„Entlassungen sind einfacher zu bewältigen, wenn man Mitgefühl ausschalten kann“, Heilbronn, 3. Mai 2016.
Führungskräften wird oft unterstellt, dass sie dazu neigen, Psychopathen zu sein. Doch noch gibt es dafür kaum empirische Beweise. Dr. Regina-Viola Frey, Post-Doc für Human Resource Management und Marketing an der German Graduate School of Management and Law (GGS), untersucht in einem Forschungsprojekt, ob psychopathische Merkmale zum beruflichen Erfolg beitragen. Im Interview stellt sie die wichtigsten Ergebnisse vor.
Die Untersuchung von Psychopathie fand bisher vor allem in Verbrecher- und gerichtsmedizinischen Gruppen statt. Was macht den Ansatz so interessant für die Managementforschung?
Die Forschung zu „dunklen“ Persönlichkeitszügen im Management hat in den letzten Jahren viel Interesse hervorgerufen. Nachdem Narzissmus bereits umfassend erforscht ist, haben wir uns der Psychopathie gewidmet und uns gefragt: Sind Psychopathen in Berufen im Vorteil, bei denen Empathie hinderlich ist? Das wäre etwa bei Ärzten, die einen kühlen Kopf bei Operationen behalten müssen, oder Anwälten, die einen Mörder oder Vergewaltiger verteidigen, der Fall.
Was genau versteht man eigentlich unter einem Psychopathen?
Die gängigsten Definitionen von Psychopathie umfassen zwei Dimensionen: zum einen eine Gefühlskälte, einen Mangel an Empathie sowie eine generelle Fähigkeit, Gefühle „auszuschalten“. Die andere Dimension beinhaltet die Abwertung anderer und ein starkes Verlangen nach Erlebnis, „Thrill“ und Erfolg.
Wie sieht das Untersuchungsdesign Ihrer Studie aus?
Wir haben vier Gruppen untersucht: Ärzte, Anwälte und Manager, arbeitslose Akademiker und Studenten. In diesen Gruppen haben wir Psychopathie und einige andere Persönlichkeitszüge untersucht. Wir haben dann diejenigen Personen näher analysiert, die in der Psychopathie-Messung im oberen Drittel lagen und haben festgestellt: Personen mit stärker psychopathischen Zügen sind vermehrt in der Gruppe Anwälte und Manager zu finden. Haben diese Personen zudem einen Persönlichkeitszug, der Optimismus, Selbstvertrauen, Zielstrebigkeit und Resilienz umfasst, sind sie tendenziell sehr erfolgreich in ihrem Beruf.
Bei Psychopathie handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung. An welchen Verhaltensmustern kann man Psychopathen im Alltag erkennen?
Psychopathie ist klassischerweise eine psychiatrisch diagnostizierte Störung. Wir haben in unserer Studie eine psychopathische Handlungstendenz im beruflichen Umfeld erhoben. Grundsätzlich lässt sich die typische Gefühlskälte und fehlende Empathie am einfachsten von außen erkennen.
Wie kommt es dazu, dass Eigenschaften, die gesellschaftlich auf Ablehnung stoßen, eine Managementkarriere beflügeln können?
In manchen Jobs ist es sehr hilfreich, Emotionen „ausschalten“ zu können. Bei einem Strafverteidiger etwa würde die emotionale Reaktion auf eine Straftat einer zuverlässigen anwaltlichen Vertretung womöglich im Wege stehen. Auch Manager müssen häufig unliebsame Entscheidungen treffen. Entlassungen sind einfacher zu bewältigen, wenn man das Mitgefühl mit den ausscheidenden Mitarbeitern „ausschalten“ kann.
Sind Psychopathen so häufig an einer Machtposition, weil sie bewusst danach streben?
Grundsätzlich finden sich Psychopathen oft in Gefängnissen und geschlossenen Anstalten. Deswegen kann man nicht sagen, dass Psychopathen häufiger erfolgreich sind als andere Persönlichkeiten. Aber es gibt wohl Berufsfelder, in denen es von Vorteil sein kann, ein gewisses Maß an psychopathischen Zügen aufzuweisen und sich damit stärker emotional distanzieren zu können. Tendenziell sind Psychopathen zwar erfolgs- und erlebnishungrig, aber auch eher planlos was die Karriere angeht. Richtige Karriereristen mit viel „Drive“, für die Position, Status und Erfolg alles sind, sind eher narzisstisch geprägte Persönlichkeiten.
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Zur Person:
Regina-Viola Frey ist Post-Doc für Human Resource Management und Marketing an der German Graduate School of Management and Law in Heilbronn. Die gebürtige Heidelbergerin ist Expertin für Personalmanagement und interessiert sich in ihrer Forschung besonders für Managerpersönlichkeiten. Aktuell arbeitet sie mit der University of Nebraska-Lincoln und der Universität Hohenheim an Forschungsprojekten zu Narzissmus, Psychopathie und Rache am Kunden.
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Die German Graduate School of Management and Law ist eine staatlich anerkannte private Hochschule, die von der Dieter Schwarz Stiftung gefördert wird. Sie ist international ausgerichtet und arbeitet weltweit mit führenden Universitäten in Forschung und Lehre zusammen. Im Zentrum von Lehre und Forschung steht die Entwicklung der Unternehmerpersönlichkeit und die Gestaltung von Innovationsprozessen. Die German Graduate School of Management and Law konzentriert sich auf berufsbegleitende Studienprogramme für Führungstalente und bietet Weiterbildungsprogramme für Führungsteams an.
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