Unsere Redaktion hat mit Frau Mayr von der HELP Akademie über die Zukunft der Berufsbetreuer und der Änderung zum Betreuungsrecht ab Jauuar 2023 gesprochen.
“Das Thema beschäftigt zur Zeit alle, die sich für dieses Berufsbild interessieren. Der Bundesrat hat zugestimmt: Das große Gesetz zur Reform des Vormundschaftsrechts und Betreuungsrechts ist verabschiedet und tritt am 01.01.2023 in Kraft.
Am 12.5.2021 wurde dieser Beschluss im Bundesgesetzblatt veröffentlicht” erklärt uns Frau Ursula Mayr, Akademieleitung und Directorin der HELP Akademie in München.
“Wie sehen Sie das Frau Mayr, kommt hier Bewegung ins System?” Fragt Michael Jolante, Redaktion Jolante PR
Frau Mayr:
“Ja, für Betreuer mit Tätigkeitsbeginn zwischen 1.1.2020 und 31.12.2022 gilt zusätzlich zu Ihrer bereits aufgenommenen Tätigkeit, dass sie ganz normal das Registrierungsverfahren durchlaufen müssen mit den Vorgaben, die ab 1.1.2023 gelten, d.h. ein Sachkundenachweis muss für diese Betreuer bis zum 1.1.2024 erbracht werden (Übergangsfrist).
Sofern man bis 01.01.2024 die Registrierung nicht veranlasst und erhalten hat kann man nur noch ehrenamtlich arbeiten. Dies ist in § 32 BtOG geregelt.”.
Redaktion Jolante:
Was genau wird sich ändern?
Frau Mayr:
“Die Reform des Betreuungsrechts hat die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und die Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen als Ziel.
Das Selbstbestimmungsrecht von Betroffenen soll deutlich gestärkt werden, indem diese in sämtliche Stadien eines Betreuungsverfahrens eingebunden werden und ein Recht auf Information haben sowie ein Mitspracherecht bei der gerichtlichen Entscheidung.
Die Betroffenen sollen auch bei der Auswahl des konkreten Betreuers ihre Vorstellungen einbringen können und hierbei so weit wie möglich in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.
Durch einen Ausbau der gerichtlichen Kontrolle – meist durch den Rechtspfleger – sollen Pflichtwidrigkeiten des Betreuers, die das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten beeinträchtigen, besser erkannt und gegebenenfalls auch sanktioniert werden können. Hierdurch soll ein höherer Qualitätsstandard der Betreuung erreicht werden.
Mit einem neu eingeführten formalen Registrierungsverfahren werden persönliche und fachliche Mindesteignungsvoraussetzungen für Berufsbetreuer eingeführt. Es werden nur solche Betreuer im Betreuerregister registriert, die die erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit sowie eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit besitzen.
Synopsen (vergleichende Gegenüberstellung von Texten), hierbei altes und neues Recht, wurden dazu bereits erstellt. Diese werden von der HELP Akademie bereits im Unterricht von den Dozenten verwendet und als Arbeitsgrundlage in der Übergangszeit empfohlen.
Das Betreuungsbehördengesetz wird durch das vollständig neue Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) ersetzt. Mit dem BtOG wird erstmals eine vom Einzelfall unabhängige förmliche Anerkennung als Berufsbetreuer eingeführt. Zugleich wird das Betreuerregister der Berufsbetreuer eingeführt, das bei der Betreuungsbehörde zu führen ist.
Erstmals werden jetzt gesetzliche Voraussetzungen für die Bestellung als Berufsbetreuer geschaffen.
Diesen Schritt der Anerkennung des Berufs als “professioneller gesetzlicher Betreuer” ist wesentlich wichtig für die Zukunft und möglicherweise dann auch für die Entwicklung der Vergütung.
Leider werden viele wichtigen Details erst im 4. Quartal 2021 durch Verordnungen bekannt gegeben. Weder die Betreuungsstellen, noch die beiden großen Verbände wissen derzeit von wem und wo die zukünftige Sachkundeprüfung abgenommen werden soll, und wie viele Unterrichtsstunden tatsächlich ab 01.01. 2023 gefordert werden – zurzeit spekuliert man zwischen 350 und 360 Unterrichtsstunden.
