Service in der Gastronomie und Hotellerie neu betrachten
Wir sprachen mit Margarida Bernardo, Expertin für Service und Kundenloyalität in der Gastronomie und Hotellerie, über die Chancen für die Branche, erfrischt und verstärkt aus dem “Corona-Schlaf” zu erwachen und Gäste wie nie zuvor zu begeistern.
Frage: Reiseverbote, Ausgangsbeschränkungen und wiederholte Lockdowns verändern den Alltag in Deutschland spürbar. Wie sehen Sie die Situation in Bezug auf die Gäste in der Hotellerie- und Gastronomie-Branche?
Margarida Bernardo: Hotels und Restaurants sind sehr davon betroffen. Aufgrund der starken Einschränkungen konnten viele Hotels mit schnell eingeführten Hygienekonzepten durch geschäftlich reisende Gäste ihren Betrieb leidlich fortsetzen, nur ohne Messen, Tagungen und andere Business-Veranstaltungen ist die Lage auch in der Geschäftstourismus-Nische, besonders in Messestädten, sehr bedrohlich.
Restaurants – viele auch ein wichtiger Teil des Hotelbetriebes – leiden immer noch an dem verstärkten Lockdown während der Weihnachtszeit und an den fehlenden Umsätze aus den Weihnachtsfeiern von Betrieben und Familien.
Hinter jedem Problem verbergen sich jedoch die Lösungen und jede Krise öffnet neue Chancen – das heißt, dass die Branche sich jetzt überlegen muss, wie sie nach Beendigung des Lockdowns ihre Gäste zurückholt. Hier geht es nicht nur darum, an frühere Erfolge anzuknüpfen, sondern die Verluste abzuarbeiten und mit neuem Schwung auf die Wachstumsspur zurückzukehren.
Frage: Was sind die Probleme, auf die Gastronomen und Hoteliers stoßen werden?
Margarida Bernardo: Die dynamischen Corona-Maßnahmen fordern Hoteliers und Gastronomen richtig heraus und da spielen andere Faktoren auch eine wichtige Rolle. Ein Beispiel ist die Wiedereröffnung der Außengastronomie, bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 35. So lange es draußen kalt ist, ist eine Wiedereröffnung für viele Gastronomen nicht rentabel – das heißt, viele warten lieber ab und setzen solange weiter auf Abhol- und Lieferservice.
Da stellen sich andere Herausforderungen. Vor allem für gehobene Restaurants – zumal die, die Lieferservice anbieten – ergibt sich das Problem mit der Verpackung. Bei einigen Gerichten sind die richtige Temperatur und der Duft für den Geschmack entscheidend. Dazu kommt das Anrichten des Tellers – das Auge isst bekanntlich mit und gerade in der gehobenen Gastronomie wird es von den Gästen besonders erwartet.
Frage: Wie können Hoteliers und Gastronomen diese Schwierigkeiten begegnen?
Margarida Bernardo: Flexibilität ist ein wichtiger Punkt. Hotelketten haben den Nachteil, von den Entscheidungen von oben abzuhängen, während privat betriebene Hoteliers und Gastronomen frei entscheiden können, wie es weiter geht, ob sie Veränderungen vornehmen und falls ja, welche und wann. Dadurch haben sie noch die Möglichkeit, nicht nur zu reagieren, sondern proaktiv Veränderungen dort zu bewirken, wo es vorher vermutlich schon nicht so gut funktionierte.
Frage: Was sollten Hoteliers und Gastronomen als Erstes unternehmen?
Margarida Bernardo: Es ist jetzt wirklich die Zeit, nicht einfach nur das Alte, Bekannte weiter zu treiben, sondern auch neue Konzepte einzuführen, Verfahren anzupassen und zu modernisieren, den Service zu verbessern und es dem Gast klar und gezielt zu vermitteln.
Gerade jetzt, nachdem so viel Personal entlassen wurde und bald wieder neues eingestellt wird, sollte die Chance genutzt werden, Führungskräfte auf die neue Richtung einzustellen und sowohl das bestehende Personal als auch die neuen Mitarbeiter darauf zu vorbereiten.
Frage: Welche Veränderungen konnten Sie bereits beobachten?
Margarida Bernardo: Die Wanderung der Umsätze von “Onsite-” zu “Offsite-Gastronomie” – also von der im Restaurant zu der, die durch Abhol- und Lieferservice stattfindet – ist offensichtlich. Dadurch wird unter anderem die Idee von “Food Experience” – Essen als Erlebnis – stärker spürbar. Das betrifft Take Away, Lieferdienst, Food-to-Complete – Tendenz steigend.
