Prävention von Parodontalerkrankungen

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Präventionsprogramme müssen auf Basis der parodontalen Diagnose, spezifischer Bedürfnisse und Risikofaktoren individuell angepasst werden

Parodontale Gesundheit ist eine Schlüsselkomponente der Mundgesundheit und wichtiger Bestandteil der Allgemeingesundheit und des Wohlbefindens. Trotz der bemerkenswerten Erfolge der aktuellen präventiven Bemühungen bleibt Parodontitis eine der häufigsten chronischen Krankheiten der Menschheit. Diese besorgniserregende Tatsache hat die Europäische Gesellschaft für Parodontologie (European Federation of Periodontology, EFP) zum Anlass genommen, sich im November 2014 auf dem 11. European Workshop of Periodontology unter dem Motto „Wirksame Prävention von parodontalen und periimplantären Erkrankungen“ dieses Themas anzunehmen und es in vier Arbeitsgruppen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.

Grundsätze der Prävention parodontaler Erkrankungen evaluiert

Im Fokus der ersten Arbeitsgruppe unter der Leitung von Maurizio Tonetti standen die Grundsätze der Prävention parodontaler Erkrankungen. Für die parodontale Thematik wurde zwischen primärer und sekundärer Prävention differenziert. Zur Primärprävention zählt in diesem Kontext eine konsequente Therapie der Gingivitis, weil dadurch der entzündungsbedingte Abbau des parodontalen Attachments verhindert wird. Aber auch die Kontrolle parodontaler Risikofaktoren wie Rauchen und Diabetes mellitus spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Maßnahmen der Sekundärprävention setzen nach erfolgreicher Parodontitistherapie an und sollen einem Rezidiv der Erkrankung vorbeugen. Primäre und sekundäre Prävention von Parodontitis umfassen professionelle Maßnahmen, aber vor allem auch die vom Patienten selbst durchgeführte Kontrolle des dentalen Biofilms. Das Ziel des Workshops war es, auf wissenschaftlicher Grundlage Empfehlungen zur Verbesserung der professionellen mechanischen Plaquekontrolle (Professional Mechanical Plaque Removal; PMPR), zur selbst durchgeführten Mundhygiene, zur Kontrolle anderer Risikofaktoren und zur Bewertung von individuellen Risikoprofilen zu erarbeiten. Die Empfehlungen der Arbeitsgruppen wurden zielgruppenspezifisch für die Öffentlichkeit, Fachleute im Gesundheitswesen, die politischen Entscheidungsträger sowie die Forschung aufbereitet. Die Experten kamen unter anderem zu dem Schluss, dass Präventionsprogramme personalisiert werden müssen und an den individuellen klinischen Befunden und den Lebensgewohnheiten des Patienten auszurichten sind. Grundlage dafür sind geeignete diagnostische Maßnahmen für eine Stratifizierung der Patienten entsprechend ihrer Erkrankung (parodontal gesund/Gingivitis/Parodontitis bzw. Mukositis/Periimplantitis). Angesichts der hohen Prävalenz parodontaler und periimplantärer Erkrankungen sollten parodontale Screeninguntersuchungen (PSI) konsequent bei allen Patienten durchgeführt werden. Bei einer bereits klinisch diagnostizierten Parodontitis oder Periimplantitis sind professionelle präventive Maßnahmen allein nicht ausreichend, da die Erkrankung eine aktive Therapie erfordert.

Stellenwert der professionellen mechanischen Plaqueentfernung (PMPR) für die Prävention von Parodontalerkrankungen

Die professionelle mechanische Plaqueentfernung (PMPR) ist eine der am häufigsten durchgeführten Präventionsmaßnahmen bei Erwachsenen. Die PMPR umfasst die supra- und subgingivale Plaque- und Zahnsteinentfernung mithilfe von Handinstrumenten (Scaler, Küretten) oder von maschinengetriebenen Instrumenten (Schall, Ultraschall, rotierende Instrumente, Pulverstrahlgeräte). Die PMPR dient der Eliminierung weicher und harter Ablagerungen von der Zahnoberfläche und soll optimale Voraussetzungen für eine adäquate häusliche Mundhygiene schaffen. Die Arbeitsgruppe um Maurizio Tonetti arbeitete heraus, dass die PMPR ohne eine damit einhergehende Mundhygieneinstruktion (MHI) als alleinige primärpräventive Maßnahme für Parodontitispatienten jedoch nicht geeignet ist. Im Hinblick auf den direkten Einfluss der PMPR und MHI auf die Sekundärprävention besteht weiter dringender Forschungsbedarf.

Verhaltensänderungen für eine verbesserte Plaquekontrolle

Für eine dauerhafte Verbesserung der individuellen Mundhygiene bedarf es einer umfassenden, den individuellen Bedürfnissen angepassten Patientenaufklärung und insbesondere deren Verhaltensänderung. Es ist anerkannt, dass die individuelle häusliche Mundhygiene für die Prävention parodontaler Erkrankungen wesentlich ist und eine langfristig erfolgreiche Parodontitisbehandlung eine effektive und konsequente Mundhygiene voraussetzt. Auch wenn die meisten Menschen ihre Zähne putzen, wird diese Anforderung in weiten Teilen der Bevölkerung nicht erfüllt. Daher sollten routinemäßig effektive individuelle Mundhygieneprogramme erstellt werden, die unter anderem auch geeignete Methoden zur Verhaltensänderung aufnehmen. In der Praxis bedeutet das unter anderem, gemeinsam mit dem Patienten konkrete Ziele zu setzen, herauszuarbeiten und zu entscheiden, wie die Verhaltensänderung im täglichen Leben umgesetzt werden soll und ihn zu ermutigen, sein eigenes Verhalten in Bezug auf die gesetzten Ziele zu beurteilen. Darüber hinaus sollte die professionelle MHI auf einer sorgfältigen Auswahl von Hilfsmitteln (Zahnbürsten-Typ, Produkte zur Interdentalpflege, Mittel zur chemischen Plaquekontrolle) basieren, die den Bedürfnissen und Vorlieben der Patienten angepasst ist. Um die Einführung von Methoden zur Verhaltensänderung mit dem Ziel einer verbesserter Plaquekontrolle zu gewährleisten, sollten die Kostenträger die derzeit fehlende Vergütung solcher Strategien in der Praxis überdenken. Entsprechende evidenzbasierte und personalisierte Methoden und Techniken sollten in der Ausbildung von Mundgesundheitsexperten trainiert werden.

