Bei Überziehung eines Kontos nach § 505 BGB erheben nahezu alle Banken ein pauschales „Mindestentgelt“. Mit zwei Urteilen entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass derartige Entgelte Unwirksam sind.
Zunächst: Der § 505 BGB und Kontoüberziehungen:
Kaum ein Verbraucher befand sich noch nie in der Situation, dass sein Konto wenigstens ein Mal überzogen war. Überziehung bedeutet, dass die Belastung des Kontos nicht vom Guthaben oder sonstigem Kapital gedeckt ist. Einfach gesagt: das Konto befindet sich im Minus. Grds. gibt es bei der Kontoeröffnung zwei Varianten für die Vereinbarung über eine Kontoüberziehung. Zum einen können Bank und Verbraucher das Konto ohne eingeräumte Überziehung eröffnen. Zum anderen können sie aber auch eine Kontoeröffnung mit einem bestimmten Überziehungsbetrag vereinbaren. Wird diese Vereinbarung nicht eingehalten, kommt § 505 BGB ins Spiel.
Der § 505 Abs. 1 BGB gestattet es den Banken, ein Entgelt in bestimmten Fallkonstellationen zu erheben. Entweder dafür, dass der Verbraucher ein Konto ohne eingeräumte Überziehungsmöglichkeit überhaupt überzieht. Oder aber dafür, dass der Verbraucher den eingeräumten Überziehungsrahmen übersteigt. In beiden Fällen muss die Bank diese Überschreitung dulden. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht es ihr frei, ein Entgelt zu erheben.
Wie der Verbraucherschutz die Lage ändert:
Das Entgelt steht der Bank jedoch nicht immer und auch nicht pauschal zu. Insbesondere kommt hier nun der Verbraucherschutz zum tragen. Der BGH hat sich in zwei Revisionsverfahren mit der Frage auseinandergesetzt, ob und in welchem Ausmaß der Verbraucherschutz Auswirkungen auf die Regelungen des § 505 BGB hat. Wichtiges Kriterium für den Verbraucherschutz können bspw. die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sein.
In dem Verfahren XI ZR 9/15 standen die AGB der Bank zur Debatte. Dort hieß es u.a.:
5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.
8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen.
In dem Verfahren XI ZR 387/15 waren ebenfalls Auszüge aus den AGB einer Bank streitgegenständlich. Besonders die folgende Klausel wurde beanstandet:
[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 EUR, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen übersteigen im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 EUR. Die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im Berechnungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 EUR unterschreiten.
In beiden Verfahren beriefen sich die Kläger auf eine unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern und die daraus resultierende Unwirksamkeit der Klauseln.
Der BGH entschied, dass die jeweiligen Bestimmungen über das pauschale Mindestentgelt in Höhe von hier 6,90 EUR bzw. 2,95 EUR der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unterliegen. Dies ist für den Verbraucherschutz sehr wichtig. AGB werden meistens von Unternehmern gestellt, die u.U. die Lage der Verbraucher als Kunde und Laie ausnutzen und unfaire Vertragsklauseln stellen wollen. Damit Verbraucher den Unternehmern nicht schutzlos ausgeliefert sind, gibt es die gerichtliche Kontrolle der AGB.
Laut BGH halten die beanstandeten Klauseln einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken des § 505 BGB abweichen und die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen würden. Die Klauseln sind damit unwirksam.
Gründe des BGH für den Verbraucherschutz beim Mindestentgelt:
Bei dem Mindestentgelt wird unabhängig von der Laufzeit des Darlehens ein Bearbeitungsaufwand der Bank auf den Kunden abgewälzt. Bei § 505 BGB hingegen handelt es sich um die zulässige Erhebung eines Zins für eine geduldete Überziehung. Dies ergibt sich aus dem Leitbild des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein Zins ist allerdings eine laufzeitabhängige Vergütung für die Kapitalüberlassung, bei der der Bearbeitungsaufwand bereits eingerechnet wurde. Damit stehen die zwei Punkte „laufzeitabhängig“ und „Bearbeitungsgebühr“ im Widerspruch zueinander. Dieser Widerspruch kann nur gelöst werden, indem man sich an die gesetzlichen Regelungen und Motive hält. Somit verstößt also die Erhebung einer laufzeitunabhängigen Bearbeitungsgebühr unter dem Deckmantel des Mindestentgeltes für geduldete Überziehungen gegen § 505 BGB.
Darüber hinaus benachteiligen die Klauseln die Verbraucher auch in unangemessener Weise. Gerade bei niedrigen Überziehungsbeträgen und kurzen Laufzeiten sind unverhältnismäßige Belastungen die Folge. Beispielhaft kann man sich eine vereinbarte Überziehung von 10 EUR pro Tag vorstellen. Kommen hier nun noch einmal Kosten in Höhe von 6,90 EUR dazu, ergeben sich Überziehungskosten, die bei mehr als 50% des Überziehungsbetrages liegen.
Die pauschalen Entgelte mögen für hohe Überziehungsbeträge weniger gravierend sein, aus dem genannten ergibt sich aber die enorme Belastung für Kleinbeträge. Sobald eine unverhältnismäßig hohe Belastung für Verbraucher entsteht, ist eine Regelung verbraucherschutzwidrig und somit unzulässig. Dies ist hier eindeutig der Fall. Dem BGH ist es gelungen, endlich Klarheit für Verbraucher bei den Entgelten für Kontoüberziehungen zu schaffen. Banken versuchen an allen Ecken und Enden, möglichst viele Extragelder und -kosten zu erheben. Dies benachteiligt Verbraucher jedoch in hohem Maße. Der BGH fungiert hier als Kontrollinstanz und hat bereits viele sehr relevante Verbraucherschutzurteile erlassen.
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