Damit verknüpft ist die Tendenz zum Luxus im Alltag zu erwarten. Das Besondere auf der Urlaubsreise zu erleben ist jetzt nicht möglich, also wird es in den Alltag und ins Haus geholt – in der Gastronomie heißt es Deko, Verpackung, Duft, Temperatur, und zwar nicht nur auf dem Teller. Somit lassen auch gehobene Restaurants das lässige Chic rein – “die neue Lässigkeit der Sternerestaurants”, wie Pierre Nierhaus es in seinem Trendreport für 2021/2 nennt -, um flexibler zu werden und sich den neuen Erwartungen anzupassen. Für die Hotellerie bedeutet es in etwa ein Wochenende im naheliegenden 4-Sterne-Hotel oder ein Full-Service-SPA-Erlebnis am Sonntagmorgen im 5-Sterne-Hotel um die Ecke bedeuten.
Qualität und das Individuelle punkten immer deutlicher. “Craft” – das Hand- und Hausgemachte, die eigene Kreation – setzt sich durch. Geschichte und Emotion wirken kräftiger als Bio.
Auch die internationale Küche rückt als Ersatz für die Urlaubsreise in den Vordergrund. Dazu gehört der Service – die Gastfreundlichkeit, die im Ausland selbstverständlich wäre und man jetzt hier sucht. Dazu gibt es – wie von mehreren Studien belegt – insbesondere in der “Service-Wüste Deutschland” noch zu wenig Mut. Der lässt sich übrigens aneignen.
Frage: Welche Tendenzen werden bereits gefolgt?
Margarida Bernardo: Die erste ist selbstverständlich – das Verfeinern von Hygienekonzepten wird ernster genommen. Leider wird es noch nicht genug bekanntgemacht. Gäste sollen unbedingt von eingeführten Hygienemaßnahmen erfahren und zwar richtig – hier spielt das “Wie” eine entscheidende Rolle.
In der Gastronomie wird wachsend nach Möglichkeiten der Unabhängigkeit von Lieferdiensten gesucht, wobei einige Restaurants sich bereits zusammenschließen, um gemeinsame Lösungen zu nutzen.
Die Digitalisierung der Branche ist im Zuge der Pandemie stark in die Gänge gekommen, etwa in der Gastronomie durch die wachsende Kontaktlosigkeit bei Bestellung und Zahlung und in Richtung “Offsite-Gastronomie”, also mit Abhol- und Lieferservice. Oder in der Hotellerie, zum Beispiel durch direkte Buchungs- und automatisierte Check-in/Check-out-Verfahren sowie eine verstärkte Präsenz online. Ähnliches wird in der Küche gespürt, indem Köche zunehmend zu Koordinatoren, Managern systematisierter Abläufe und Trainern werden. Gerade da sind Trainingsmaßnahmen absolut sinnvoll. Solche Fachkräfte sind keine ausgebildete Kommunikatoren und es fehlt ihnen öfters an wichtigen Soft Skills für die zwischenmenschliche Kommunikation, die sich mit passendem Coaching beziehungsweise Training aufbauen lassen.
Frage: Sind da noch weitere Veränderungen in Sicht?
Margarida Bernardo: Flexibilität wird – wie ziemlich überall – in der Branche immer stärker gefragt. Sowohl in der Gastronomie als auch in der Hotellerie werden zum Beispiel flexible Buchungs- und Umbuchungsmöglichkeiten immer geschätzter und vor allem in Hotels die sogenannten “Mixed-Use-Konzepte” immer beliebter. Weitere Ansätze sind “Meet and Play”, Hotel als Lebensraum, Hotel als flexibler Arbeitsraum, Hotel als Homeoffice. Auch das Konzept “Meet the Locals” bietet enorme Chancen, die meines Erachtens bisher gerade im DACH-Bereich noch nicht so verbreitet sind und trotz steigender Nachfrage kaum genutzt werden.
Steife wird jetzt nicht mehr geduldet und in Sache Flexibilität können sich – auch kleinere Hotels und Restaurants – schon mit kleinen Schritten von der Konkurrenz wesentlich abheben.
In diesem Sinne lässt sich noch eine Veränderung ahnen, nämlich das Konzept “mit Abstand und doch so nah” – darunter sind der Gastro-Bäcker mit fertigen Imbissen für kurze Mahlzeiten im Homeoffice, das Frühstückscafe im Wohngebiet – so üblich in Frankreich und den meisten europäischen Südländern -, das kleine Restaurant um die Ecke, bei dem die frisch gekochte Suppe für die kleine Mahlzeit am Abend regelmäßig vorbestellt und geholt wird. Alles natürlich mit viel Liebe zubereitet. Nicht mit Liebe zur eigenen Arbeit, sondern mit Liebe zum Gast. Auch die lässt sich erlernen.
Frage: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial?
