Mehr als jeder zweite Online-Händler ist in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal abgemahnt worden – so ein Ergebnis der Studie “Abmahnungen im Online-Handel” von Trusted Shops. Damit stieg die Quote der Abmahnopfer in den vergangenen zwei Jahren jeweils um durchschnittlich vier Prozent. Die finanziellen Belastungen daraus zwingen Shop-Betreiber zunehmend in die Knie. Die Umfrageergebnisse bekräftigen die Kritik des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) an der gängigen Praxis der Abmahnvereine. Erst im Sommer beklagte DIHK-Chefjustiziar Wernicke den zunehmenden Abmahnmissbrauch.
Jeder zweite Online-Händler sieht Existenz bedroht
Die Ergebnisse der Abmahnstudie von Trusted Shops liegen nun das sechste Mal in Folge vor. Das Meinungs- und Stimmungsbild unter den Online-Händlern hat sich in den letzten zwölf Monaten nochmals verschlechtert. Grund hierfür sind die steigenden Abmahnungsfälle: 680 der 1.530 Online-Händler traf es in den vergangenen zwölf Monaten, ein Zuwachs von 4 Prozent im Vergleich zum Umfrageergebnis des Vorjahres.
Im Schnitt werden pro Abmahnung 1.300 Euro fällig – theoretisch: Bei den Befragten der diesjährigen Umfrage summierten sich die geforderten Kosten allerdings auf durchschnittlich 4.700 Euro. Das liegt daran, dass etliche Umfrageteilnehmer schon ein zweites Mal oder häufiger betroffen waren und zusätzlich Vertragsstrafen zahlen mussten. Die im Wiederholungsfall fälligen Vertragsstrafen fallen deutlich höher aus und summieren sich auf bis zu 9.000 Euro. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass 51 Prozent der diesjährigen Befragten die gegenwärtige Abmahnpraxis als akut existenzgefährdend einstufen.
Abmahnvereine am Pranger: Studie untermauert DIHK-Kritik
Der Unmut richtet sich aber weniger gegen das Instrument der Abmahnung an sich. Im Fokus stehen vielmehr bestimmte Abmahnvereine: “Die gängige Praxis einiger Abmahnvereine dient weniger dem fairen Wettbewerb als vielmehr wirtschaftlichen Eigeninteressen”, so Dr. Carsten Föhlisch, Leiter der Rechtsabteilung von Trusted Shops. “Den abgemahnten Online-Händlern fehlt meist jeglicher Vorsatz. Es werden bewusst einfachste Fehler abgemahnt, die für den Wettbewerb nicht relevant sind, aber im Tagesgeschäft immer wieder passieren können. Es geht ganz klar darum, mit Vertragsstrafen bei künftigen Verstößen Geld zu verdienen.”
Zwar mahnen Mitbewerber laut Trusted-Shop Abmahnstudie insgesamt am häufigsten ab (in 51 Prozent der Fälle), aber sämtliche nachfolgende Plätze im “Abmahn-Ranking” belegen Abmahnvereine. Ein einzelner Verein hat 22% aller Abmahnungen ausgesprochen, was innerhalb der Vereine sogar 59% entspricht. Die Ergebnisse untermauern die Forderung des DIHK an den Gesetzgeber, den Abmahnmissbrauch einzudämmen.
Achillesferse “Widerrufsrecht”
Ein Blick auf die häufigsten Abmahngründe zeigt, dass das Widerrufsrecht bei vielen Onlinehändlern eine offene Flanke darstellt: Fast ein Viertel (23 Prozent) aller Abmahnungen hatten Verstöße gegen das Widerrufsrecht zum Anlass – ein Plus von 6 Prozent im Vergleich zu den Trusted-Shops-Ergebnissen des Vorjahres. Dabei sind es meist Details, die beanstandet werden: Vielfach sind die Widerrufsbelehrungen unvollständig oder veraltet, eine Telefonnummer fehlt oder ist nur kostenpflichtig erreichbar, ein Muster-Widerrufsformular ist nicht vorhanden oder fehlerhaft.
“Dies zeigt, dass die Komplexität der Vorschriften im Online-Handel trotz Musterformulierungen des Gesetzgebers immer noch zu hoch ist. Es ist angebracht, insbesondere die zahlreichen Informationspflichten auf den Prüfstand zu stellen”, so Föhlisch weiter. Auch die Internethändler sehen in erster Linie den Gesetzgeber in der Pflicht, gegen den Abmahnmissbrauch vorzugehen. So führt die Forderung nach vereinfachten Gesetzen die Liste an (14 Prozent). Auch die Anwaltskosten für Abmahnungen solten nach Ansicht der Händler gesetzlich limitiert werden (13 Prozent). Gleich viele appellieren an die Gerichte, missbräuchliche Abmahnungen häufiger zurückzuweisen.
Details zur Trusted Shops-Umfrage:
– Durchführungszeitraum: 8. September bis 17. Oktober 2017
– Teilnehmer: 1.530 Befragte (Online-Händler)
– Methode: Online-Befragung
Trusted Shops ist Europas Vertrauensmarke im E-Commerce. Das Kölner Unternehmen stellt mit dem Gütesiegel inklusive Käuferschutz, dem Kundenbewertungssystem und dem Abmahnschutz ein “Rundum-sicher-Paket” bereit: Anhand von strengen Einzelkriterien wie Preistransparenz, Kundenservice und Datenschutz überprüft Trusted Shops seine Mitglieder und vergibt sein begehrtes Gütesiegel. Mit dem Käuferschutz, den jeder zertifizierte Online-Shop bietet, sind Verbraucher etwa bei Nichtlieferung von Waren abgesichert. Darüber hinaus sorgt das Kundenbewertungssystem für nachhaltiges Vertrauen bei Händlern und bei Käufern. Das Trusted Shops Projekt “Locatrust” verhilft lokalen Händlern zu echten Bewertungen ihrer Kunden. Damit bietet Trusted Shops lokalen Händlern die Möglichkeit, mehr Sichtbarkeit für ihr Geschäft und ihr Sortiment im Netz zu schaffen, um den Local Commerce zu stärken. Das Projekt wird im Rahmen des Strukturfonds EFRE (Europäische Fonds für Regionale Entwicklung) von der Europäischen Union gefördert.
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