Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – 5 Sa 657/15 –, juris.
Kündigung wegen privater Internetnutzung während der Arbeitszeit sogar bei erlaubter privater Internetnutzung wirksam
Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zeigt einmal mehr wie gefährlich eine private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit ist. Der Arbeitnehmer schafft dadurch Gründe für eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber. Wenn man bedenkt, wie weit verbreitet dass privates Surfen, bzw. das permanente „Online“ sein ist, wird schnell klar, dass hier ein perfektes Einfallstor für Arbeitgeber zur Umgehung des Kündigungsschutzes geöffnet wurde.
Trotz langer Betriebszugehörigkeit keine Abmahnung erforderlich
Im vorliegenden Fall stellte sich zunächst die Frage, ob der Arbeitgeber nicht zunächst hätte abmahnen müssen. Diese Frage war besonders evident, da der Arbeitnehmer bereits sehr lange für den Arbeitgeber beanstandungsfrei tätig war. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Frage verneint: Die Beklagte war es nicht zumutbar, auf die exzessive private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses durch den Kläger an Stelle der Vertragsbeendigung mit einer Abmahnung zu reagieren. Der Kläger hat seine Vertragspflichten bereits durch seine ausschweifende, über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen fortwährende private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses während der Arbeitszeit in dem Gesamtumfang von mindestens fast einer Arbeitswoche so schwer verletzt, dass eine Hinnahme durch die Beklagte für ihn erkennbar ausgeschlossen war. Es muss jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine Arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung (BAG v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04).
Kritik:
Dieses Ergebnis scheint sehr fraglich. Wenn man Statistiken zum Internetverhalten von Arbeitnehmern während der Arbeitszeit heranzieht, wird man schnell zu dem Ergebnis kommen, dass ein privates Surfen während der Arbeitszeit heutzutage schon fast als sozialadäquat bezeichnet werden muss. Bei sechzehnjähriger beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit hätte zunächst ein Alarmzeichen gesetzt werden müssen. Dies zumal das Gericht ausdrücklich in seiner Urteilsbegründung argloses Verhalten des Arbeitnehmers unterstellt.
Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfris
Das Landesarbeitsgericht hält auch eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für nicht zumutbar. Dazu das Gericht: Selbst eine für die Dauer der Kündigungsfrist zu erwartende Vertragstreue des Klägers könnte die eingetretene Erschütterung oder Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht mehr ungeschehen machen. Ausmaß und Dauer des pflichtwidrigen Verhaltens des Klägers sind besonders schwerwiegend. Der Kläger hat das Vertrauen der Beklagten, die ihm die Möglichkeit einer weitgehend unbeobachteten und inhaltlich nicht beschränkten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses während der Arbeit gewährte, besonders gravierend verletzt. Als besonders gravierend hat das Gericht in diesem Zusammenhang auch die Funktion des Arbeitnehmers als Vorgesetzter und das damit verbundene schlechte Beispiel für die nachgeordneten Mitarbeiter angesehen.
Kritik
Der aus meiner Sicht fragwürdigste Teil der Begründung. Hier berücksichtigt das Gericht ebenso wie schon bei der Frage der Abmahnung nicht hinreichend, dass und inwieweit durch argloses Tun Vertrauen verletzt werden kann. Wenn das Gericht argloses Verhalten unterstellt, darf es nicht zu diesem Ergebnis kommen. Umgekehrt, hätte das Gericht argloses Verhältnissen ausdrücklich ausgeschlossen und damit einen Vorsatz auch hinsichtlich der mit dem Verhalten verbundenen Schädigung des Arbeitgebers unterstellt, wäre die Argumentation noch haltbar. Ein Arbeitnehmer, der täglich während der Arbeitszeit statt zu arbeiten mit offenen Augen vor sich hin starrt, verletzt seine Arbeitspflichten in gleichem Maß. Würde man hier auch mit einem derart starken Vertrauensverlust argumentieren?
Das Bundesarbeitsgericht wird das letzte Wort sprechen
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Diese wurde auch eingelegt. Grund hierfür war allerdings die Frage der prozessualen Verwertbarkeit des vom Arbeitgeber vor Gericht verwerteten Browserverlaufs. Dazu werde ich mich in einem anderen Artikel äußern. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht die Möglichkeit nutzt, auch zu den oben aufgeworfenen Problemen etwas zu sagen.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber
Wenn man bedenkt, wie weit verbreitet dass privates Surfen, bzw. das permanente „online“ sein ist, wird schnell klar, dass hier ein perfektes Einfallstor für Arbeitgeber zur Umgehung des Kündigungsschutzes geöffnet wurde. Arbeitgeber können versuchen das Tor zu nutzen, bevor es das Bundesarbeitsgericht möglicherweise wieder schließen wird.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer
Wer eine Kündigung in diesem Zusammenhang erhält, sollte in jedem Fall Kündigungsschutzklage einreichen. Frist: drei Wochen nach Zugang der Kündigung. Kein Arbeitgeber kann darauf hoffen, dass solche Kündigungen künftig eine sichere Bank sind. Vergleiche mit Abfindungszahlungen und Umwandlung der fristlosen in eine ordentliche Kündigung sind allemal drin.
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Deutschlandweite Vertretung von Arbeitgebern im Zusammenhang mit Kündigungen Arbeitnehmer
Kündigungen von Arbeitnehmern sind nicht unproblematisch. Wir beraten Sie zu Kündigungsmöglichkeiten, Formanforderungen und vertreten Sie im Falle einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers deutschlandweit vor Gericht. Rufen Sie Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck an und besprechen Sie zunächst telefonisch und unverbindlich die Erfolgsaussichten einer Kündigung des jeweiligen Arbeitnehmers. Man sollte immer erst die Kündigungsmöglichkeiten eruieren und dann die Kündigung aussprechen.
Wer wir sind
Die Rechtsanwälte und Fachanwälte für Arbeitsrecht Volker Dineiger und Alexander Bredereck sind seit vielen Jahren schwerpunktmäßig im Bereich Kündigungsschutz tätig. Gemeinsam haben sie das Handbuch Arbeitsrecht der Stiftung Warentest verfasst.
29.6.2016
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