Ein Strafverteidiger erklärt anhand eines Beispiels, warum das Motto jedes Beschuldigten beim ersten Polizeikontakt sein sollte: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Alles andere kann schaden.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Erfahrene Strafverteidiger predigen gebetsmühlenartig die Verhaltensregel für Beschuldigte bei drohenden Strafverfahren beim ersten Kontakt mit der Polizei: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!
Gleichwohl lassen sich Tag für Tag immer wieder Menschen, die in das Visier der Ermittlungsbehörden geraten sind, von geschickt handelnden Polizeibeamten davon überzeugen, dass es doch für alle günstiger sei, jetzt und hier Angaben zur Sache zu machen: „Sie haben doch nichts zu verschweigen, oder?“, „wenn Sie bei der Wahrheit bleiben, dann können Sie nichts falsch machen“, „Ehrlichkeit währt am längsten“ und dergleichen stellen nur eine kleine Auswahl der Parolen dar, die immer wieder dazu führen, dass dann Aussagen zu Protokoll gegeben werden, die richtungsweisend sein können für das gesamte Ermittlungsverfahren und auch den Ausgang des Strafverfahrens.
Dabei ist exakt in dieser Situation der kompetente Rechtsrat durch einen im Strafrecht und in der Strafverteidigung erfahrenen Rechtsanwalt dringend erforderlich, um diese schwierige Situation meistern zu können.
Vernehmungsmethodik der Manipulation und Suggestion
Das nachfolgende Beispiel polizeilicher „Vernehmungstaktik“ manipulativer Art ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie durch geschickte Fragetechniken Antworten erzeugt werden können, die abseits der objektiven Wahrheit liegen:
Frage:
„Ich kann Sie sehr gut verstehen, wenn Sie sich gedanklich mit dieser sicherlich sehr unschönen Situation nicht noch einmal auseinandersetzen wollen. Aber bitte denken Sie noch einmal genau nach. Als Sie den Herrn am Boden haben liegen sehen, war er da möglicherweise anders bekleidet, als zuvor. Hatte er vielleicht doch nur noch ein Unterhemd und eine Unterhose an?“
Antwort:
„Das kann ich einfach nicht mehr so genau sagen. Ich weiß es nicht mehr. Mir fällt dazu nichts Weiteres ein. Ich war ja auch betrunken.“
Frage:
„Aber wenn Sie sich ganz genau erinnern, können Sie dann vielleicht etwas dazu sagen, ob das Unterhemd, das der Mann an hatte, blutverschmiert oder zerrissen war?“
Antwort:
„Ich kann es einfach nicht mehr sagen. Es kann sein, dass es vielleicht am Rücken blutverschmiert und an der Seite zerrissen war, da bin ich mir nicht sicher.“
Mit nur zwei Fragen – zugegebenermaßen geschickten Fragen – zieht der fragende Polizeibeamte dem am Boden liegenden Mann unbemerkt ein Unterhemd an. Ein Umstand, den man im weiteren Verfahren kaum mehr aus der Akte bekommen kann und wird. Wenn die offensive Fragetechnik jetzt noch etwas spärlicher protokolliert wird, als oben geschehen, wird diesen Punkt im weiteren Verlauf kaum jemand mehr herausarbeiten können. Die Antworten aber stehen für immer festgeschrieben im Protokoll.
Mit diesem negativen Beispiel polizeilicher Befragungstechnik soll mitnichten zum Ausdruck gebracht werden, dass in den Polizeischulen oder Polizeirevieren derartige Fragetechniken gelehrt werden. Ganz im Gegenteil. In der Regel sind die Polizeibeamten bestens ausgebildet und fern jeglichen Verfolgungsinteresses.
Die tägliche Praxis zeigt aber, dass derartige Fragetechniken doch immer mal wieder zur Anwendung kommen – gleich ob bewusst oder unbewusst. Und gerade deswegen ist es umso wichtiger, sich vor einer Aussage fachkundig beraten zu lassen, was allen potenziell Beschuldigten dringend ans Herz gelegt sei.
Der Autor Rechtsanwalt Udo Reissner ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Verkehrsrecht in der Kanzlei Reissner, Ernst & Kollegen – Augsburg / Starnberg
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