Raubkopien made in Germany

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Horst Boss. Das Land, das für seine Wertarbeit in der ganzen Welt einmal geschätzt und hoch gelobt wurde, ist längst nicht mehr das Land das es einmal war. Früher konnte man sich auf deutsche Produktaussagen und Qualitätsversprechen verlassen. Das ist heute nicht mehr so. Schon lange mutiert Deutschland immer schneller zur Bananenrepublik. Selbst im Pharmabereich macht dieser Zug nicht Halt. Heute werden Medikamente auf den Markt geworfen, deren Neben- und Wechselwirkungen noch gar nicht bekannt sind. Bereits bekannte Nebenwirkungen werden einfach heruntergespielt und in Kauf genommen. Das Wohl des Patienten spielt bei diesem Wettlauf oft nur noch eine untergeordnete Rolle. Unternehmen finanzieren sich mit öffentlichen Mitteln, um dann anschließend mit Raubkopien ihr Geld zu verdienen. Diese bittere Erfahrung mussten in früheren Jahren schon jene Hersteller machen, die zum Beispiel Johanniskraut, Umckaloabo, Aloe Vera usw. marktfähig machten. Bitterstoffe wurden im Laufe der Zeit 1000-fach kopiert. Auch ein immer größer werdender Haufen von Laien schreckt vor dem Trittbrettfahren nicht mehr zurück. Gerade im naturheilkundlichen Bereich ist das der Fall. Aktuell ist #Cystus der Liebling der Raubkopierer. Blickt man von Weitem auf das schwammige Geschehen, so könnte man glatt meinen, diese Machenschaften kämen dem Gesetzgeber gerade recht. Nach dem Motto: Viele Kleinere verkaufen mehr als ein Originalanbieter. Und ein Mehrverkauf bringt letztendlich mehr Steuereinnahmen. Dies wäre aber zu kurz gedacht. Mittlerweile gibt es dabei nämlich noch ganz andere Probleme.

Was bei Konzernen hinter verschlossenen Türen vor sich geht, kriegt der Bürger natürlich nicht mit. Wer denkt schon beim Kauf eines Erkältungsmittels darüber nach, mit welchen Methoden sich die Hersteller untereinander bekämpfen. Das könnte uns als Verbraucher ja auch egal sein, wenn es dabei letztendlich nicht gerade um unsere Gesundheit ginge. Die meisten Menschen kennen das Erkältungsmittel Grippostad C. Stada als Hersteller hat jetzt doch tatsächlich versucht, seinen Klassiker als Mittel für Asthmatiker zu bewerben. Das ließ sich der Konkurrent Boehringer Ingelheim aber nicht gefallen und klagte. Die in Grippostad C enthaltene Wirkstoff-Viererkombination ist in Fachkreisen nämlich nicht unumstritten. Ab 2014 bewarb Stada sein Grippostad C in Fachkreisen als Alternativpräparat für Asthmatiker. Mit der Argumentation, dass weder Acetylsalicylsäure (ASS) noch Ibuprofen enthalten sei. Die Boehringer Ingelheim Klage zeigte Wirkung. Das Oberlandesgericht Hamburg gab der Klägerin Recht und Stada unterschrieb eine Unterlassungserklärung. Begründung des Gerichts: Es werde für Verordner und Verbraucher der Eindruck erweckt, dass Grippostad C für Asthmatiker als unbedenklich und ohne Einschränkung empfohlen werden könne. Jedoch vermindere das Coffein in Grippostad C die Ausscheidung des Asthmatherapeutikums Theophyllin und das Antihistaminikum sei bei einem akuten Asthmaanfall geradezu kontraindiziert. Das muss man sich auf der Zunge einmal zergehen lassen, mit welcher Gleichgültigkeit und Profitgier Menschen mit dem Leben ihrer Mitmenschen spielen. Es geht gar nicht um den Patienten, sondern in allererster Linie um Futterneid bzw. Umsatz und Gewinne. Zudem, einem kleineren oder mittelständischen Unternehmen wäre dieser Brocken doch schon von Gesetzes wegen sofort auf die Füße gefallen.

