Politikberater erkennt keine Rechtfertigungsgrundlage für Etikettierung durch den Verfassungsschutz
Zu den Spekulationen über ein Gutachten zwecks Einstufung der gesamten AfD als „gesichert rechtsextrem“ kommentiert der Konstanzer Politikberater und Journalist in einer Stellungnahme wie folgt:
Es gab Zeiten, in denen sich Bürger abgeschreckt fühlten, wenn der Verfassungsschutz eine politische Kraft mit einem bestimmten Prädikat belegte. Doch nachdem Haldenwang einige abschätzige Begrifflichkeiten mittlerweile ebenso inflationär gebraucht wie die noch immer am Märchen der Deportation von Millionen Bürgern glaubende Bundesinnenministerin Faeser, scheint der Wähler weitgehend achselzuckend über die immer neuen Nachrichten weiterer Etikettierung der AfD zu reagieren. Dass die Alternative für Deutschland im Moment in den Umfragen leicht rückläufig ist, das ist weniger auf die „Demonstrationen für die Demokratie zurückzuführen“, sondern insbesondere auf das Aufkommen neuer Akteure auf dem politischen Tableau, die nun ebenfalls mitmischen wollen. Dass es eine signifikante Zahl von Wählern, Sympathisanten oder Mitgliedern geben würde, die angesichts der Einordnung einer Behörde davon ablassen, Nähe und Sympathie zu zeigen, derartige Wunschvorstellungen gibt es wohl nur bei denen, die sich von solch einer Brandmarkung in ihrem wachsamen und korrekten Gefühl der Überlegenheit suhlen. Doch heutzutage ist die Bevölkerung nicht mehr so naiv, vorgekaute und dargereichte Informationen einfach zu schlucken. Viel eher könnte sogar das Gegenteil von dem eintreffen, was man sich erhofft – nämlich eine Solidarisierung aufgrund von Trotzigkeit und nach dem Motto „Jetzt erst recht!“.
Verfolgt man Erhebungen und Studien dieser Tage, die sich mit der Frage befassen, inwieweit ein Verbot der AfD oder eine entsprechende Abstempelung durch den Staat in irgendeiner Weise gerechtfertigt, begründet oder zielführend ist, dann ist doch eine nicht unerhebliche Zahl an Menschen eher dazu geneigt, sich mit klarem Verstand bewusst zu werden, dass ein Negieren von Gesinnung und Meinung in unserer Herrschaftsform kein probates Mittel zur Verständigung und Befriedung ist. Und auch bei den nun bevorstehenden Absichten zur Stigmatisierung der Partei als im Gesamten „gesichert rechtsextrem“ ergeben sich erhebliche Zweifel an der Substanz solch einer Klassifizierung. Denn ähnlich, wie sich auch die Klimaforscher mit Blick auf Prognosen und Kausalitäten der Erderwärmung nicht selten induktiven Schlusstechniken bedienen, welche vom Einzelnen auf das Allgemeine schließen, gehen die selbsternannten Hüter der Verfassung derzeit einen ähnlichen Weg der äußerst simplen, plumpen und oberflächlichen Konklusion. Denn ihnen fehlt insbesondere das überzeugende Argument dafür, weshalb es zulässig und glaubwürdig sein sollte, aus einer Indizienkette zu einer generalisierten Aussage zu kommen. Es wurde also nicht der notwendige Beweis erbracht, dass die der Partei vorgehaltene Sammlung an Zitaten aus der Programmatik, aus Reden von Politikern oder aus durch Überwachung gewonnener Kommunikation eine entsprechend Implikation erlauben würde. Insbesondere wurden auch entlastende Aspekte vernachlässigt, die in einem Rechtsstaat zwingend zu einer etwaigen Abwägung von Entschlüssen dazugehören.
So wurden zwar Einlassungen einzelner mehr oder weniger prominenter Funktionäre aus der AfD zusammengetragen, welche der keinen gesellschaftlichen Konsens hinter sich vereinenden Definition des Rechtsextremismus entsprechen könnten. Die Bemühung darum, gleichzeitig aber auch festzustellen, dass offenbar eine überwiegende Mehrheit der in der Partei agierenden oder sie befürwortenden Personen bei näherer Beschäftigung nicht dazu tendiert, sich in irgendeiner Weise gegen unsere wesentlichen Werte, die staatliche Ordnung oder das soziale Gemeinwesen zu stellen, wurde allerdings bewusst und sträflich vernachlässigt. Auch vor Gericht kann es zu keinem Urteil kommen, wenn den belastenden Vorwürfen nicht auch jene Einsichten gegenübergestellt werden, die bei Unvoreingenommenheit und Untendenziösität das Ergebnis von Unbeflecktheit bestärken würden. Denn was liegt konkret an Material gegen die Alternative für Deutschland vor, was beispielsweise zu der Auffassung führen könnte, man verfolge eine gegen die Menschenwürde gerichtete Strategie? Da die Correctiv-Berichterstattung wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist und mittlerweile selbst das Recherchezentrum zugeben muss, dass auf dem Geheimtreffen am Wannsee nichts von einer unzulässigen Remigration oder Rückführung von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund die Rede war, ist vor allem immer wieder der Vorwurf des Anhängens an einer nationalistischen Ideologie als Behauptung zu vernehmen, die nach Überzeugung einer sich zur Justitia emporschwingenden Meute an Moralisten geeignet sei, Verfassungsfeindlichkeit zu begründen.
