Die von der Bundesregierung beschlossenen Sanktionen zur Netzneutralität sind bezüglich ihrer Praxistauglichkeit zu prüfen. Gegebenenfalls muss der Gesetzgeber nachregeln.
Die Bundesregierung hat in der letzten Woche einen Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes verabschiedet. Die vorgesehenen Bußgelder bei Verstößen gegen die neue EU-Verordnung zur Netzneutralität sollen bis zu 500.000 Euro betragen. Wie wirkungsvoll diese Sanktionen tatsächlich sein werden, sollte nach Ansicht des Verbandes der Ingenieure für Kommunikation (IfKom e. V.) erst einmal abgewartet werden. Befürchtungen, große Provider könnten solche Strafen aus der Portokasse zahlen, sind möglicherweise nicht unbegründet. Doch ein festgestellter Verstoß gegen die EU-Verordnung bleibt rechtswidriges Verhalten, unabhängig von der Höhe der Strafe. Auch große Konzerne werden solche Negativmeldungen nicht als geschäftsfördernd ansehen. Für die geplanten Gesetzesänderungen ist zwar keine Befristung vorgesehen. Sollten sich die Sanktionen jedoch nicht bewähren, muss der Gesetzgeber aus Sicht der IfKom selbstverständlich angemessen nachregeln. Der Gesetzentwurf nimmt nun den Weg über den Bundesrat in den Bundestag.
Zeitgleich ist die Konsultation zur Auslegung der EU-Verordnung zur Netzneutralität durch das Gremium europäischer Regulierungsbehörden (BEREC) beendet worden. Nach Abschluss dieser Konsultation will das Gremium Leitlinien vorlegen, mit denen sie die EU-Verordnung Digitaler Binnenmarkt und Netzneutralität (EU) 2015/2120 vom Oktober 2015 konkretisieren will.
Beim Thema Netzneutralität rät der Ingenieurverband zu einer Versachlichung der Diskussion. Zu oft werden technische Fragen mit Geschäftsmodellen vermischt, die nur bedingt etwas miteinander zu tun haben. Mit der rapiden Ausweitung der Datenmengen stoßen Übertragungssysteme an Grenzen. Solange die Netze mit allen Komponenten nicht für den Maximalverkehr ausgelegt werden, muss ein Verkehrsmanagement die Datenpakete steuern. Ein angemessenes Verkehrsmanagement ist nach der EU-Verordnung auch zulässig, um die Netzwerkressourcen effizient zu nutzen und die Qualität der Dienste entsprechend den Anforderungen zu gewährleisten. Dabei dürfen die Internetzugangsanbieter zwischen Verkehrskategorien unterscheiden, die verschiedene Anforderungen stellen, beispielsweise in Bezug auf Latenz, Paketverlust und Bandbreite. Hierzu wäre es wünschenswert, wenn die BEREC-Leitlinien die Abgrenzung des Verkehrsmanagements zu den sogenannten Spezialdiensten noch deutlicher als im bisherigen Entwurf vornehmen.
Als Spezialdienste werden solche Dienste bezeichnet, die, anders als der so genannte „best effort“-Verkehr, bestimmte Qualitätsstufen aufweisen dürfen, also mit Vorrang durch das Netz transportiert werden, solange genügend Kapazität für die übrigen Datenpakete bleibt. Davon zu trennen sind aus Sicht der IfKom Geschäftsmodelle, die nicht willkürlich den Internetverkehr verlangsamen oder blockieren, was aus gutem Grund nicht erlaubt ist, sondern bestimmte Kapazitäten zu bestimmten Preisen regeln. Die Freiheiten, unterschiedliche Preismodelle vereinbaren zu dürfen, sollten Provider und ihre Kunden behalten.
Die IfKom halten die Netzneutralität und das „best effort“-Prinzip für wichtige Pfeiler eines freien Internets, also der Möglichkeit für jedermann, Informationen aus dem Netz zu erhalten. Einschränkungen, sowohl durch das Netzwerkmanagement als auch durch andere Maßnahmen, drohen am wenigsten, wenn die Kapazität des Netzes ausreichend hoch ist. An dieser grundsätzlichen Voraussetzung sollten Politik und Wirtschaft noch intensiver als bisher arbeiten. Der flächendeckende Breitbandausbau ist hierfür ein wichtiger Schritt.
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