Die VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2 beschreibt die Durchführung von Maschinenfähigkeitsuntersuchungen (MFU). In der Richtlinie wird darauf eingegangen, dass der industrielle Fertigungsprozess verschiedenen Einflussgrößen unterworfen ist. Diese Einflussgrößen werden im Allgemeinen als die fünf „M“ bezeichnet: Mensch, Maschine, Methode, Material und Mitwelt (Umgebungseinflüsse).
Durch die Maschinenfähigkeitsuntersuchung wird die Stabilität und Reproduzierbarkeit der Prozesseinflussgröße Maschine ermittelt. Dadurch lassen sich Aussagen über die zu erwartenden maschinenbedingten Prozessfehler treffen. Diese wiederum stellen ein objektives Vergleichsmaß für die Qualität unterschiedlicher Maschinen dar.
Durch die MFU soll sichergestellt werden, dass nur geeignete Schraubwerkzeuge eingesetzt werden.
Richtlinienänderung der Kurzzeituntersuchung
Die Richtlinie beschreibt eine wesentliche Änderung bei der Kurzzeituntersuchung von Schraubwerkzeugen. In der Vergangenheit war es üblich, dass zunächst eine kurze Stichprobe von zum Beispiel fünf Messwerten genommen und dann überwacht wurde, ob die gemessenen Werte innerhalb der Toleranzgrenzen lagen oder schon außerhalb. Dieses Verfahren beinhaltet den Nachteil, dass ein Schraubwerkzeug, welches seine Aufgabe nicht mehr erfüllt, erst dann bemerkt wird, wenn es bereits Messwerte liefert, die außerhalb der Toleranz liegen. Das wiederum erfordert je nach Wichtigkeit der Schraubverbindung, dass alle gefertigten Teile bis zur letzten Stichprobenprüfung, die noch innerhalb der Toleranz lag, nachgeprüft, beziehungsweise nachgearbeitet werden müssen. Die VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2 beschreibt demgegenüber ein Prüfverfahren, bei dem die statistische Fähigkeit der Werkzeuge überprüft wird. In diesem Fall kann ein Schraubwerkzeug identifiziert werden, welches nicht mehr fähig innerhalb der Prozessgrenzen arbeitet, ohne dass überhaupt Werte außerhalb der Prozessgrenzen produziert wurden.
Schraubstellenbezogene MFU an der Montagelinie
Die Richtlinie unterscheidet zwischen werkzeugbezogener MFU und schraubstellenbezogener MFU. Bei schraubstellenbezogenen Maschinenfähigkeitsuntersuchungen werden mittlerweile mobile Prüfsysteme eingesetzt, die über gesteuerte Schraubfallsimulatoren verfügen und so angesteuert werden können, dass der simulierte Schraubfall dem realistischen Schraubfall entspricht. Mit diesen mobilen Prüfsystemen können Druckluftschrauber, Elektroschrauber und Impulsschrauber vor Ort an der Montagelinie geprüft werden.
Einfluss der Schraubfallhärte in der MFU
Schraubsysteme ändern ihr Abschaltverhalten in Abhängigkeit der sogenannten Schraubfallhärte. Die Schraubfallhärte beschreibt, nach welchem Drehwinkel die Schraube nach Kopfauflage ihr Enddrehmoment erreicht. Eine kurze Schraube, mit der zum Beispiel ein Blech befestigt wird, erreicht das Enddrehmoment etwa schon nach 30 Grad Verdrehung. Ein solcher Schraubfall wird harter Schraubfall genannt. Im Gegensatz dazu gibt es Schraubverbindungen mit langen Schrauben, mit denen gegebenenfalls elastische Materialien zusammengefügt werden. Bevor diese Schrauben ihr Enddrehmoment erreichen, muss eine solche Schraube von der Kopfauflage zum Beispiel eine komplette Umdrehung, das heißt 360 Grad, gedreht werden. In diesem Fall spricht man von einem weichen Schraubfall.
Da die Schraubfallhärte einen Einfluss auf das Abschaltverhalten des Schraubsystems haben kann, ist es wichtig, dass der Simulator die gleiche Charakteristik darstellt, wie der Originalschraubfall.
Zyklische und schraubstellenbezogene MFU
Eine zyklische Überwachung der Schraubwerkzeuge geschieht grundsätzlich an der Montagelinie vor Ort. Wenn die Prüfung durchgeführt wird, darf die Einstellung des Schraubwerkzeuges nicht verändert werden. Die Messreihe wird mit den aktuellen Einstellungen durchgeführt und dokumentiert.
Die schraubstellenbezogene MFU vor Ort richtet sich nach den Prozessvorgaben. Insgesamt beträgt der Stichprobenumfang 50 Messungen und die empfohlenen Toleranzen betragen gemäß Richtlinie 2,0 Prozesstoleranz für den CM-Wert und 1,67 Prozesstoleranz für den CMK-Wert. Die Richtlinie sieht die Möglichkeit vor, den Prüfumfang auf bis zu 25 Messungen zu reduzieren. In diesem Fall werden jedoch andere CM- und CMK-Werte vorausgesetzt.
Unterschiede bei handgehaltenen und eingebauten Schraubsystemen
Bei handgehaltenen Schraubsystemen stellt die Prüfung an den Simulatoren vor Ort keinerlei Problematik dar, weil die Schraubsysteme leicht an den eingebauten Simulatoren der Prüfbank geprüft werden können. Anders verhält es sich jedoch bei Einbauschraubern, die fest in einer Vorrichtung angebracht sind und nicht ohne größeren Aufwand aus der Vorrichtung auf den Simulator gebracht werden können, um die Maschinenfähigkeit nachzuweisen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die sogenannte Hochzeit in der Automobilindustrie dar. Wenn die Chassis mit den Fahrwerkskomponenten und die Karosserie miteinander montiert werden, müssen zahlreiche Schraubsysteme, die in der Vorrichtung untergebracht sind, eine hohe Anzahl von Schrauben gleichzeitig montieren, damit die Hochzeit in einem Arbeitsgang abgeschlossen werden kann. Diese Schraubsysteme sind fest in der Vorrichtung montiert und streckenweise sogar winkelig angebracht, um alle notwendigen Schrauben zu erreichen.
Um an diesen Schraubsystemen die MFU durchzuführen, werden Sonderlösungen der Schraubfallsimulatoren verwendet, welche über die Möglichkeit verfügen, den kleinen Simulator mit der integrierten Drehmoment-/Drehwinkel-Messtechnik an dem entsprechenden Schrauber zu fixieren.
Der Simulator wird dazu mittels Manipulator in der richtigen Position für das Schraubsystem gehalten. Über eine Schwenkeinrichtung kann er auch an Schraubern eingesetzt werden, die in einem beliebigen Winkel montiert sind.
Somit ermöglicht der mobile SCHATZ®-cerTEST Prüfstand mit Manipulator, dass auch eingebaute Schraubsysteme nach der VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2 auf Maschinenfähigkeit untersucht werden können, ohne dass sie aus ihrer Vorrichtung ausgebaut werden müssen.
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