Berufsbildende Schule der westpfälzischen Stadt führt zu Beginn des kommenden Schuljahres Hybrid-Unterricht für angehende Schuhfertiger ein
Wie wichtig digital gestützte Unterrichtsstrukturen für die schulische Ausbildung sind, hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie in den letzten beiden Jahren bewiesen. Vor diesem Hintergrund setzt Pirmasens jetzt ein wichtiges Signal in Richtung Digitalisierung: Die Berufsbildende Schule (BBS) der westpfälzischen Stadt bietet zum kommenden Schuljahr, das am 5. September 2022 beginnt, einen bundesweit in dieser Art einzigartigen Hybrid-Unterricht in der Fachklasse für den Ausbildungsberuf zum Schuhfertiger an. Das innovative Konzept ermöglicht es den Azubis innerhalb ihrer dualen Ausbildung, dass sie an ausgewählten Abschnitten des Blockunterrichts der Berufsschule in Rücksprache mit Berufsschule und Betrieb entweder direkt vor Ort teilnehmen oder sich vom Sitz des jeweiligen Schuhherstellers live dazuschalten. In einem der modernsten Klassenzimmer Deutschlands steht hierfür hochspezialisierte Audio- und Videotechnik auf dem Niveau von Film-/TV-Equipment zur Verfügung. Der Anteil der “digitalen Lehre” beträgt dabei rund 25 Prozent, die übrige Zeit sind alle Auszubildenden in Präsenz an der BBS Pirmasens.
Die Ausbildung der Schuhfertiger aus beispielsweise Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen findet in Pirmasens statt und bildet die optimale Grundlage für eine berufliche Karriere in der Schuhindustrie bis hin zur Führungskraft; auch viele ausländische Schüler nehmen teil. Daher entsenden viele namhafte Unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Auszubildenden in die Stadt am Tor zum Pfälzerwald, wo das Wissen um den Schuh und seine Herstellung seit mehr als 200 Jahren zuhause ist. So sind dort etwa das Branchenaus- und weiterbildungszentrum International Shoe Competence Center (ISC), die Deutsche Schuhfachschule, das Prüf- und Forschungsinstitut (PFI) sowie zahlreiche renommierte Schuhhersteller ansässig. Alle Fäden beim Thema Aus- und Weiterbildung bzw. Qualifizierung rund um den Schuh laufen an diesem Ort zusammen. Die Auszubildenden zum Schuhfertiger profitieren von dieser Verzahnung: In der kompletten Schuhproduktionsstraße für alle Macharten des ISC Germany setzen die Auszubildenden im Rahmen des praktischen Unterrichts das theoretisch erworbene Wissen in die Praxis um. Nach der Ausbildung zum Schuhfertiger bietet Pirmasens in Deutschland einmalige Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten. So kann man an der Deutschen Schuhfachschule staatlich geprüfter Schuhtechniker werden, während das ISC zahlreiche maßgeschneiderte Seminare und Zertifikatslehrgänge in Kooperation mit der IHK Pfalz anbietet wie den Industriemeisterkurs Schuhfertigung, Nachhaltigkeitsmanager und Produktmanager Schuhe.
Wichtiges Signal in Richtung Digitalisierung
Initiiert hat das Modellprojekt “Unterricht im virtuellen Raum” das Team um Jörg Altpeter, Oberstudiendirektor der BBS, im engen Austausch mit dem ISC, dem Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie (HDS/L), dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium und der Stadt Pirmasens als Schulträger. Dabei sind Erfahrungen aus dem Corona-bedingten digitalen Fernunterricht in das eigens entwickelte pädagogische Konzept eingeflossen. Zur technischen Ausstattung des Digital-Labors im Wert von insgesamt rund 63.000 Euro gehören selbstfolgende Kameras, besonders geräuschsensible Mikrofone, große Bildschirme und ein Schaltpult; die Kameras ermöglichen dank künstlicher Intelligenz (KI) unter anderem auch eine individuelle Gesichtserkennung. Für die technische Realisierung im Klassenraum der BBS zeichnete die europaweit agierende visunext Gruppe mit Sitz in Emsdetten verantwortlich.
