oder der Versuch, Fremdem entgegen zu wirken und nationalistische Barrieren zu überwinden
Unter dem Aspekt eines zunehmenden Nationalismus, der schon vor den Wahlen in Rumänien spürbar war und sich dann durch einen „links getarnten, rechtspopulistischen“ Wahlausgang bestätigte, wehte mit der fünften Ausgabe des biennalen INTERFERENCES Festivals ein erfrischend liberaler Wind durch die Theaterlandschaft von Cluj, der zweitgrößten Stadt des Landes. Gabor Tompa, langjähriger Chef eines kleinen „Stadt“-theaters der ungarischen Minderheit, versteht es auch seit nunmehr 10 Jahren sich verengenden sozio-politischen Sehweisen nicht nur eine weltoffene Auswahl internationaler Veranstaltungen aus mehr als einem Dutzend Ländern entgegen zu setzen.
Das Festival besticht durch seine wechselnden Thematiken und deren ausgeklügelte Bearbeitung.
Der Fremde, das Fremde, Fremdsein hieß es in 2016 mit sozialer Aktualität, vor allem internationaler Qualität und einer bunt gemischten Besucherschar aus zahlreichen Ländern.
Der Balkan war mit Teilnehmern aus ex-jugoslavischen Ländern ebenso vertreten wie Italien und England, Luxemburg und Irland, Russland und USA, Bulgarien und Süd Korea, Polen und Deutschland. Rumänien bewies Theatergröße und Ungarn wartete mit unkonventionellen und unprätentiösen Beiträgen auf, wenn auch einige ungarische Besucher aus Budapest die offene Stimmung durch aktuell nationalistische Gesprächsversuche in eine weniger erfreuliche Ecke zu drängen versuchten. Letzteres kennt man z.B. von offiziellen Vertretern der Budapester Oper hinlänglich. In Cluj spielte es nicht nur keine Rolle, sondern gab sich selbst der Lächerlichkeit preis.
Zu einer Festival unüblichen Zeit Ende November, Anfang Dezember, nahmen sich Klassikerproduktionen dieser Thematik in eigener Gewandung an.
Ein polternder FAUST des Slovenian National Theatre Drama Ljubljana (Regie TOMAZ PANDUR), ein knallender NATHAN DER WEISE des Schauspiel Stuttgart & Radu Stanca National Theatre, Rumänien (Regie ARMIN PETRAS), ein minimalistischer Joseph Roth-JOB des Schauspielhaus Bochum (Regie LISA NIELEBOCK), eine laute MEDEA der Theatre Group Seongbukdong Beedoolkee, Süd Korea (Regie KIM HYUNTAK), knallige Ionesco-NASHÖRNER des National Theatre of Luxembourg (Regie FRANK HOFFMANN), ein militantes Shakespeare MAß FÜR MAß des Cheek by Jowl, United Kingdom & Moscow Art Drama Theatre Pushkin, Russland (Regie DECLAN DONNELLAN) und voyeuristisches Gorki-NACHTASYL des ungarischen Gastgebertheaters Hungarian Theatre of Cluj (Regie YURI KORDONSKY), zudem Brechts GUTER MENSCH VON SEZUAN des Bulandra Theatre (Regie ANDREI SERBAN) in puffig-nuttiger Interpretation, ließen jedem Zuschauer sein spezielles Theatererlebnis.
Auch kleinere Produktionen und Kammerspiele beeindruckten die jeweils gut gefüllten Ränge.
KRAPPS LETZTES BAND (Beckett) des Teatr ZAR, Polen (Regie JAROSLAW FRET), Jaram Lees STANGER’S SONG des Pansori Project ZA, Süd Korea (Regie JI HYE PARK), Vivian Nielsons BREAKING THE WAVES des Ungarischen Theaters Cluj (Regie TOM DUGDALE) und Saviana Stanescus TOYS, A DARK FAIRY TALE der J.U.S.T. Toys Productions, USA (Regie GABOR TOMPA).
Bewußt wird auf eingehend bewertende Beschreibung von Vorstellungen zugunsten einiger Ausführungen des sozio-politischen Festivaltenors verzichtet. Jedem Interessierten sei die gut bestückte Site des Festivals in englischer Sprache empfohlen. www.interferences-huntheater.ro
Angesichts einer mehr und mehr rechtslastigen europäischen Realität versuchte INTERFERENCES also nicht nur wegen des aktuellen Problems von Migration in und nach Europa das Themenfeld von „fremd/anders“ zu beleuchten: „Was bedeutet es, Europäer zu sein?“ „Woraus besteht europäische Identität eigentlich?“ „Anders sein und vertraut sein“, wie wirkt sich das aus? Was ist eigentlich ein Fremder? Wie drängend, gar zwingend, sind derartige Fragen? Von Kulturanthropologie zur Soziologie konzentrieren sich zeitgenössische philosophische Diskussionen darauf.