Margarida Bernardo: Zweifellos im Service-Bereich. Wie Service bisher gesehen, verstanden und praktiziert wurde – im Sinne von Kundenbindung – wird es in Zukunft nicht mehr funktionieren, das ist einfach nicht mehr nachhaltig. Gäste gibt es weiterhin, nur auch sie haben sich verändert und sehnen sich mehr und mehr nach VERbindung – insbesondere die jüngeren Generationen, für die nicht mehr der Preis, sondern viel eher das Erlebnis zählt.
Mut ist angesagt, Mut zum Neuen – nicht im technischen Sinne, Innovation gibt es überall genug. Nun zum Herzen… nicht, dass es keins gäbe! Es gibt sogar ganz viel, und genauso viel Verstand. Es fehlt nur an dem richtigen Interface, an der passenden Schnittstelle. Damit wird Erfolg zum reinen Nebeneffekt. Das gefährdete “vom Herzen” hebt Service sofort auf ein ganz anderes Niveau – und wieder: Auch das kann vermittelt werden.
Etwas Vorsicht ist aber geboten: In Zeiten der Unsicherheit wünschen sich Gäste zwar Neues zu erleben, suchen jedoch nicht unbedingt gleich das große Abenteuer. Sie greifen gern zum Bekannten und Bewahrten zu – zum Lieblingsrestaurant, zur Stammkneipe, zum Cafe in der Nachbarschaft – und da sehe ich großes Potenzial, denn Stammgäste in begeisterte Fans zu verwandeln ist viel leichter und kostengünstiger als neue Gäste zu gewinnen.
Menschen sind hungrig nach Halt und schönen Erlebnissen. Zuneigung, Herzlichkeit, Atmosphären mit Wohlfühlcharakter, Vergnügen, Genuss sind jetzt richtige Kunden-Magneten.
Hygienemaßnahmen und der Abstand zwischen den Tischen und Gästen wirkt auf den Umsatz wie auf die Gäste – eine Chance, durch besten Service den Preis aufzumuntern. Herzliche Gastgebereigenschaften und Großmütigkeit schaffen die Nähe zum Gast, die verbindet. Studien und Experten sind sich einig: Da wird auf den Aufpreis gern mal ein Auge zugedrückt.
Frage: Welcher wäre der wichtigste Schritt?
Margarida Bernardo: In der Verbesserung des Service zu investieren ist wichtig und jetzt wie nie zuvor zwingend notwendig. Mit Corona hat sich natürlich vieles verändert – allerdings nicht nur während der Pandemie, sondern teilweise bereits zuvor. Im DACH-Bereich wurden diese Veränderungen meines Erachtens nicht gleich erkannt – zum Teil immer noch nicht – und dementsprechend wurde nicht so zügig darauf reagiert.
Die Verbesserung des Service durch Schulungen, Fortbildungsaktionen, Coaching und Training des Personals zu fördern – von der Führungsebene bis hin zu den Instandhaltungs- und Reinigungskräften – scheint mir der wichtigste Schritt zu sein. Es geht schnell, wirkt noch schneller, zahlt sich aus und erweist sich immer wieder als eine Investition mit höchster Rendite. Inspirierte Mitarbeiter bringen Erfüllung, die verbindet – so entsteht Kundenloyalität.
Vielen Dank, liebe Margarida Bernardo, für die interessanten Einsichten und viel Erfolg weiterhin!
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Margarida Bernardo ist Expertin für Service und Kundenloyalität in der Gastronomie und Hotellerie. Sie entwickelt für ihre Kunden ungewöhnliche Lösungen, die Gäste wirklich beeindrucken und unterstützt sie dabei, Gäste in begeisterte Fans zu verwandeln. Hierzu bietet sie unter anderem Coaching- und Trainingsmaßnahmen.
Ihre Begeisterung für das Gastgewerbe begleitet sie bereits seit ihrer Dissertation zum Thema Geschäftstourismus.
Margarida Bernardo stammt aus Portugal, hat lange Erfahrung mit dem brasilianischen Markt – in dem Gastfreundlichkeit eine besondere Rolle spielt – und sammelte für ihre Recherche Eindrücke aus mehreren Kontinenten. Sie lebt heute in Nürnberg und unterstützt mit einzelartiger Methodologie Hoteliers und Gastronomen im DACH-Bereich bei der Einführung und Umsetzung unschlagbarer Service-Konzepten, die begeistern.
Mehr mit Herz unterstützt Hoteliers und Gastronomen im DACH-Bereich, mit außergewöhnlichen Lösungen mehr Gastfreundlichkeit und Kundenloyalität zu schaffen. Durch das Verlinken von erweiterten soft Skills und verfeinerter, emotionaler Intelligenz mit strategischem, unternehmerischem Denken werden innovative Service-Konzepte entwickelt und umgesetzt, die Gäste wirklich beeindrucken und in begeisterte Fans verwandeln. Hierzu bieten wir unter anderem (Executive-)Coaching und maßgeschneiderte Trainingsmaßnahmen für die Hotellerie und Gastronomie.
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