Adhärenz fördern
Neunkirchen a. Br. 28.10.2016 Ist Adhärenz ein Problem in der Therapie des SLE und Rheuma? Und wie können Ärzte und Patienten am besten damit umgehen? Dies war das zentrale Thema des Workshops „Behandeln auf Augenhöhe: Patient und Arzt gemeinsam gegen Lupus und Rheuma“, am 22.10.2016, das vom Rheumazentrum Südbaden an der Universitätsklinik Freiburg, der Lupus Selbsthilfegruppe , der Rheumaliga, des Interreg-Projekts RARENET und der Cogitando GmbH veranstaltet wurde.
Non-Adhärenz – ein Problem für Arzt und Patient
Samstagmorgen in der Uniklinik Freiburg: Ärzte und besonders Patienten strömen zahlreich in den großen Hörsaal der Medizinischen Klinik. Schwere Kost steht auf dem Plan: Adhärenz und Non-Adhärenz bei Lupus (SLE) und Rheuma, Schwangerschaft und Risiken, „Treat-to-target“ beim SLE. Non-Adhärenz ist ein großes Problem bei chronischen Erkrankungen, auch bei SLE und Rheuma: Je nach Untersuchung und Messmethode halten sich nur 30% bis 80% der Patienten an die Therapieempfehlung. Sollen Ärzte ihre Patienten daher mittels analytischer Methoden überwachen?, fragt Prof. Dr. Reinhard Voll, Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie, in die Runde. Überraschenderweise begrüßen das die meisten Patienten: Kontrollen helfen eine unzureichende Wirkung des Medikaments zu klären, geringe Resorption kann ebenso ein Grund sein wie Vergesslichkeit oder Fehler bei der Einnahme. Doch hier endet die Übereinstimmung zwischen Arzt und Patient in vielen Fällen: Über die Qualität der Behandlung und die Gründe für Non-Adhärenz gehen die Meinungen auseinander.
Der Patient als Spezialist für seine Erkrankung
Im Patientenseminar sprechen sie ihre Kritik offen aus: Patienten fühlen sich häufig allein gelassen mit ihren Beschwerden, Problemen und Ängsten. Termine beim niedergelassenen Rheumatologen finden etwa alle 6 Monate statt – und bis dahin stauen sich die Fragen: Warum muss ich so viele Medikamente nehmen? Können die Nebenwirkungen abgeschwächt werden? Methotrexat ist ein Krebsmedikament, schadet das nicht? Ich möchte schwanger werden, geht das überhaupt?
PD Dr. Isaac Bermejo, Psychologe und Leiter des Supervisions- und Coachingdienstes, Uniklinik Freiburg, ermutigt: „Der Arzt ist der Spezialist für Lupus und Rheuma – Sie als Patient sind der Spezialist für Ihre Krankheit und Ihr Leben.“ Doch die Zeit für Fragen beim Arzt ist knapp: Der Befundbogen muss abgearbeitet werden, enge Taktung bestimmt den Ablauf. Was tun? Der Psychologe weiß Rat: „Bereiten Sie sich gut vor. Überlegen Sie, was Sie von Ihrem Arzt wirklich wissen wollen und erstellen Sie eine Prioritätenliste. Setzen Sie der Struktur des Arztes Ihre eigene dagegen!“
Motivieren und den Patienten beteiligen
Im Workshop nebenan erfahren Rheumatologen aus Klinik und Praxis bei Chefarzt Dr. Andreas Jähne, Psychiater und Suchtmediziner, Rhein-Jura-Klinik, wie sie mit offener Gesprächsführung mehr über mögliche Befürchtungen des Patienten erfahren und so dessen Bedenken gegensteuern können. Denn: Unterschwellige Ablehnung, befürchtete oder tatsächliche Nebenwirkungen sind Gift für die Adhärenz des Patienten an Medikamente und Therapie. Wie kann Adhärenz verbessert werden? Ist nur der Patient „schuld“? Die meisten Patienten wollen in die Therapieentscheidung einbezogen werden, so zitiert PD Dr. Isaac Bermejo aktuelle Daten, doch die Realität sieht anders aus: Der durchschnittliche Arztbesuch dauert 8 Minuten und bereits nach 20 Sekunden wird der Patient vom Arzt unterbrochen. Dabei verstehen Patienten nur 50% der erhaltenen Informationen und können noch weniger wiedergeben. Bermejo plädiert für mehr gemeinsame Lösungen, die „partizipative Entscheidungsfindung“, angelehnt an das englische „Shared Decision Making“. Gerade bei schwerwiegenden Erkrankungen und Entscheidungen, die das Leben beeinflussen, müssen Ärzte ihre Patienten nicht nur informieren, sondern ihnen wirksame Entscheidungshilfen, am besten bildhaft, an die Hand geben. Der Patient wird so als gleichberechtigter Partner akzeptiert und die getroffene Entscheidung dann auch respektiert. Das lohnt sich: Derart entstandene Entscheidungen werden vom Patienten besser eingehalten, erhöhen die Zufriedenheit auf beiden Seiten und nicht zuletzt – verbessern die Adhärenz.
Das Fazit: Ein gelungener Workshop, der bei Arzt und Patienten Verständnis geweckt hat und Mut macht, die gemeinsamen Ziele weiter zu verfolgen: Wirksame Therapien für SLE und Rheuma zu entwickeln und das Leben mit der Krankheit für die Patienten verträglich und optimal zu gestalten.
Das Seminar fand mit freundlicher Unterstützung der Firmen GSK und Roche statt.
Ansprechpartner:
Lupus-Selbsthilfegemeinschaft Regionalgruppe Freiburg http://lupus-rheumanet.de/jsp/wir_regionalgruppen.faces
Rheuma-Liga Baden-Württemberg e.V. http://www.rheuma-liga-bw.de/
Prof. Dr. Reinhard Voll, Ärztlicher Direktor, Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie Universitätsklinikum Freiburg, https://www.uniklinik-freiburg.de/rheuim.html
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