“Digitalisierung muss gerade auch im Kontext der schulischen Fachausbildung einfach gelebt werden. Genau deshalb bieten wir für die Schuhfertiger an der BBS Pirmasens den Unterricht jetzt in Hybridform an im Zusammenspiel von klassischen Präsenzzeiten mit Online-Stunden. Der Unterricht steht dabei auf mehreren Säulen. Ein unverzichtbarer Aspekt ist der neue Online-Konferenzraum. Des Weiteren erhalten die Auszubildenden von ihren Ausbildungsbetrieben Laptops beziehungsweise Tablets, die sie auch im Präsenz-Unterricht im Klassenraum einsetzen. Begleitet werden diese Hardware-technischen Gegebenheiten durch die schrittweise Umsetzung des didaktisch-pädagogischen Konzepts etwa mit der Einführung von digitalen Tools im Unterricht oder auch der Veränderung der Organisationsstruktur. Hierauf bereiten sich die Lehrerinnen und Lehrer durch Fortbildungen sowie viel Eigeninitiative intensiv vor. Über diese wirkstarke Vorgehensweise gewährleisten wir die bestmögliche Ausbildung künftiger Fachkräfte”, bringt Jörg Altpeter, Schulleiter der BBS Pirmasens, das innovative Bildungsangebot auf den Punkt.
Manfred Junkert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Schuh- und Lederwarenindustrie (HDS/L), weist darauf hin, dass die deutschen Schuhhersteller mit ihren Unternehmen über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind: “Die Möglichkeit des hybriden Berufsschulunterrichts erhöht daher nicht nur die Attraktivität des Branchenausbildungsberufs, sondern erleichtert die Ausbildung erheblich. Einerseits kann die Aufenthaltsdauer der teils noch sehr jungen Auszubildenden reduziert werden, andererseits wird der Unterricht zum Beispiel auch in Pandemiezeiten ermöglicht. Wir sehen den Start des hybriden Berufsschulunterrichts im Sommer der Berufsausbildung als Win-Win-Situation – sowohl für die jungen Menschen als auch für die Wirtschaft. Was viele nicht wissen: Die Möglichkeiten in der Schuhindustrie sind genauso vielfältig wie ihre Produkte, deshalb: #AusbildungStarten.”
“Die Digitalisierung wird eine zentrale Aufgabe der kommenden Jahre sein. Eine insoweit gut gerüstete Stadt macht ihre Bürgerinnen und Bürger unabhängiger und den Standort Pirmasens noch attraktiver. Hierbei ist es sehr wichtig, die Digitalisierung mit all ihren Chancen und Möglichkeiten auch schon in der Ausbildung zu leben – und so zeigt das Angebot eines Hybrid-Unterrichts der BBS Pirmasens in einem topmodernen Klassenraum einmal mehr die Vorreiterrolle unserer Stadt als einem traditionsreichen Ausbildungsort, an dem sich die analoge und die digitale Welt auf wirklich vorbildliche Art ergänzen. Daher sind wir überaus stolz auf dieses echte Leuchtturm-Projekt. Zugleich unterstreicht es auch die hohe Bedeutung, die Pirmasens als der deutschen Schuhstadt par excellence nach wie vor zukommt. Und es zeigt, wie wir es schaffen können, mit High-Tech-Mitteln dem Fachkräftemangel insbesondere in diesem handwerklichen Bereich punktgenau entgegenzuwirken”, kommentiert Markus Zwick, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens.
Ergänzendes zur Stadt Pirmasens
Erste urkundliche Erwähnung fand Pirmasens um 850 als “pirminiseusna”, angelehnt an den Klostergründer Pirminius. Der als Stadtgründer geltende Landgraf Ludwig IX. errichtete im heutigen Pirmasens die Garnison für ein Grenadierregiment, es folgten 1763 die Stadtrechte. Am südwestlichen Rand des Pfälzerwalds gelegen und grenznah zu Frankreich ist das rund 42.000 Einwohner zählende, rheinland-pfälzische Pirmasens wie Rom auf sieben Hügeln erbaut. In ihrer Blütezeit galt die Stadt als Zentrum der deutschen Schuhindustrie und ist in dieser Branche heute noch wichtiger Dreh- und Angelpunkt; davon zeugen unter anderem der Sitz der Deutschen Schuhfachschule, des International Shoe Competence Centers (ISC) oder der Standort der ältesten Schuhfabrik Europas. Zu den tragenden Wirtschaftsbereichen zählen unter anderem chemische Industrie, Kunststofffertigung, Fördertechnik-Anlagen und Maschinenbau. Pirmasens positioniert sich heute als Einkaufsstadt mit touristischem Anspruch und gut ausgestattetem Messegelände. Seit 1965 wird eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Poissy gepflegt. Weitere Informationen sind unter https://pirmasens.de erhältlich.
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