Aber auch beim Mittelstand gibt es zwei Lager. Diejenigen, denen es an Ideen nicht mangelt und die im Laufe der Zeit viel eigenes Geld in die Forschung pumpen. Um einerseits die Wirkung eines Stoffes nachzuweisen und andererseits eventuelle Neben- und Wechselwirkungen auszuschließen. Das sind die wirklichen Unternehmer. Und die anderen, die einfach nur auf einen fahrenden Zug aufspringen, um sich möglichst schnell ein Stück vom großen Kuchen abzuschneiden. Das sind die sogenannten Trittbrettfahrer. Doch die sind nicht ungefährlich. Schlimm wird es dann, wenn deren Produkte dem Käufer schaden, direkt oder indirekt. Zurzeit geht es wieder einmal um die Graubehaarte Zistrose (Cistus incanus). Bereits 2004/2005, beim ersten Vogelgrippefall, kam dem Unternehmer Dr. Pandalis der Gedanke, dass der Extrakt einer ganz bestimmten Unterart – von wirklich vielen Unterarten der Zistrose – gegen Viren wirksam sein könnte. Pandalis nahm reichlich Geld in die Hand und beauftragte renommierte Wissenschaftler, unter anderem am Friedrich-Löffler-Institut und an den Universitäten Tübingen und Münster. Er landete mit seiner Idee einen Volltreffer. Sein Extrakt Cystus 052® ist seit Jahren rezeptfrei in Apotheken erhältlich, wirkt gegen alle Arten von Viren, völlig ohne Nebenwirkungen. Mittlerweile lieferte das renommierte Helmholtz-Zentrum, München, ebenfalls den Beweis, dass der Extrakt „Cystus 052®“ gegen alle Arten von Viren wirksam ist. Soweit so gut. Doch jetzt kommen die Trittbrettfahrer ins Spiel. Das ist ja nichts Neues und rechtlich zulässig. Nur, wenn dann Nachahmer-Produkte auf den Markt kommen, die gar nicht wirken bzw. durch Nichtwirken Schaden anrichten können, dann bekommt die Sache plötzlich einen ganz anderen Charakter.

Vom Tellerwäscher zum Millionär? Ach was, viel europäischer. Vom Kellner zum Zistrosen-Verkäufer. So jedenfalls der Werdegang des oberschlauen Griechen Michail Raptis, der in Wiesbaden lebt. Während er, nach unseren Informationen, bis vor kurzem noch als Kellner auftrat, griechischen Wein servierte und nebenbei das gleichnamige Lied von Udo Jürgens trällerte, verspricht er heute auf dem Etikett seines Produkts eine ganz spezielle griechische Varietät der Graubehaarten Zistrose „Cistus incanus“. Auf der Verpackung verwendet er aber genau dasselbe Etikett wie das Unternehmen Dr. Pandalis. Auch die Farbgestaltung auf der Verpackung ist identisch. Das sollte er nicht machen. In Fachkreisen spricht man bereits von einer Raubkopie und arglistiger Täuschung. Der Verbraucher wird damit nämlich vorsätzlich getäuscht. Zudem sind sich Fachkreise und Wissenschaftler darüber einig, dass es sich hierbei sicher um eine nicht wirksame Unterart der Zistrose handelt. Der Beweis für die Wirksamkeit steht aus und wird von Raptis wohl auch nicht erbracht werden können. Durchaus geschickt umgeht der Plagatier aber einige wissenschaftliche Formulierungen in der Art, dass er wenigstens patentrechtlich nicht kollidiert. Auf Grund der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit raten wir als Redaktion vom Kauf dieser Produkte strikt ab und verweisen auf den Rat am Schluss dieses Artikels.

