1. Mir wird Fahrerflucht vorgeworfen – Wie kann ich mich verteidigen?
Die Fahrerflucht ist ein sehr umfassender Vorwurf. Dieser kann strafrechtliche, führerscheinrechtliche und versicherungsrechtliche Folgen haben. Nehmen Sie den Vorwurf deshalb nicht auf die leichte Schulter.
Äußern Sie sich nicht vorschnell und suchen Sie unverzüglich einen versicherten Fachanwalt für Verkehrsrecht auf. Dieser kann für Sie eine milde Strafe oder sogar Straffreiheit erreichen.
2. Wie sollte ich mich bei einer polizeilichen Befragung verhalten?
Dies ist eine sehr wichtige Frage! Nennen Sie bei einer polizeilichen Befragung lediglich Ihren Namen und Ihre Adresse. Händigen Sie auf Verlangen der Polizei auch Ihre Fahrzeugpapiere aus.
Sie sind nicht verpflichtet, Ihr Fahrzeug der Polizei vorzuführen.
Äußern Sie sich keinesfalls zum Vorwurf der Fahrerflucht. Sagen Sie nichts bei der noch offenen Frage nach dem Fahrer oder des Bemerkens eines Unfalls. Lassen Sie sich nicht von der Polizei verunsichern.
Eine Aussage vor der Polizei führt schnell zu Widersprüchen oder wird nicht im korrekten Wortlaut notiert.
Hierauf haben Sie nur durch ein Schweigen Einfluss. Dies kann nicht gegen Sie verwandt werden. Äußern können Sie sich immer noch später, nach Akteneinsicht durch einen Rechtsanwalt.
3. Wie fülle ich einen Zeugenfragebogen richtig aus?
Der Zeuge kann sich nicht wie der Beschuldigte auf ein Schweigerecht berufen. Allenfalls könnte der Zeugenfragebogen einfach nicht zurückgeschickt werden und darauf spekuliert werden, dass die Nachfrage nach dem Zeugenfragebogen in Vergessenheit gerät. Dem ist aber meist nicht so.
Hintergrund des Zeugenfragebogens ist meist eine sogenannte Kennzeichenanzeige eines Dritten. Dies kann zum Beispiel ein Beobachter eines Parkremplers aus einem an die Straße grenzenden Hauses sein. Der Dritte meldet – falls er den Fahrer nicht persönlich kennt – in der Regel nur das Kennzeichen des Fahrzeuges.
Ob der Dritte allerdings den Fahrer tatsächlich identifizieren kann, ist oft fraglich. Das hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab:
– Die Entfernung vom Unfallort
– Die Lichtverhältnisse
– Die Beobachtungsgabe und -fähigkeit des Dritten
– Die Erinnerungsfähigkeit des Beobachters bei einer Schilderung lange nach dem Tatgeschehen
und viele andere Unsicherheiten
– Deshalb ist es aus taktischen Erwägungen oft unklug, vorschnell die Fahrereigenschaft einzuräumen und der Ermittlungsbehörde so den noch nicht feststehenden Fahrer zu „liefern“.
Ein Kardinalfehler ist es auch, sich sofort damit vermeintlich zu entlasten, man habe den Unfall nicht bemerkt. Sollte dem nicht geglaubt werden und der Fahrer vorher nicht bekannt gewesen sein, hat man sich selbst unnötig „ans Messer geliefert“.
Hingegen kann die Äußerung, sich nicht mehr daran zu erinnern, wer zum Tatzeitpunkt gefahren ist, oft nicht widerlegt werden. Jedenfalls sollte sich keinesfalls vorschnell unter dem Druck des mit Rücksendefrist versehenen Zeugenfragebogens geäußert werden, sondern Hilfe durch einen Verkehrsrechtsanwalt in Anspruch genommen werden.
Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass die oben angestellten Überlegungen zur Verhaltensweise beim Verdacht der Fahrerflucht ein völlig legitimes Verteidigungsverhalten sind.
Gehen Sie aber nicht hin und benennen einen konkreten Dritten, der angeblich gefahren ist. Dies kann zusätzlich zu einem Strafverfahren wegen falscher Verdächtigung führen.
