Für eine Woche Arbeit sieben Wochen Vergütung

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Gericht bejaht Anscheinsbeweis bei kurz nach Anzeige der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochener Kündigung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein bejaht mit Urteil vom 06.02.2014 den Anscheinsbeweis, dass der Arbeitgeber die Kündigung gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen hat, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und der nachfolgend ausgesprochenen Kündigung besteht. Für Rechtsanwalt Dr. Oliver K.-F. Klug, Hauptgeschäftsführer des AGAD Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., ist der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt für den Arbeitgeber doppelt ärgerlich und frustrierend.

„Nach § 3 Abs. 3 EFZG entsteht der 6-wöchige-Entgeltfortzahlungsanspruch erst nach einer 4-wöchigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitnehmerin hatte sich hier nach nur einer Woche Dauer des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgemeldet. Die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung führte infolge der 14-tägigen Kündigungsfrist aber dann zu einem Bestehen des Arbeitsverhältnisses von 4 Wochen und einem Tag. In diesem Fall ist der Arbeitgeber zur 6-wöchigen Entgeltfortzahlung selbst dann verpflichtet, wenn diese über die Kündigungsfrist hinausgeht. Der Arbeitgeber hat hier also für eine Woche Arbeitsleistung insgesamt 7 Wochen Vergütung zu zahlen. Dem hätte er nur durch eine sofortige Kündigung nach der ersten Woche oder durch Vortrag zu einem massiven Pflichtverstoß der Arbeitnehmerin entgehen können“, erklärt der AGAD-Hauptgeschäftsführer.

Geklagt hatte die Krankenkasse gegen einen Arbeitgeber. Die bei der Krankenkasse versicherte Arbeitnehmerin war bei dem Arbeitgeber vom 20.08.2012 bis zum 18.09.2012 als Arbeitnehmerin im Versand beschäftigt. Seit dem 27.08.2012, also nur eine Woche nach Arbeitsaufnahme, war die Arbeitnehmerin fortlaufend arbeitsunfähig krank. Bereits mit Schreiben vom 03.09.2012 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis innerhalb der vereinbarten Probezeit fristgerecht zum 18.09.2012. Der Arbeitgeber leistete keine Entgeltfortzahlung und ließ der Krankenkasse durch sein Steuerberaterbüro bestätigen, dass der Grund für die Verweigerung der Entgeltfortzahlung „Krankheit nach Eintritt innerhalb der ersten 4 Wochen“ gewesen sei.

Die Krankenkasse klagte nun aus übergegangenem Recht das an die Arbeitnehmerin für 40 Krankheitstage gezahlte Krankengeld ein.

Beide Instanzen gaben der Krankenkasse in vollem Umfang Recht. Der Anspruch sei gem. § 115 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EFZG begründet. Der Arbeitgeber sei zur Entgeltfortzahlung – auch über den Beendigungszeitpunkt hinaus – verpflichtet, da er aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit die Kündigung vom 03.09.2012 ausgesprochen habe.

Aufgrund des engen und unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und dem Ausspruch der Kündigung sei der Anscheinsbeweis erbracht, dass die Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgte.
Die Beklagte habe indes nicht bewiesen, dass andere Gründe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten.
Der Begriff „aus Anlass“ der Arbeitsunfähigkeit sei weit auszulegen. Es genüge, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers habe und diese den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gebe. Eine Anlasskündigung sei insbesondere dann zu vermuten, wenn sie in unmittelbarem, zeitlichem Zusammenhang mit dem zeitlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erfolge.

Der Vortrag des Arbeitgebers, Grund für die Kündigung sei die mangelnde Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmerin gewesen, sei nach nur einer Woche Dauer des Arbeitsverhältnisses völlig unwahrscheinlich. Die vereinbarte 6-monatige Probezeit diene der Einarbeitung und der Erprobung des Arbeitnehmers. Ein vernünftiger Arbeitgeber kündige ein Arbeitsverhältnis nach nur einer Woche nur bei gravierenden Pflichtverstößen.
Bildquelle:kein externes Copyright

Über den AGAD
Mit über 600 Mitgliedsunternehmen, die rund 40.000 Mitarbeiter beschäftigen, ist der AGAD Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. der größte Arbeitgeberverband der Branche im Ruhrgebiet. Der Verbandsbereich erstreckt sich von Duisburg über Mülheim, Essen, Oberhausen, Bochum, Dortmund, Hagen und Hamm bis ins Sauerland.

Durch den hohen Spezialisierungsgrad seiner fünf Juristen auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts verfügt der AGAD über eine sehr hohe Beratungskompetenz in allen arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Als Tarifpartner für den Groß- und Außenhandel und die Dienstleister im Verbandsgebiet führt der AGAD Tarifverhandlungen für die Mitglieder der Tariffachgruppe und unterstützt seine Mitglieder beim Abschluss von Firmentarifverträgen. Das Service-Angebot reicht von Beratungsleistungen im Bereich des Beauftragtenwesens und des Datenschutzes über Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen bis hin zu aktuellen Umfragen, mit denen der AGAD interessante Standpunkte, Tendenzen und Stimmungen zu politischen und wirtschaftlichen Themen ermittelt. Darüber hinaus vertritt der AGAD die Mitgliederinteressen in der Öffentlichkeit und in der politischen Diskussion, sei es in den Kommunen, in Düsseldorf oder Berlin.

AGAD Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V.
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