Auf den Eintrittskarten zur Weltpremiere von LR Health & Beauty stand folgender Fake: LR kaufte weltweit alle Zistrosen-Plantagen. Prompt kamen Lieschen Müller und Anton massenweise und staunten nicht schlecht. Geschickt und inmitten von diversen exklusiven Düften, kreiert von Stars wie Guido Maria Kretschmer, Cristina Ferreira, Karolina Kurkova, Bruce Willis, Emma Heming-Willis und Swarovski, hat die Firma LR ihre Zistrosen-Produkte etabliert. Mit dem Qualitätsversprechen, dass nur der Feinschnitt der hochwertigen, reichhaltigen Blätter verarbeitet wird. LR bietet nicht nur einen Zistrosen-Tee, sondern auch ein Zistrosen-Spray und zudem Zistrosen-Kapseln an. Doch bis jetzt hat das Unternehmen LR den Beweis für die Wirksamkeit seines Zistrosen-Teekrauts nicht erbracht. Die Neue Osnabrücker Zeitung schreibt: Die Leute werden für dumm verkauft. Renommierte Wissenschaftler und Virologen wie Prof. Oliver Planz (Uni Tübingen) und Stephan Ludwig (Uni Münster) distanzieren sich verärgert von Zistrosen-Produkten, die nicht, wie Cystus 052®, auf ihre Wirksamkeit hin untersucht wurden. „Cistus ist nicht gleich Cistus. Es kommt auf den Extrakt der Subspezies an. Wir können nicht sagen, ob das LR-Produkt überhaupt irgendwelche antivirale Wirkung zeigt“, so die Wissenschaftler. Bei einem Mineralwasser reicht es vielleicht aus, wenn man lediglich auf Giftstoffe, Bakterien, sonstige Rückstände und den Mineralgehalt überprüft. Wenn es aber darum geht, die Wirksamkeit eines ganz speziellen Extrakts nachzuweisen, dann genügt das halt nicht. Schließlich geht es bei der einzigen als wirksam bekannten Unterart der Zistrose um den überaus effizienten Schutz gegen alle möglichen Viren. Das ist doch eine ganz andere Liga als Wellness und Beauty. Aber es kommt noch schlimmer. Selbst wenn in den Kapseln der wirksame Originalextrakt Cystus 052® enthalten wäre, dann würde das dem Anwender trotzdem nichts nützen. In Kapselform ist der Extrakt nämlich nicht wirksam. Man muss den Extrakt ausschließlich als Pastille lutschen, damit er den gewünschten Schutz bietet. Der Extrakt wirkt rein physikalisch. Das heißt, er bindet die Viren bereits im Mund-/Rachenraum, sodass diese gar nicht erst in den Körper eindringen können. Hier wird ein Produkt buchstäblich verkloppt, dessen werbewirksamen Aussagen alles andere als zutreffen. Fatal für Patienten, die meinen sie hätten den Schutz von Cystus 052® erworben. Es gibt sehr viele chronisch Kranke und immungeschwächte Patienten, für die es lebenswichtig ist, dass kein neuer Infekt zu den bereits bestehenden Erkrankungen hinzu kommt. Diese Menschen werden arglistig getäuscht und merken es erst, wenn es bereits zu spät ist. LR zahlt an hunderttausende Vertriebler Provisionen, die diese LR-Zistrosen-Produkte auch an kranke Familienmitglieder und Freunde über den Küchentisch verkaufen. Produkte, die ggf. in zweifacher Hinsicht nicht wirken können. Fatal! Man kann für die vielen wirklich kranken Verbraucher (Asthmatiker, Immungeschwächte, Patienten mit Krebs usw.) nur hoffen, dass firmenintern schnellstens Konsequenzen gezogen und die Produkte mit sofortiger Wirkung aus dem Verkauf genommen werden. Alles andere wäre grob fahrlässig und klarer Betrug, mit ggf. bösen Folgen für Patienten. Kranken, getäuschten Patienten bleibt der Gang zur Staatsanwaltschaft. Das kostet keinen Cent. Zudem ist, gegen solche Machenschaften, auch eine ebenfalls kostenfreie AVAAZ-Petition erfolgversprechend, die dann den zuständigen Stellen vorgelegt wird.

Horst Boss ist Medizinjournalist. Er berichtet über die neuesten Erkenntnisse in Wissenschaft und Forschung, Medizin und Naturheilkunde. Eine sauber recherchierte, neutrale und gut verständliche Berichterstattung ist dem Autor wichtig. Dazu steht er auch in direktem Kontakt mit namhaften Wissenschaftlern Parallel ist Boss Inhaber einer Praxis für Naturheilverfahren.

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Peterbauerweg 7
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