4. Kann das Verfahren wegen Fahrerflucht eingestellt werden?
Viele der Fahrerfluchten, die wir verteidigen, enden mit einer Einstellung des Verfahrens aufgrund eines Freispruchs (§ 170 Abs. 2 StPO), einer Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO) oder einer Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage (§ 153 a StPO).
Ob eine Einstellung erreicht werden kann, offenbart sich erst nach Einsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte. Entscheidend ist die sich aus der Akte ergebende Beweislage:
– Wurde der Fahrer erkannt?
– Kann dem Fahrer die Schadensverursachung nachgewiesen werden?
– Steht ein Bemerken des Unfallgeschehens durch den Flüchtigen fest?
– Wie hoch ist der Schaden am anderen Fahrzeug?
– Wurde der Schaden inzwischen durch den Schädiger oder dessen Versicherung ausgeglichen?
– Ist der Täter bereits strafrechtlich oder punkterechtlich in Erscheinung getreten?
Mit einem prägnanten Schriftsatz an die Ermittlungsbehörde (sogenannte Einlassung) oder oft auch nach telefonischer Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft können wir diese häufig zu einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens bewegen und so auch die Fahrerlaubnis „retten“.
5. Wie hoch ist die Strafe bei Fahrerflucht?
Die Strafe bei Fahrerflucht: Die Höhe der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe und die Verhängung von Führerscheinmaßnahmen (Fahrverbot oder Entzug der Fahrerlaubnis) hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab:
– Ist der Fahrer/die Fahrerin schon straf- oder punkterechtlich in Erscheinung getreten?
– Liegt insbesondere in der Vergangenheit eine aus dem Bundeszentralregister ersichtliche Verurteilung wegen Fahrflucht vor?
– Ist der/die Täter(in) noch als Heranwachsende(r) (bis zum 21. Lebensjahr) zu behandeln?
– Wie hoch ist der Schaden am anderen Fahrzeug? (Wichtig: Ab einer Schadenshöhe von ca. 1.300,00 EUR droht der Entzug der Fahrerlaubnis von mindestens 6 Monaten!)
– Wurde der Schaden bereits ausgeglichen?
– Sieht sich der/die Beschuldigte bereits Regressansprüchen der eigenen KFZ Haftpflichtversicherung ausgesetzt?
– Wie hat sich der/die Beschuldigte nach dem Unfallereignis verhalten?
– Ist der/die Beschuldigte auf den Führerschein gesundheitlich/beruflich angewiesen?
– Wurde der Führerschein bereits unmittelbar nach dem Unfallereignis eingezogen?
6. Was passiert, wenn ich die Fahrerflucht nicht bemerkt habe?
Wer behauptet, den Unfall nicht bemerkt zu haben, äußert damit juristisch, dass kein Vorsatz bezüglich einer Fahrerflucht vorlag. Sollten die Ermittlungsbehörde oder das Gericht dem Glauben schenken, ist das Ermittlungsverfahren einzustellen bzw. der/die Beschuldigte vor Gericht freizusprechen.
Fahrlässigkeit ist hingegen nicht strafbar. Oft wird jedoch die Aussage, den Unfall nicht bemerkt zu haben, kritisch und als Schutzbehauptung angesehen.
Geprüft wird dann, ob der/die Beschuldigte den Unfall durch seine Sinne bemerken musste: „Visuelle, akustische und taktile Wahrnehmbarkeit“.
Dies kann letztlich auch durch ein Sachverständigengutachten vor Gericht geklärt werden.
Aufgabe des Strafverteidigers ist es oft, schon vor einer möglichen Verhandlung im Ermittlungsverfahren Zweifel am Vorsatz des Beschuldigten zu nähren, um eine Einstellung des Verfahrens zu erwirken.
7. Wer ist bei einer Fahrerflucht verantwortlich – der Fahrer oder der Fahrzeughalter?
Der Vorwurf der Fahrerflucht wird juristisch korrekt „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ genannt und ist in § 142 Strafgesetzbuch normiert. Im Volksmund wird das unerlaubte Entfernen vom Unfallort oft Unfallflucht oder Fahrerflucht genannt.
Die Bezeichnung Fahrerflucht drückt sehr gut aus, dass es für die Ermittlungsbehörden entscheidend ist, den flüchtigen Fahrer zu finden und diesem die Tat nachzuweisen. Es reicht dagegen nicht, nur zu wissen, wer der Halter des Fahrzeugs ist.
