Zur Ausstellung des Schlemihl-Zyklus im Brücke-Museum Berlin:
Ernst Ludwig Kirchner: Peter Schlemihls wundersame Geschichte, 1915
Nachdem Ernst Ludwig Kirchner noch während seiner militärischen Grundausbildung bei der Artillerie im Sommer 1915 aufgrund der beklemmenden Umstände einen schweren Nervenzusammenbruch erlitt, geriet er im weiteren Verlauf des Jahres in eine der schwersten psychischen und physischen Krisen seines Lebens. Fast wie in Trance schuf er in dieser Phase eine eindringliche Folge von sieben großformatigen Farbholzschnitten, zu deren Motiven er durch die Lektüre von Adelbert von Chamissos 1814 veröffentlichter Novelle „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ angeregt wurde. Kirchner zog darin Parallelen zu seiner eigenen Zerrissenheit. Wie der Protagonist der Geschichte, der seinen Schatten im Tausch gegen einen niemals versiegenden Sack voller Gold dem Teufel überläßt und damit zum Außenseiter der Gesellschaft wird, empfand Kirchner eine zunehmende Entfremdung von seinem sozialen Umfeld und litt am Verlust seiner Identität als Künstler.
In einem fieberhaften Schaffensrausch schuf der Künstler mehrere Versionen dieser Folge, die aus einer Umschlags-Lithographie und sieben Farbholzschnitten besteht und als sein bedeutendstes druckgraphisches Werk gilt. Insgesamt existieren heute noch fünf vollständige Folgen des „Schlemihl“-Zyklus, die jedoch über die ganze Welt verstreut sind. Jedes einzelne Blatt ist dabei farblich individuell gestaltet und weist Unterschiede im Druck auf; ist somit ein tatsächliches Unikat. Ernst Ludwig Kirchner hat diese Werke als ein sehr persönliches Bekenntnis zu seiner geschundenen Seele nur an seine engsten Freunde und Vertraute verschenkt. Ursprünglich waren sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Seit sie das Atelier des Künstlers verließen, konnten sie fast 100 Jahre lang nie wieder zusammen betrachtet werden.
Dem Brücke-Museum Berlin ist es nach langer und intensiver Vorbereitungszeit erstmalig gelungen, die fünf Folgen aus dem In- und Ausland zusammenzutragen und in einer einzigartigen Ausstellung zu vereinen, um sie in einer speziell konzipierten Hängung, die die einzelnen Motive jeweils einander gegenüberstellt, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die sehr empfindlichen Blätter können noch bis zum 16. November im Brücke-Museum bewundert werden wobei sich feine Unterschiede in Druck und Farbgebung im direkten Vergleich deutlich offenbaren. Ein aufwändig und bibliophil gestalteter Katalog mit über 50 Ausklapptafeln und einer ausführlichen Einführung in Kirchners „Schlemihl“-Zyklus begleitet die Schau und bewahrt die Einzigartigkeit der Exponate auch über die Ausstellung hinaus.
Parallel dazu ist im Brücke-Museum auch die Ausstellung „Weltenbruch – Die Künstler der Brücke im Ersten Weltkrieg 1914 – 1918“ zu sehen, die Werke der anderen „Brücke“-Künstler in der Zeit des Großen Kriegs thematisch gegliedert umfaßt.
Das Museum in Berlin (Zehlendorf) beschäftigt sich mit der Künstlergruppe Brücke.
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