Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, und Maximilian Renger, wissenschaftlicher Mitarbeiter, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 02.09.2010 – 16 Sa 260/10.
Straftaten zulasten des Arbeitgebers, insbesondere Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug, sind grundsätzlich ein tauglicher Kündigungsgrund. Arbeitnehmer müssen in Fällen, in denen sie auf solche Weise das Vermögen des Arbeitgebers schädigen, immer damit rechnen, ihren Job zu verlieren. Oftmals geht es dabei allerdings um Sachen bzw. Schädigungen von nur geringem Wert. Liegt der Schaden des Arbeitgebers nur im Cent-Bereich, stellt sich die Frage, ob eine Kündigung dennoch zulässig ist. Ein anschauliches Beispiel für einen entsprechenden Fall liefert das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 02.09.2010 (Az.: 6 Sa 260/10).
Elektroroller aufgeladen: Der Arbeitnehmer hatte in dem konkreten Fall bei der Arbeit seinen Elektroroller aufgeladen. Kosten für den Arbeitgeber aufgrund des Stromverbrauchs: 1,8 Cent. Der machte geltend, der Arbeitnehmer habe ein Vermögensdelikt zu seinen Lasten begangen, und kündigte fristlos, hilfsweise ordentlich das Arbeitsverhältnis.
Kündigung auch bei geringen Werten: Das LAG stellte zunächst klar, dass eine Kündigung auch dann in Betracht komme, wenn die Verletzung des Arbeitnehmers nur Sachen von geringem Wert betreffe. Das LAG: Selbst, wenn die rechtswidrige Verletzungshandlung nur Sachen von geringem Wert betrifft, ist die Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 02.09.2010 – 16 Sa 260/10).
Interessenabwägung im Einzelfall: Dennoch bleibt es dabei, dass eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers nur dann zulässig ist, wenn eine Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergibt, dass ersterem die Fortbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Dann muss der Verstoß des Arbeitnehmers insbesondere so schwer sehr sein, dass eine vorherige Abmahnung entbehrlich ist.
Abmahnung für Arbeitgeber zumutbar: Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitgeber eine Abmahnung angesichts der langen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers von 19 Jahren und des geringen Schadens zumutbar gewesen wäre. Entscheidend sei zudem insbesondere gewesen, dass der Arbeitgeber das Aufladen von Handys und anderen elektronischen Geräten auf der Arbeit geduldet habe. Das LAG dazu: „Es ist unstreitig, dass im Betrieb der Beklagten zahlreiche privat mitgeführte elektronische Gegenstände betrieben wurden, wie Kaffeemaschinen, Radios und Mikrowelle. Darüber hinaus wurden aber auch Handys aufgeladen. Zwar mag die Duldung der Stromentnahme in diesen Zusammenhängen nicht dazu führen, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Klägers zu verneinen, wie das Arbeitsgericht auf S. 13 des Urteils ausgeführt hat. Im Rahmen der Interessenabwägung ist diese Praxis jedoch zugunsten des Klägers zu berücksichtigen.“ (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 02.09.2010 – 16 Sa 260/10)
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15.02.2018
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