Deshalb sollte aus Sicht des Beschuldigten nicht vorschnell die Fahrereigenschaft eingeräumt werden. Insbesondere sollte bedacht werden, dass die Äußerung, den Unfall nicht bemerkt zu haben, gleichzeitig einräumt, der/die Fahrerin gewesen zu sein.
8. Was bedeutet „Regress der Versicherung“?
Die KFZ-Haftpflichtversicherung wird bei einer Fahrerflucht im Falle einer schuldhaften Schadensverursachung an den Geschädigten im sog. Außenverhältnis Schadensersatz für die Reparatur zahlen.
Danach fordert die Versicherung vom Versicherungsnehmer im sogenannte Innenverhältnis bei einer Fahrerflucht häufig die gezahlte Schadenssumme zurück. Diesen Rückforderungsanspruch bezeichnet man als Regress.
Nach den Versicherungsbedingungen trifft den Versicherungsnehmer bzw. den Fahrer des verunfallten Fahrzeugs die Pflicht, sich nicht unerlaubt vom Unfallort zu entfernen. Aus der Verletzung dieser Obliegenheit leitet die Versicherung ihren Regressanspruch ab. Der Höchstbetrag für den möglichen Regress beträgt 2.500,00 EUR. Kommt eine weitere Obliegenheitsverletzung, wie eine Alkoholfahrt, hinzu erhöht sich der Regressanspruch auf 5.000,00 EUR.
Suchen Sie bei einem Anschreiben der Versicherung, in dem diese einen Regress geltend macht, einen versierten Rechtsanwalt auf und äußern Sie sich vorher nicht.
9. Kann ich Fahrerflucht nachträglich anzeigen?
Nach § 142 Abs. 4 StGB mildert das Gericht die Strafe oder kann von einer Strafe absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich einen nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die notwendigen Feststellungen (Beteiligung an einem Unfallereignis, Anschrift und Aufenthalt des Flüchtigen, Kennzeichen und Standort seines Fahrzeugs) nachträglich ermöglicht.
Dies bezeichnet das Gesetz als „Tätige Reue“. In der Praxis kommt diese Vorschrift allerdings selten zur Anwendung. Die Voraussetzung des Unfalls außerhalb des fließenden Verkehrs liegt nur beim „Parkrempler“ vor. Außerdem darf nur ein nicht bedeutender Fremdschaden vorgelegen haben, um in den Genuss der Strafaufhebung / Strafmilderung zu kommen.
Die Grenze zieht die Rechtsprechung bei ca. 1.300,00 EUR. Schließlich beträgt die Frist für die nachträgliche freiwillige Ermöglichung der Feststellung 24 Stunden vom Zeitpunkt des Unfalls an („absolute Ausschlussfrist“).
10. Was passiert, wenn ich Alkohol getrunken und Fahrerflucht begangen habe?
Oft wird sich vom Unfallort entfernt, um die eigentliche Alkoholfahrt (mit anschließendem Unfall) zu verdecken. Sollte diese Alkoholfahrt ebenfalls nachgewiesen werden können, bedeutet dies eine weitere Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) oder Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB).
Letztlich kommt es dadurch zu einem höheren Strafmaß. Außerdem können sich zusätzlich auch ab bestimmter Promillegrenzen Probleme mit der Führerscheinstelle wegen angeblich mangelhaftem Trennungsverhalten zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr ergeben.
Dies führt dann zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung („MPU“/ „Idiotentest“) oder eines Abstinenznachweises. Schließlich ergeben sich weitere Probleme bei einem Regress des eigenen KFZ-Haftpflichtversicherers (Rückforderung des geleisteten Schadensersatzes an den dritten Geschädigten) wegen einer zur Fahrerflucht hinzukommenden weiteren Obliegenheitsverletzung vor dem Unfallereignis. Der Umfang, in dem die Versicherung beim Versicherungsnehmer Regress nehmen kann, steigt auf 5.000,00 EUR.
Haben Sie weitere Fragen zum Thema Fahrerflucht oder benötigen Sie einen Anwalt für Verkehrsrecht? Dann rufen Sie uns an unter 0221 301 403 44 oder schreiben Sie eine E-Mail an erven@kanzlei-erven.de.
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