Soweit wir es Stand heute überblicken können haben wir in im aktuellen Lehrgang der HELP Akademie über 204 Unterrichtsstunden die dort geforderten Themen bereits in unserem Grundlehrgang überwiegend abgebildet und müssen diese dann entsprechend ausweiten. Es sind aber auch noch weitere wichtige Themenbereiche sowie auch spezialisierte Dozenten in dieser hochqualifizierten Weiterbildung geplant.
Redaktion Jolante: Das sind Schritte in die richtige Richtung, oder?
Frau Mayr:
“Die HELP Akademie und unsere Dozenten halten diese Schritte der Anerkennung des Berufs als “professioneller gesetzlicher Betreuer” als sehr wichtig für die Qualität und das Image dieser so wichtigen Tätigkeit und wie ich schon sagte, möglicherweise auch für die zukünftige Vergütung.”
Redaktion Jolante: “Wie geht es nun weiter bis die Neuerungen endgültig greifen?”
Frau Mayr:”
Wir schulen derzeit 204 Stunden in 6 Modulen und empfehlen deshalb dringend das derzeit noch fakultative Modul 6 unbedingt mit zu besuchen.
Die Betreuungsstellen und die Verbände raten uns derzeit wie bisher weiter zu schulen und das neue Recht parallel bereits einfließen zu lassen. Immer mit dem Hinweis an alle jetzt lernenden Teilnehmer in den laufenden Lehrgängen der HELP Akademie, dass sie erst noch ein Jahr nach altem Recht arbeiten müssen. Im Laufe des nächsten Jahres werden von der HELP Akademie Weiterbildungsmodule zum neuen Recht sowie auch gezielt zur aktiven und praktischen Vorbereitung auf die Sachkundeprüfung angeboten, so dass wir alle Teilnehmer auf diese Prüfung optimal vorbereiten werden. Soweit es sinnvoll ist werden deshalb die Dozenten jetzt schon stetig Hinweise geben wo sich Inhalte verändern werden.
Alle Teilnehmer unserer Lehrgänge ab 01.01.2020 bis heute werden wir über die Notwendigkeit der Zusatzmodule zur Vorbereitung auf die Sachkundeprüfung laufend informieren und ihnen diese anbieten.”
Redaktion Jolante: “Was müssen die Berufsbetreuer beachten, die schon vor 2020 diese zertifizierte Weiterbildung mit Abschlussklausur der HELP Akademie besucht und bestanden haben und bereits aktiv Betreuungen führen?”.
Frau Mayr: “Alle Teilnehmer vor dem 01.01.2020 haben, sofern Sie aktiv und als Berufsbetreuer tätigt sind, Bestandsschutz und müssen keine Sachkundeprüfung ablegen, sich aber ebenfalls registrieren. Wir werden auch diese Gruppe zu den Weiterbildungen zum neuen Recht einladen.
Es ist uns sehr wichtig, dass sich die Politik und die Gesellschaft der großen Bedeutung dieses Berufes bewusst werden. Betreuer erfüllen eine wichtige Aufgabe im Sozialstaat, helfen Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer Behinderung vorübergehend oder dauerhaft nur noch eingeschränkt oder gar nicht selbst helfen können und üben damit eine ausgesprochen wertvolle und sinnstiftende Tätigkeiten aus.
Ehrenämter sind in diesem Bereich deutlich rückläufig und die Familien sind oft sehr schnell überfordert. Die kommende Generation übt zum einen nicht mehr so viele Ehrenämter aus – die Fälle werden zum anderen immer schwieriger. Die Familien haben oft weder Zeit noch die Kenntnisse für den behördlichen und formellen Dschungel. In Coronazeiten haben auch die psychopathologischen Fälle deutlich zugenomnen. Engagierte Berufsbetreuer werden also dringend gebraucht und ohne engagierte Berufsbetreuer würde zum einen das System der rechtlichen Betreuung, zusammenbrechen und wäre zum anderen die Welt ein klein wenig kälter.”
Redaktion Jolante: “Das war eine umfassende Aussage zum Thema, wir danken für das ausführliche Gespräch”.
Fau Mayr: Sehr gerne, ich bedanke mich ebenfalls für Ihr Interesse.
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