Oliver Horlebein, Managing Director Corporate Transformation Services bei Alvarez & Marsal, über die aktuellen Entwicklungen in der Automobilbranche und die Relevanz von Kooperationen und innovativen Denkansätzen
München – 28. Oktober 2019 – Lange Zeit waren Absatzzahlen und Planungen für Automobilhersteller ziemlich genau vorhersehbar und nur geringe Schwankungen kamen zum Tragen. Diese zuverlässige Planungsgrundlage ist nun weggebrochen, denn Nachfragerückgang und die Ungewissheit über neue Technologien bestimmen den aktuellen Automobilmarkt.
Die Hersteller sind einem wachsenden Innovationsdruck ausgesetzt – kürzere Planungszyklen und erhebliche Investitionen in E-Mobilität zwingen sie zu drastischen Einsparungen. Es herrscht Ungewissheit – auf welche Zukunftstechnologie soll man setzen?
Die klassischen Modellzyklen von sechs bis sieben Jahren verändern sich derzeit nicht, aber der Hersteller muss in weitaus kürzeren Zyklen insbesondere im Bereich der E-Mobilität Fortschritte präsentieren. Jeder noch so kleine Fortschritt (beispielsweise bei der Reichweite batteriebetriebener Fahrzeuge) muss genutzt werden, um weiterhin auf dem Markt präsent zu sein. Der bereits erwähnte, starke Innovationsdruck führt zu einem entsprechend hohen Kostendruck. Daraus resultiert unter anderem eine Verlagerung von High-Cost- zu Low-Cost Fertigungsstandorten. Eine Situation, die auch besonders im Zulieferermarkt weiter an Geschwindigkeit zunimmt. Bei solchen Standortverlagerungen sind Beratungsexperten gefragt, die top-down die Performance der einzelnen Produktionsstätten analysieren, Verbesserungen quantifizieren sowie die alternative Verlagerung bewerten können, um das omnipräsente Problem des Kosten- und Innovationsdrucks zu mildern.
Neue Technologien bringen auch neue Sichtweisen mit sich und erfordern ein ganzheitliches Umdenken und vernetztes Arbeiten, nicht nur in der Informationstechnologie, sondern vor allem auch in der Industrie. Unternehmen müssen gemeinsam nach Lösungen und Standards suchen, um schnell auf Veränderungen zu reagieren und die Kosten für weitere Innovationen stemmen zu können. Das erfordert eine hohe Kooperationsfähigkeit und Flexibilität von Entscheidungsträgern in der Automobilindustrie.
Das mag nicht immer leicht sein, denkt man an die Zeit zurück, als Hersteller noch “Rivalen” waren. Nun ist eine Zusammenarbeit unerlässlich, um große Investitionen, beispielsweise in den elektrischen Antriebsstrang, Navigation oder autonomes Fahren, überhaupt umsetzen zu können.
“Geprägt von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen werden die nächsten Monate in der Automobilbranche weiterhin spannend bleiben. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen oder ein Einfahrverbot in europäische Städte würde die Bereitschaft der Kunden auf alternative Antriebe umzusteigen, massiv erhöhen. Auf Seiten der Technologie ist die Position deutscher Hersteller und deren Zulieferer zwiespältig. Beispiel autonomes Fahren. Im Bereich der Sensorik ist man sehr vernünftig aufgestellt. Im Bereich 5G oder auch im Bereich der Interpretation der Sensordaten mit Hilfe künstlicher Intelligenz gibt es Aufholbedarf, da führende KI-Anbieter nicht aus Deutschland, sondern vor allem aus den USA oder China kommen. Das heißt, dass auch hier internationale Kooperationen und fallweise Zusammenschlüsse von Wettbewerbern Schlüsselfaktoren für den Erfolg und das Überleben eines Unternehmens sind”, kommentiert Oliver Horlebein, Managing Director Corporate Transformation Services bei Alvarez & Marsal.
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