Pandemiebedingt oder Folge der konjunkturellen Lage?
Der Maschinenbau startete optimistisch ins Jahr 2022. In vielen Bereichen sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Der Grund dafür liegt im Nachholbedarf, verursacht durch Beschaffungsstopps, heruntergefahrene Produktion und Kurzarbeit während der unsicheren Coronamonate. Karl Haeusgen, der Präsident des Branchenverbandes VDMA, rechnet damit, dass in diesem Jahr die Branche starke Zuwächse verzeichnen wird und die Zahlen aus Vor-Corona-Zeiten erreicht werden könnten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Lieferketten wieder lückenlos funktionieren. Viele Maschinenbauer können die eingegangenen Aufträge momentan nicht bearbeiten, weil die benötigten Vorprodukte und Rohstoffe fehlen. Vor allem bei Metallen und Elektronikkomponenten sind die Lieferzeiten lang, dies trifft auch die Verpackungsbranche.
Ein Blick zurück zeigt, dass sich die Wirtschaft nach dem Einbruch Anfang 2020 schnell erholte. Die Störungen der Lieferketten verursachen jedoch seit Beginn 2021 in allen Bereichen der Produktion Probleme. Das ifo Institut ermittelte in seiner Befragung im November 2021, dass fast 75 % der befragten Industriebetriebe Schwierigkeiten bei der Produktion ihrer Güter aufgrund von fehlenden Rohstoffen und Materialien hatten. Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Geschäfte und Grenzen sowie der eingeschränkte Lieferverkehr hatten drastische Auswirkungen auf bis dahin funktionierende Lieferketten. Die pandemische Lage führte außerdem zu Unsicherheiten in allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Auf der einen Seite fuhren Firmen Produktions- und Transportkapazitäten herunter, während sich die privaten Haushalte auf der anderen Seite aufgrund eingeschränkter Aktivitäten außer Haus stärker auf die Anschaffung von Konsumgütern wie Elektronikwaren und Möbeln konzentrierten. Es entstand eine Diskrepanz zwischen starker Nachfrage und mangelndem Angebot. Steigende Preise waren die Folge.
Auch wenn momentan die Coronakrise als Grund für die Materialknappheit identifiziert wird, so ist diese Situation kein neues Phänomen. Vergleicht man die vom Statistischen Bundesamt gesammelten Daten zur Konjunkturentwicklung seit Beginn der 1990er Jahre, dann wird deutlich, dass in konjunkturellen Aufschwungphasen Grundmaterialien oft knapp wurden. Eine steigende Nachfrage nach Waren erhöht die Nachfrage von allen Produkten entlang der Lieferkette. Sind Vorprodukte schwer erhältlich, steigen die Preise sowohl für das Material als auch für das Endprodukt. Die hohen Endpreise machen die Produktion für die Anbieter lukrativ, die Produktionskapazitäten werden erhöht. Der Marktmechanismus sorgt jedoch in der Regel dafür, dass sich wieder ein Gleichgewicht einstellt, denn die Kunden sind nicht bereit, jeden Preis zu zahlen, verzichten auf Anschaffungen oder verschieben diese auf einen späteren Zeitpunkt.
Auffallend ist in der aktuellen Situation jedoch, dass die pandemische Lage die Entwicklung verstärkt und weltweit zu Veränderungen in den Wertschöpfungsketten geführt hat. In vielen Fällen, wie zum Beispiel bei Mikrochips, stieg die Nachfrage schneller an, als die Produktionskapazitäten ausgedehnt werden konnten. Der Marktmechanismus, wo sich Angebot und Nachfrage anpassen, greift unter diesen Umständen nicht. Dazu kommt, dass Unternehmen Vorsorge treffen und wieder Teile ans Lager legen, um Engpässe zu umgehen. Globale Beschaffungsmärkte sorgen dafür, dass benötigtes Material weltweit bestellt werden kann. Import und Export von Endprodukten und Fertigungsmaterialien sind selbstverständlich. Die aktuelle Krise zeigt nun, dass deutsche Industriebetriebe nicht nur viele Güter exportieren, sie sind für die Produktion hierzulande ganz erheblich auf den Import von Teilen und Komponenten angewiesen. Doch die Krise betrifft viele Staaten gleichermaßen, so dass ein Ausweichen auf ausländische Lieferanten keine Lösung darstellt. Eine wichtige Voraussetzung für die Erholung des heimischen Maschinenbaus wären folglich stabile Lieferketten weltweit.
Zahlen und Umfragen zeigen, dass Lieferengpässe die Industrie momentan bremsen, die Preise steigen. Auch wenn Materialmangel in der Vergangenheit oft eine Begleiterscheinung von Aufschwungphasen war, so verstärkt die Corona-Pandemie den aktuellen Mangel an Materialien. Die Preiserhöhungen bei Vorleistungsgütern werden von den Produzenten auf die Endprodukte aufgeschlagen, somit lässt sich die Nachfrage nur durch die Akzeptanz höherer Preise befriedigen.
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