In Warschau werden Spaziergänge in der Innenstadt vor allem zeigen, wie geschickte Restaurateure vergangene Pracht nach alten »Partituren« wieder neu erstehen lassen.
Stellen Sie sich vor, ein Musikwissenschaftler hätte Herrn Karajan zur Rede gestellt: »Aber, mein Bester, was machen Sie denn da?! Händels Wassermusik aufführen? Wo das der Händel doch eigenhändig musiziert hat, und zudem noch in Verfolgung des Königs auf den Wassern der Themse? « So was sagt kein Musikwissenschaftler. Eher könnte man sich Kunsthistoriker denken, die ihre Nase vernehmlich rümpfen, wenn ein altes Gebäude »nach Partitur« neu errichtet wird. Aber ist beides nicht ein ziemlich ähnlicher Vorgang?
Jedenfalls können wir den Polen dankbar sein, dass sie in Warschau, Danzig, Breslau, aber auch bei uns in der Bundesrepublik, alte Bauwerke auf das kunstvollste haben neu erstehen lassen. In dem von Wüstlingen verwüsteten Warschau haben sie vielfach nach der »Partitur« eines großen Meisters gearbeitet: nach den Gemälden des Venezianers Canaletto (1720 bis 1780), der die letzten Jahre seines Lebens in Warschau verbracht hat und ein Neffe des bekannteren Meisters dieses Namens ist. So konnten sogar manche Barockbauten in reinerem Stil wiedererstehen, als sie mit den Zutaten späterer Zeiten zu Anfang des Zweiten Weltkriegs dastanden.
Die heutige Altstadt von Warschau wurde in den Nachkriegsjahrzehnten aufgebaut – zur gleichen Zeit also, wie in der Stadt neue Hochhäuser emporschössen und neue Autobahnen den Verkehr kanalisierten. Das Königliche Schloss wurde erst seit 1971 neu gebaut. In Warschaus Altstadt haben die Kirchen den Krieg überdauert. Hier vereinigen sich mehr Gotteshäuser auf engem Raum als in Salzburg. Unter den liebevoll wiederhergestellten Bürgerhäusern ist auch das der Fugger, ebenso stilvoll und einladend wie vor vierhundert Jahren, und es hat einen mit Recht so beliebten Weinkeller.Darf man sich in dieser Altstadt wie ein Bürger der guten alten Zeit fühlen, so vermittelt der an der hohen Sigismundsäule beginnende Straßentrakt eher ein königliches Gefühl. Man nennt die drei Straßen, die einander von hier an ablösen, daher auch den Königsweg. Krakauer Vorstadt heißt die Übersetzung des ersten, Nowy Swiat nennt sich die zweite, und auf der Allee AI Ujazdowskie hat man alsbald den von Palästen »wimmelnden« Lazienki-Park erreicht –> Reisebericht Polen
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