Warum Panikmache beim Fachkräftemangel die falsche Strategie ist
Von Ansgar Lange +++ August 2014. Was soll man denn nun glauben? Haben wir einen Fachkräftemangel oder nicht? Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Medium den absoluten Notstand beim Kampf um die besten Talente ausruft. Deutschland drohe ein massiver Fachkräftemangel. Viele können diese Botschaft schon nicht mehr hören. Andererseits titelte jüngst die Tageszeitung Die Welt http://www.welt.de: „Digitalisierung gefährdet mehr als jeden zweiten Job“. Was gilt denn nun?
„Das Problem bei der Sache ist, dass sich für jede der beiden Sichtweisen gute Argumente finden lassen. Und auch immer Experten, die wie alttestamentarische Propheten das eine oder das andere predigen, so als hätten sie den Stein der Weisen gefunden. Grundsätzlich kann man drei Dinge feststellen: Der Fachkräftemangel gilt nur für bestimmte Branchen. Durch technische Neuerungen fallen Jobs weg, es werden aber zugleich auch neue geschaffen. Die beste Vorsorge, um nicht arbeitslos zu werden, ist immer noch gute Bildung und vor allem auch Weiterbildung, um den Anschluss an neue Entwicklungen nicht zu verlieren“, sagt der Personalexperte Michael Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de.
Zondler empfiehlt eine gesunde Skepsis gegenüber Vorhersagen in die Zukunft: „Experten unterliegen nicht dem päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma. Sie können sich irren. Vor Jahren wurde noch der Abgesang auf Industrie und Produktion angestimmt und das Hohe Lied der Dienstleistungsgesellschaft gesungen. Heute wissen wir, dass Deutschland auch deshalb ordentlich durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist, weil man eben nicht einseitig auf Dienstleistungen gesetzt hat. Der Blick in die Glaskugel ist uns nicht vergönnt, auch wenn manche so tun, als wüssten sie schon heute ganz genau, wie sich Demographie, Zuwanderung und technischer Fortschritt ganz konkret auf unseren Arbeitsmarkt auswirken.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) http://www.faz.net unterstreicht, dass einfache Aussagen über die Fachkräftesituation nicht möglich sind. Einerseits beklage die Wirtschaft immer lauter den Mangel. Andererseits schrieben gut ausgebildete Fachkräfte Hunderte von Bewerbungen – und das erfolglos. So ist jeder zweite der 75.828 Arbeitslosen in Hamburg eine Fachkraft mit einer qualifizierten Ausbildung.
In speziellen Branchen sei aber durchaus ein Engpass festzustellen. So gibt es einen steigenden Bedarf an externen IT-Fachkräften. Seit dem NSA-Skandal hätten sich zum Beispiel die Anfrage zu Projekten in der Datensicherheit und der IT-Sicherheit erhöht. Freiberufler im IT-Bereich (Schätzungen sprechen von rund 70.000 in Deutschland) müssten ständig mit neuen technischen Anforderungen Schritt halten.
Ein Grund, warum Deutschland insbesondere in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) Probleme bekommen könnte, sieht Peter Schmidt in der mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung für diese Berufe. „Tierarzt, Diätberater und Sozialarbeiter sind die neuen Traumberufe. Die jungen Schulabgänger wollen „irgendwie beim Staat unterkommen“. Hoch- und Risikotechnologie findet in diesem Land nicht mehr statt. Wenn, durch die Energiewende erzwungen, immer mehr energieintensive, produzierende Unternehmen das Weite suchen, wird eine weitere Lücke gerissen“, so der Präsident des Deutschen Arbeitgeber Verbandes e. V. http://www.deutscherarbeitgeberverband.de.
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