Beratung zur Raucherentwöhnung im zahnärztlichen Rahmen

Da das Rauchen ein gemeinsamer Risikofaktor von einigen der häufigsten Erkrankungen der Menschheit einschließlich Parodontitis ist, trägt die Vermeidung des Tabakkonsums nicht nur zur Parodontitisprävention bei. Es hat sich herausgestellt, dass kurze Interventionen im zahnärztlichen Rahmen die Raucherentwöhnungsrate erhöhen, was positive Auswirkungen sowohl auf die (parodontale) Mund- als auch auf die Allgemeingesundheit hat. Daher erscheint die Anwendung validierter Beratungsansätze zur Raucherentwöhnung in der Zahnarztpraxis sinnvoll. Die Patienten müssen in Gesprächen über die schädlichen Folgen des Rauchens auf die Mundgesundheit informiert werden. Methoden zur Raucherentwöhnung sollten in die Lehrpläne von Mundgesundheitsexperten aufgenommen werden. Aufgrund der wichtigen Rolle des zahnärztlichen Teams in der Unterstützung bei der Raucherentwöhnung ist von den Kostenträgern darüber hinaus auch eine entsprechende Vergütung zu überdenken.

Methoden der Risikobewertung für die Prävention parodontaler Erkrankungen

Die Anfälligkeit für die Entstehung und Progression der Parodontitis ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Folglich wird die Anwendung einheitlicher Präventionskonzepte nur selten die individuellen Bedürfnisse erfüllen und in einer Unterversorgung der einen bzw. Überversorgung der anderen resultieren. Das kann zu einer erhöhten Krankheitsbelastung, unerwünschten Nebenwirkungen sowie suboptimaler Ressourcenverteilung führen. Dies ist ein wichtiger Aspekt sowohl für die Primär- als auch die Sekundärprävention. Mit validierten Instrumenten zur Risikoerfassung kann zu Beginn und/oder bei jedem Recall-Termin 1) die Patientenkommunikation vereinfacht, 2) das Risiko für eine Krankheitsprogression und Zahnverlust bestimmt sowie 3) die klinische Entscheidungsfindung in der aktiven und unterstützenden Parodontitistherapie unterstützt werden. Weiterer Forschungsbedarf besteht in der Weiterentwicklung und Validierung von Instrumenten zur Risikostratifizierung und der Beurteilung der Effekte für das Patientenmanagement.

Quelle:
Tonetti MS et al.: Principles in prevention of periodontal diseases. Consensus report of group 1 of the 11th European Workshop on Periodontology on effective prevention of periodontal and peri-implant diseases. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S5-S11. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jcpe.12368/full

Präventions-Leitfäden Parodontitis für die Praxis

Die EFP Workshop-Arbeitsgruppe um Maurizio Tonetti hat eine Reihe von Empfehlungen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Expertenmeinung der Arbeitsgruppenteilnehmer entwickelt. Mundgesundheitsexperten und Vertreter des Gesundheitswesens sollten diese auf individueller und Bevölkerungsebene umsetzen.
Die daraus abgeleiteten Leitfäden findet man auf der Website der DG PARO.
Leitfaden für die wirksame Prävention von Parodontalerkrankungen – Allgemeine Empfehlungen
http://mitglieder.dgparo.de/media/download-5697ba3029b6d
Leitfaden für die wirksame Prävention von Parodontalerkrankungen – Empfehlungen für Zahnärztinnen/Zahnärzte
http://mitglieder.dgparo.de/media/download-5697ba30a55e2
Leitfaden für die wirksame Prävention von Parodontalerkrankungen – Empfehlungen für Dentalhygienikerinnen/Dentalhygieniker
http://mitglieder.dgparo.de/media/download-5697ba3135415
Leitfaden für die wirksame Prävention von Parodontalerkrankungen – Empfehlungen für Patienten/die Öffentlichkeit
http://mitglieder.dgparo.de/media/download-5697ba31b6265

Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DG PARO) nimmt wissenschaftliche und fachliche Aufgaben auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, insbesondere der Parodontologie wahr. Für ihre über 4.800 Mitglieder sowie zahnärztliche Organisationen ist sie seit über 90 Jahren beratend und unterstützend in parodontologischen Fragen tätig. Zu den Aufgaben der DG PARO gehört u.a. die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Parodontologie sowie die Auswertung, Verbreitung und Vertretung der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wesentliche Tätigkeitsschwerpunkte neben der Durchführung von wissenschaftlichen Tagungen, sind die Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Parodontologie sowie die Ausrichtung entsprechender Veranstaltungen. Zudem vergibt die Gesellschaft jährlich Wissenschaftspreise wie den Eugen-Fröhlich-Preis. Die DG PARO arbeitet, auch interdisziplinär, intensiv mit wissenschaftlichen Gesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Institutionen des In- und Auslandes zusammen. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.

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