Borreliose trotzdem weiterhin Stiefkind der Gesundheitspolitiker
25.06.2019. Münster. Die Horrormeldungen über Zecken überschlagen sich derzeit: Ein Zecken-Rekord-Jahr wird von den unterschiedlichen Experten prognostiziert. In Ostbayern habe man in 90 Minuten 600 Zecken eingesammelt. Eine neue Riesenzecke bedroht uns. In Bayern stieg 2018 die Zahl der gemeldeten Borreliosen um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Schon jetzt verzeichnet das Robert Koch-Institut (RKI) erneut eine Zunahme von zehn Prozent bei Borreliose-Erkrankungen in Bayern im Vergleich zu den ersten 22 Kalenderwochen des Vorjahres.
Eine Dunkelziffer ist da noch nicht einbezogen. Die meisten Menschen merken den Zeckenstich nicht, und eine Wanderröte als erstes sicheres Anzeichen einer Infektion ist nur bei circa 60 Prozent sichtbar. Oft entwickeln sich Beschwerden wie Gelenkschmerzen, Lähmungen und Nackensteife erst nach Wochen und Monaten, wenn auch Ärzte nicht mehr an eine Borreliose denken. Jahrelange Fehldiagnosen und Falschbehandlung sind daher keine Seltenheit. Wirklich sichere Labortest gibt es immer noch nicht. Ein positiver Test beweist keine Borreliose, ein negativer schließt sie nicht aus.
Für die ebenfalls von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, gibt es eine allgemeine Meldepflicht nach dem Bundes-Infektionsschutzgesetz. Von daher kennt man die Erkrankungszahlen bundesweit, die jedoch mit 583 Fällen 2018 nur einen kleinen Bruchteil der Erkrankungszahlen der Borreliose ausmachen. Zu Borreliose sind jedoch genaue Zahlen nicht verfügbar. Aus den Krankenkassenabrechnungen kann man schließen, dass es mehrere hunderttausend Erkrankungen bundesweit gibt. Nur in wenigen Bundesländern wie zum Beispiel in Bayern besteht jedoch eine Meldepflicht für Borreliose. Borreliose gibt es aber überall, FSME nur in den sogenannten Risikogebieten. Nur gegen FSME gibt es eine Impfung, die oft jedoch als „Zeckenschutzimpfung“ verkauft wird und so die Menschen irreführt.
Wieso diese Irreführung? Wieso wollen die Gesundheitspolitiker nicht die konkreten Zahlen wissen? Wieso wollen sie nicht wissen, wie hoch das Risiko einer Borreliose-Infektion für ihre Bürger tatsächlich ist? Noch immer lehnen die Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Hessen sogar den Dialog mit Patientenorganisationen zur Meldepflicht für Borreliose ab. Ein Brandbrief von drei in Deutschland aktiven Patientenorganisationen an Gesundheitspolitiker in allen Bundesländern von Anfang des Jahres wurde lediglich von einigen wenigen Bundesländern, die zudem in der Regel bereits eine landesrechtliche Meldepflicht für Borreliose haben, überhaupt beantwortet. Ein Zeugnis der Ignoranz. Praktischen Rat erteilt seit 25 Jahren der Borreliose und FSME Bund Deutschland. Unter dieser Patientenorganisation sind auch rund 100 Selbsthilfegruppen und Kontakter organisiert, die man im Internet finden kann. www.borreliose-bund.de
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