen.

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