Blickt man in bisherigen Berichte von Haldenwangs Apparat, so sind die entsprechenden Verlautbarungen von Gliedern der AfD diesbezüglich vollumfänglich mit den in § 116 Abs. 1 GG festgelegten Begriffsbestimmungen des deutschen Volkes vereinbar. Gleich an mehreren Stellen im Grundgesetz kann etwas über die Einheit unseres Landes vernehmen, das sich prinzipiell weltoffen gibt, aber eben keinen gesetz- oder regelloser Haufen an Individuen darstellt. Liest man sich Texte von Politikern der Partei durch, beschäftigt sich mit ihren Auftritten im Bundestag, vernimmt ihre Posts in den sozialen Medien oder macht sich die Mühe, entsprechend vorbehaltlos mit ihnen das Gespräch zu suchen, so ist keine Richtung zu erkennen, die über das für jedes andere Land auf dieser Welt eigentlich völlig legitime, normale und sinnstiftende Gemeinschaftsgefühl hinausgeht. Mir ist bisher nichts begegnet, was für das Ziel einer sogenannten „ethnisch reine“ Gesellschaft sprechen würde. Dass man sich bei der Alternative für Deutschland allerdings kritisch und skeptisch mit dem Konzept des Multikulturalismus auseinandersetzt, ist nicht verwerflich oder gar anrüchig. Denn wir erleben jeden Tag neu, dass die Überforderung mit einer ungezügelten Einwanderung nicht nur zu sozialen Spannungen und Verwerfungen führt, sondern auch zu einer zunehmenden Entfremdung von Menschen gegenüber ihrer eigenen Heimat. Es hat nichts mit Rassismus zu tun, wenn man zu der Überzeugung gelangt, dass es auch evolutionär angelegt zu sein scheint, dass sich auf diesem Globus unterschiedliche Stämme gebildet haben, die nicht umsonst Verschiedenheiten und Eigenarten aufweisen – und damit bereits von Natur aus zu einem Orientierung, Halt und Organisiertheit gebenden Miteinander geschaffen sind.
Es spricht überhaupt nichts gegen eine behutsame Durchmischung, die allerdings die verbindenden Wurzeln einer Gruppe nicht gänzlich aushebt. Solange es um eine Bereicherung mit fremden Einflüssen und unbekannten Traditionen geht, die die Ursprungskonnotation einer Spezies nicht aus den Angeln hebt, sondern sie ergänzt, wird niemand etwas dagegen haben, wenn unser Ganzes bunter – aber eben nicht beliebig wird. Jede Equipe benötigt bereits aus psychologischen und soziologischen Gründen eine majoritäre Kongruenz, auf die man sich verlassen und verständigen, auf die man sich berufen und an ihr ausrichten kann. Und so sind mir bei der Beschäftigung mit der AfD auch keine tragenden Anzeichen über den Weg gelaufen, wonach sich die Partei für ein darwinistisches Denken öffnet, das bestimmte Minderheiten ausschließt, segregiert oder unterdrückt. Auch besteht nach meinem Dafürhalten kein Anhaltspunkt für eine prinzipielle Abschottung nach außen. Das Abfordern einer Anpassung, von Respekt und Integration in unsere bestehenden demokratischen Prinzipien, in Tradierungen, Sitten und Gepflogenheiten, hat nichts damit zu tun, zu uns kommenden Gästen eine über Gebühr unzumutbare Assimilation abzuverlangen, die lediglich den Zweck erfüllt, jemanden zu drangsalieren oder einzufordern, die persönliche Abkommenschaft zu leugnen und die eigene Biografie aufzugeben. Es spricht nicht gegen die Integrität eines Menschen, von ihm ein Bekenntnis zu einem Leitbild abzufordern, an das sich auch die einheimische Bevölkerung bindet. Egal, ob zu Hause bei der Familie oder bei Freunden: Normative sind ein Instrument, ein System in seiner Beschaffenheit und Komplexität zusammen und funktionell zu erhalten. Deshalb ist der Anspruch an eine überwiegende Konformität innerhalb eines Verbundes nicht von isolierendem Charakter, sondern der Erfordernis eines freiheitlich höchst anständigen und unumgänglichen Kompromisses geschuldet. Die AfD geht insofern nicht über das hinaus, was uns eben auch die Väter unserer Verfassung an oben genannter Stelle aufgeschrieben haben: „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling […] Aufnahme gefunden hat“. Wir bieten tatsächlich Schutzbedürftigen und denjenigen, die an Wohlstand, Wachstum und Fortschritt mitwirken, Aufnahme und die Chance zur Summierung an – ohne dabei aber uns selbst auszuverkaufen. Eigentlich eine Normalität – doch für manch Aufgeweckten dieser Tage ein Affront.
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