Welche Bedeutung hat das Wort FREMDER, was heißt ICH und was der ANDERE? Wie wird man eigentlich ein FREMDER und was heißt denn, seine Identität bewahren, Teil irgendeiner Gruppierung zu sein?
Ist man schon ein ANDERER, FREMDER, weil man einer anderen Religion oder Sprache verbunden ist, eine andere sexuelle Orientierung inne hat oder gar weil man anders denkt? Kann man gar von einer eigenen Fremdheit sprechen, die tief in jemandem, im eigenen Sein wohnt? Kann man ein Fremder in der Welt, im eigenen Land, der Stadt, dem Zuhause, der Familie oder in sich sein?
Derartig vielen und vor allem vielschichtigen Fragen hatte sich die 2016 INTERFERENCES Ausgabe in 11 Tagen mit 22 Vorstellungen aus 14 Ländern in 13 Sprachen vorgenommen zu stellen.
Die Situation der Siebenbürgen Rumänenungarn generiert sich historisch bedingt anders als z.B. die der Rumänendeutschen dieser Region. Empfindsamkeiten sind anders gelagert. Wenn Ukrainer in den USA noch von einer „wunderbaren“ lokalen Ethno-Isoliertheit schwärmen, gehen die Gedanken der ungarisch stämmigen Rumänen in Teilen weiter. Es werden Träume von Hegemonie besonders im kulturellen Bereich verbalisiert, nicht ein Miteinander wird angestrebt.
Widersacher sind augenscheinlich die rumänische Ökonomie und eine damit verbundene Stellung dieser Gruppe im europäischen Vergleich. Dass die tagtägliche Hegemonie voran getrieben wird, liegt zum Teil auch an den politischen Verhältnissen im Herkunftsland und wird von dort aus vorangetrieben: Bei einer Diskussionsrunde in Budapest um die Europa weite Bedeutung von Opernhäuser wurde bereits 2014 dem in Cluj ansässigen kleinen ungarischen Opernhaus (im selben Gebäude wie das ungarische Theater) in seiner Diasporastellung eine besondere Bedeutung für „das Ungarntum“ durch den Chef der Ungarischen Nationaloper Budapest, den Orban-Adlaten Szilveszter Okovacs, zugesprochen. Damals schon ließ die Bedeutung einer Diskussion um die Freiheit der Oper nach 1989 eine kulturelle Hegemonie der ungarischen Oper durchscheinen.
Dass ein harmonischer Interessenausgleich im ungarischen Theater von Cluj stattfindet, sei dem Festival INTERFERENCES und Gabor Tompa, dem langjährigen Chef des Hauses, geschuldet, der u.a. auch an der Universität von San Diego unterrichtet (ein rumänischer Staatsbürger mit weiterem Wohnsitz in den USA und mit ungarischen Wurzeln) und eine offenere Sehweise in das Haus einbringt.
Unter den genannten Aspekten und aktuellen sozio-kulturellen Voraussetzungen fiel und fällt dem Festival eine weitere, Demokratie bildende Rolle in Rumänien und auch im Hinblick auf ein einiges Europa zu.
Fazit: Totale Fremdheit kann doch wiederum zu Vertrautheit werden, dank einer Brücke, die Theater aufbauen kann, um Menschen zueinander zu führen.
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2010 berichteten wir erstmalig vom BITEI-Theaterfestival in Chisinau/Moldau unter dem Aspekt der Information über Ost-West-Theater in vorwiegend russisch sprechenden Ländern. 2011 ist das Internationale Theaterfestival Sibiu/Hermannstadt (RO) hinzugekommen; weiterhin berichtet PPS für die Philharmonie (Müpa) Palast der Künste, Budapest (HU). Anlässlich des 3. Int. Theaterfestivals Tbilisi (Tiflis, Georgien) und des 1. Festival of Puppet Theatre, Sachalin, Russland, waren wir 2011 alleinig als deutsche Pressevertreter eingeladen. 2012 wurde die Leitung von PPS als europäischer Beobachter, Berichterstatter und internationaler Juror zum 30. Fadjr Festival nach Teheran gebeten. Das Jahr endete mit der erfolgreichen PR-Kooperation für Janacek-Musikfestival, Brünn (CZ). Seit Anfang 2013 hat die Ungarische Staatsoper, Budapest, unsere Agentur zur regelmäßigen Berichterstattung gebeten. 2015 hat die Kooperation mit dem Staatlichen Akademietheater Opereta Kyiv , 2016 mit Int. Monodrama Festival Fujairah (UAE)und Int. Scientific Conference of The Academy of Arts, Kairo.
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